Berlin. . Das Siegtor im Finale gegen Argentinien, das Deutschland in Brasilien den Weltmeistertitel bescherte, hat den Ex-Dortmunder Mario Götze verändert: Der hochbegabte Fußballer vom FC Bayern ist offener geworden – und besser.
In dieser Woche ist Mario Götze der wohl größte Moment seines Lebens wieder ins Bewusstsein gerufen worden. Der Empfang beim Bundespräsidenten in Berlin, die Fotos mit der Kanzlerin und natürlich die Filmpremiere von „Die Mannschaft“. Ein Streifen, der mit Sicherheit niemals in die deutschen Kinos gekommen wäre, hätte Götze an jenem 13. Juli im Maracana-Stadion in der 113. Minute nicht alles richtig gemacht. Eine geniale Szene, nicht länger als eine Sekunde, die aber so viel verändert hat. Für die deutsche Fußball-Nationalelf, die nach 24 Jahren wieder Weltmeister wurde, aber vor allem auch im Leben des allzeit so kritisch betrachteten Mario Götze.
Götze wirkt seit jenem Siegtor zum 1:0 im WM-Finale gegen Argentinien befreit, geradezu beflügelt. Die vielen Autogrammwünsche erfüllt er heute gerne. Auch um die Kameras macht der vor der WM oftmals so unnahbar, bisweilen sogar arrogant wirkende Jungstar keinen großen Bogen mehr. Die Wandlung des 22-Jährigen haben sie beim FC Bayern München schon vor Wochen festgestellt. Wo andere Weltmeister-Kollegen eine sportliche Schaffenspause einlegen oder sich mit Verletzungen im Zuge der großen WM-Anstrengung herumquälen, blüht Götze auf – sportlich wie menschlich.
Die Last der hohen Erwartungen
In seinem zweiten Jahr bei den Bayern hat er sich vom Ergänzungsspieler zum Leistungsträger entwickelt. In 14 von 17 Pflichtspielen bekam er von Pep Guardiola das Vertrauen, dabei erzielte er neun Tore und drei Vorlagen.
„Ich ein Held? Das ist übertrieben. Es war nur ein Tor, es war nur eine Weltmeisterschaft, wir haben es als Mannschaft sehr gut gemacht“, sagt Götze im WM-Film. „Ich bin fit und gesund, das ist ein tolles Gefühl. Der Rest kommt von allein“, beschreibt der Ausnahmetechniker seinen sportlichen Aufschwung. Im vergangenen Jahr sei die Ausgangslage eine andere gewesen. Mit einer schweren Verletzung (Muskelbündelriss) war er von Borussia Dortmund nach München gekommen, dazu die neue Umgebung und die große Erwartungshaltung, die allein schon wegen der hohen Ablösesumme von 37 Millionen Euro entstand. Es sei faszinierend, dass von ihm stets Perfektion erwartet werde, betont Götze. Es ist die Last eines Hochbegabten, der mit 17 sein Liga-Debüt gab, mit 18 erstmals für die Nationalelf spielte und mit 19 nach einem Weltklasse-Auftritt gegen Brasilien (3:2) Vergleichen mit Lionel Messi standhalten musste.
Auch interessant
Schnell hatte der introvertierte 22-Jährige bei der WM sein Schnösel-Image weg, als er nach schwachen Leistungen in der Vorrunde und im Achtelfinale seinen Stammplatz los war. „Läuft es nicht, geht der Hype schnell in die andere Richtung“, sagt dazu Bayern-Sportchef Matthias Sammer. Götze sei ein hochsensibler junger Mann, sogar ein Feingeist in seinem Denken. „Die Leute, die mich kennen, wissen, wie ich bin. Ich denke, dass die mich als Mensch auch schätzen“, sagt Götze über sich. Vielleicht brauchte es aber das Tor gegen Argentinien, um der Karriere eine Wendung zu geben. „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi“, hatte Bundestrainer Joachim Löw ihm bei der Einwechslung mit auf den Weg gegeben.
Im DFB-Team ist Götze eine feste Größe gegen Gibraltar
Immer wieder Messi. In dieser einen Szene hatte es Götze tatsächlich bewiesen, nun will er konstant Leistung zeigen. Er wünsche sich eine lange, gute Saison, erklärt die Nummer 19 des FC Bayern. Klar möchte er irgendwann so gut sein wie der Genius vom FC Barcelona. Aber Schritt für Schritt. Erst einmal will er in entscheidenden Spielen ein Fixpunkt im Bayern-Team sein. In der vergangenen Saison reichte es in den Halbfinals gegen Real Madrid nur zu Kurzeinsätzen.
„Mario ist schon gut, aber er ist auch noch sehr jung. Da ist noch Luft nach oben“, prophezeit Teamkollege Arjen Robben. Diejenigen, die täglich mit ihm zusammenarbeiten, wissen um die herausragenden Fähigkeiten des „Wunderkindes“, wie ihn Löw einmal beschrieb. Der Bundestrainer wird auch gegen Gibraltar und Spanien auf Götze setzen, der in den ersten drei EM-Qualifikationsspielen eine feste Größe war und die kompletten 270 Minuten durchspielte. Egal, ob im zentralen Mittelfeld oder auf der „falschen Neun“.
Auch wenn er sich nicht als WM-Held sehen möchte, steht sein Name nun in einer Reihe mit den anderen deutschen WM-Siegtorschützen Helmut Rahn (1954), Gerd Müller (1974) und Andreas Brehme (1990). Bis zum Jahresende werden also noch einige Ehrungen anstehen. Alles Erinnerungen an den goldenen Schuss von Rio de Janeiro.