Essen. . Ottmar Hitzfeld, der Trainer im Ruhestand, der einst mit dem BVB und dem FC Bayern Deutsche Meistertitel und die Champions League gewann und nach der Weltmeisterschaft seine Karriere beendet, blickt entspannt auf die bevorstehende neue Saison. Im Interview spricht er über das Rentnerleben und die Rolle von Borussia Dortmund.

Die Fußball-Saison fängt an, und Ottmar Hitzfeld mischt nicht mehr mit. Das ist ungewöhnlich, denn über viele Jahre gehörte er zu den herausragenden Trainern der Branche. Der Mann, der sowohl mit Borussia Dortmund als auch mit Bayern München die Champions League gewann, hat mit 64 Jahren nach der WM, die er als Nationaltrainer der Schweiz erlebte, seine Karriere beendet.

Herr Hitzfeld, wie schmeckt das Rentnerleben?

Ottmar Hitzfeld: (lacht) Langweilig wird mir nicht. Ich bin beim TV-Sender Sky als Experte eingespannt und habe meine Werbepartner. Als Rentner fühle ich mich nicht. Erstaunlicherweise ist mir der Übergang sehr gut gelungen. Wie das sein wird, wenn die Karriere zu Ende ist, weiß man ja vorher nicht genau.

Und das vorläufige Resultat fällt wie aus?

Hitzfeld: Ein Fußballspiel anzuschauen, ohne dabei Stress zu haben, ist ein neues Gefühl, um nicht zu sagen: Das Leben wird um ein wichtiges Detail schöner. Als ich im November 2013 die Entscheidung getroffen habe, fiel schon der erste Druck ab – aber ich hatte noch die WM vor mir. Jetzt sind alle wie erlöst – auch meine Familie.

2004 haben sie schon Mal eine Pause eingelegt, weil Sie sich ausgebrannt fühlten.

Hitzfeld: Jetzt ist es keine Pause. Es ist Schluss als Trainer. Das ist ein Unterschied. Aber 2004 hat mir gezeigt, dass ich auf meinen Körper hören muss.

So bleibt es Ihnen erspart, eine Mannschaft nach der WM wieder in den Liga-Alltag führen zu müssen. Das Problem haben jetzt Pep Guardiola bei Bayern München und Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund.

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Hitzfeld: Fast jeder Trainer einer Spitzenmannschaft erlebt das. Das ist eine Herkulesaufgabe. Auch da musst du auf dein Gefühl achten, genau überlegen, wann kann ich wen zurück bringen. Es geht nicht, starr einen Plan zu haben und zu sagen, der Schweinsteiger spielt am 5. September wieder.

Die Bayern wurden nach deutschen WM-Titeln nie Meister – das klingt nach WM-Trauma. Erwarten Sie eine schwere Saison der Bayern mit einem ähnlichen Ergebnis?

Hitzfeld: Sicher ist: So ein WM-Gewinn verändert bei Spielern mental enorm viel. Für Lahm und Schweinsteiger beispielsweise war es wohl die letzte Gelegenheit. Da fällt sehr viel Druck ab – und es ist harter Job, zurückzufinden. Aber Pep Guardiola hatte mit Barcelona Erfolg, nachdem Spanien Erfolge hatte. Und der Bayern-Kader ist sicher stärker als jemals zuvor.

Die Bayern bleiben Ihr Favorit?

Hitzfeld: Für die Bundesliga ist die Saison nach der WM sicher Gelegenheit, Stärke zu zeigen, wenn die Bayern etwas Zeit brauchen, um in den Rhythmus zu kommen. Ich – Achtung – als Fan hoffe, es wird spannend. Die Saison könnte eine Chance für Leverkusen, Dortmund, Schalke, Gladbach und Wolfsburg werden.

Dortmund gilt auch als Meistertipp.

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Hitzfeld: Der BVB hat alle Voraussetzungen, den Bayern sehr gefährlich zu werden, und sie nervös zu machen. Vom Gefühl her ist es so, dass der BVB Jagd auf die Bayern macht. So ein Gefühl kann sehr beflügelnd wirken. Die Erwartungslast liegt ja beim anderen.

Seit Wochen gibt es ordentlich Ärger zwischen den Bayern und Dortmundern. Mancher spricht von einer vergifteten Atmosphäre.

Hitzfeld: Man kann den Bayern nicht vorwerfen, dass sie die besten Spieler holen wollen, weil sie die beste Mannschaft wollen.

Sind die Deutschen nach dem WM-Titelgewinn nun Trendsetter im Weltfußball?

Hitzfeld: Alle orientieren sich am Weltmeister – in Europa, in der ganzen Welt. Das war schon bei Spanien so. Jetzt ist es Deutschland, das Trends setzt. Seit Jahren schon spielt die deutsche Mannschaft mit Joachim Löw sehr offensiv – bei der WM hat man dazu die Defensive gestärkt. Deutschland verfügt über sehr viele junge, taktisch und technisch sehr gut ausgebildete Spieler – und kann in der Kombination eine Ära prägen. Ich freue mich, dass Joachim Löw weiter macht. Sein Weg mit dem deutschen Team ist noch nicht zu Ende.