Augsburg. Die Rückkehr von Otto Rehhagel in die Bundesliga hat mit einer herben Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt begonnen. Hertha BSC verlor deutlich beim FC Augsburg. Rehhagel hofft nun darauf, dass dies wie eine Weckruf wirkt.
In Augsburg stimmten die Fans beim Comeback von Otto Rehhagel in der Fußball-Bundesliga Triumphgesänge an. Für den 73 Jahre alten erfolgsverwöhnten Trainer aber mussten sie wie Hohn klingen - am liebsten hätte er sich wohl die Ohren zugehalten, so wie er in den 90 Minuten zuvor des Öfteren ungläubig bei der 0:3 (0:0)-Niederlage der Berliner bei Mitaufsteiger FC Augsburg die Augen schloss und den Kopf schüttelte.
Trotz Rehhagel geht es mit Hertha bergab
Zum ersten Mal hatte "König" Otto nach 4.165 Tagen wieder auf einer Trainerbank in der Bundesliga Platz genommen. Die Erinnerung daran war nach der langen Pause wahrscheinlich schon ein wenig verblasst, noch mehr die, wie sich der Abstiegskampf anfühlt. "In der ersten Halbzeit ging's mir noch gut. Nachher ging's mir schlechter", sagte Rehhagel im TV-Sender "LIGA total!". Auch nach der sensationellen Trainer-Verpflichtung versinken die Berliner immer tiefer in den unteren Tabellenregionen. Rehhagel: "Wir stehen auf einem Relegationsplatz, vielleicht verstehen die Jungs das jetzt."
Sechs Tage lang hatte Otto Rehhagel seit seinem Amtsantritt das Interesse der Medien auf sich gezogen, dann genügten seiner Mannschaft 90 kurze Minuten, um die hochfliegenden Träume in Berlin zu zerstören. Die sechste Niederlage im sechsten Rückrundenspiel, seit zwölf Spielen wartet Hertha BSC auf einen Sieg. Auch Otto Rehhagel ist eben - noch - nicht der erhoffte Wunderheiler. "Selbst wenn drei Otto Rehhagels und ein Mourinho auf der Bank sitzen, es spielt immer noch die Mannschaft", sagte Herthas Kapitän Andre Mijatovic.
Rehhagel wollte mit Defensiv-Taktik zum Erfolg kommen
"Modern kompakt stehen" hatte der Trainer seiner Mannschaft mit auf den Platz gegeben. Verinnerlicht hatte dies aber eher der gastgebende FC Augsburg, und so sorgten Torsten Oehrl mit einem Doppelschlag (61., 63.) und Marcel Ndjeng in der Nachspielzeit nach einer couragierten Leistung vor 29.123 Zuschauern für die Entscheidung und tiefe Sorgenfalten auf Rehhagels glatter Stirn.
Augsburgs Manager Andreas Rettig hatte, belustigt ob des Schlagzeilengewitters aus Berlin, die "Majestätsbeleidigung" frühzeitig angekündigt. Er freute sich am Ende leise und respektvoll, nachdem Augsburg durch den Erfolg Hertha in der Tabelle überholt hatte und auf Rang 15 geklettert war. "Der Sieg war für die Moral ganz wichtig. Wir können im Abstiegskampf durchatmen und positiv und mit breiter Brust in die Zukunft blicken", sagte Oehrl.
Er war es auch, der die Berliner nach deren kurzen druckvollen Anfangsphase schnell in Verlegenheit brachte, als er knapp über das Lattenkreuz (26.) köpfte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch Otto Rehhagel auf Betriebstemperatur, sprang von der Trainerbank auf, pfiff und gestikulierte in Richtung seiner Abwehr. Doch auch die nächste Chance für Oehrl, für den Augsburgs erfolgreichster Stürmer Sascha Mölders (fünf Ligatreffer) auf der Bank Platz nehmen musste, konnte Herthas Abwehr nicht verhindern. Der 26 Jahre alte Angreifer verfehlte das Tor allerdings knapp.
Augsburg freut sich schelmisch über das Treiben in Berlin
"Ich habe in der Mannschaftsbesprechung vor dem Spiel erfahren, dass ich auf dieser Position spiele. Aber das ist ja nichts Neues für mich, da habe ich in der Vergangenheit schon öfter gespielt", stellte Oehrl gelassen fest. Ganz so, als sei es eine Selbstverständlichkeit, in einem Nervenduell wie dem gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf derart routiniert innerhalb von zwei Minuten die Fronten abzuklären.
Wie man einen Gegner stark machen kann, das hat Augsburg in dieser Woche erfahren. Mit schelmischer Freude wurde das Treiben in Berlin beobachtet und wahrgenommen, mit welcher Bürde die Herthaner anreisen würden. "Der ganze Hype um Rehhagel war eine Motivation für uns. Wir wollten den Effekt des Trainerwechsel direkt wegnehmen", sagte Augsburgs Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Mission erfüllt! Otto Rehhagel dagegen steht vor einer Herkulesaufgabe: "Wir sind jetzt endgültig da angekommen, wo wir praktisch keine Zeit mehr haben." (dapd)