Berlin. . Als wäre er nie weg gewesen: Herthas neuer Trainer Otto Rehhagel unterhält mit Sprüchen, die einem alle bekannt vorkommen. „Ich mache es, weil Berlin ein besonderer Ort ist und ich will, dass die Hertha in der Liga bleibt“, sagte Rehhagel.
Am Sonntag hat Michael Preetz den neuen Regenten Berlins vom Flughafen Tegel abgeholt. Ein roter Teppich war nicht ausgerollt. Das Fanvolk der Hertha hatte sich auch nicht zur Huldigung eingefunden. Dass der Geschäftsführer Sport der Hertha sich persönlich um die Beförderung von Otto Rehhagel bemühte, wurde aber in der medialen Aufbereitung sofort als Zeichen höchster Ehrerbietung gegenüber Otto Rehhagel gewertet. Bei diesem Otto handelt es sich schließlich nicht um irgendeinen Otto, sondern um Otto den Großen, um einen Mann, dessen im Fußball vollbrachtes Lebenswerk Strahlkraft besitzt.
Dieses Lebenswerk erschien allerdings auch als bereits vollendet, bevor die vom Abstieg aus der Erstklassigkeit bedrohten Berliner den Revierbürger mit Wohnort Essen um Hilfe anriefen. Bereits am späten Freitag sickerte durch: Da tut sich etwas, da bahnt sich eine Ehe zwischen der Hertha und dem 73-jährigen Trainer an. Am frühen Samstag dann meldete Preetz Vollzug: Wir haben einander das Ja-Wort gegeben. Und am späteren Samstag, nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund, wurde dann klar: Wäre der Bund öffentlich geschlossen worden, es hätten nicht alle dem Paar schweigend ihren Segen erteilt.
BVB-Trainer Jürgen Klopp rettet die Situation
Pressekonferenz nach dem Abpfiff im Olympiastadion. Auftritt eines Journalisten aus der bunten Hauptstadtwelt. Es geht um den neuen Trainer. Es fällt der Name „Hitler“. Der Journalist wird des Raumes verwiesen. Es ist Jürgen Klopp, der die Situation rettet und aus Kasperle-Theater auf einem Niveau, das Kindern nicht zugemutet werden sollte, wieder eine seriöse Veranstaltung macht. „Ich halte Otto Rehhagel für einen überragenden Trainer und einen großartigen Menschen“, sagt der Trainer des Gegners und fügt mit dem Blick auf die in Jahrzehnten gewonnenen Erfahrungen des Grandseigneurs seines Berufsstandes an: „Ein bisschen Ruhe kann hier nicht schaden.“
Mit diesem Hier meinte er Berlin, meinte Klopp den Klub, der sich in der laufenden Saison erst eine Fehde mit Markus Babbel leistete, der den Trainer dann entließ, der als Nachfolger Michael Skibbe verpflichtete und nach wenigen Wochen verdutzt erkannte: Dieser Herr Skibbe, der schießt für uns gar keine Tore, den wollen wir auch nicht.
Das ist der morastige Acker, auf dem Otto Rehhagel ab Dienstag den Pflug einsetzen will. Bei seiner Vorstellung hat er schon einmal vorbeugend erklärt, dass auch er nicht über die Fähigkeit verfüge, „Tore zu schießen“. Diese Botschaft dürfte für die fünf Dutzend lauschenden Journalisten aber weniger spektakulär gewesen sein, als eine andere, eine, die verkündet wurde, bevor Rehhagel überhaupt zum Wort griff: „Einzel-Statements nach der PK wird es nicht geben.“
Verändert hat sich das nach zwölf Jahren Abwesenheit zurückgekehrte Kind der Bundesliga offensichtlich nicht. „Ich fühle mich fit“, hat Rehhagel nie geäußerte Zweifel an seiner physischen Tauglichkeit für die schwere Aufgabe zerstreut. „Ich mache es, weil Berlin ein besonderer Ort ist und ich will, dass die Hertha in der Liga bleibt“, hat der von 1963 bis 1966 bereits als Spieler beim Traditionsklub tätige Meistertrainer der Bremer und Lauterer seine Motivation nostalgisch grundiert. Und dass er Frau Beate gefragt habe, dass sein Freund Jürgen Flimm, der Theatermann und Großintellektuelle, sich auf ihn freue –, das alles blieb natürlich nicht unerwähnt.
Passendes Sprachbild von Fjörtoft
Es sind diese verschroben und deshalb irgendwie auch liebenswert wirkenden Versatzstücke aus dem Rehhagel-Repertoire, die dessen überraschendes neues Engagement in eine Zeitreise verwandeln. Für all die, die wie Klopp mit ihm erwachsen geworden sind. Der pfiffige Jan-Aage Fjörtoft hat ein passendes Sprachbild für die Stimmung in diesem Fußballkreis gefunden: „Es ist das größte Comeback seit Elvis 1968.“
Rehhagel wäre allerdings nicht Rehhagel, wenn er nicht mehr als Folklore in seinen Koffer für Berlin gepackt hätte. Harte Arbeit. Keine Ablenkung. Volle Konzentration. Diese Maximen hat er an seine Spieler ausgegeben. Folgen sie ihm, werden sie Teil eines spannenden gruppendynamischen Prozesses sein dürfen. Die bedeutendste Kunst Ottos des Großen war es nämlich immer, einer Gruppe von Individualisten einzuimpfen: Das Böse lauert draußen. Nur gemeinsam sind wir stark. Auf dem Platz und gegenüber seltsamen Journalisten.