Essen. Im Jahr 2000 wechselte Andi Möller vom BVB zu Schalke. Um manche Wechsel heute wird im Vergleich dazu zu viel Bohei gemacht. Die Kolumne.

Wenn sich ein Fußballer zu einem Vereinswechsel entschließt, fühlen sich Fans oft persönlich beleidigt. Vor allem, wenn der künftige Klub ein bei den Anhängern ungeliebter ist.

Der spektakulärste aller Wechsel innerhalb der Bundesliga ereignete sich im Jahr 2000, als Schalkes legendärer Manager Rudi Assauer die gesamte Anhängerschaft mit der Verpflichtung von Andreas Möller verblüffte – nein: schockierte. Dem hatten die Schalke-Fans bei jedem Derby gegen Borussia Dortmund mit weißen Tüchern zugewunken. Stichwort Heulsuse. Und den sollten sie jetzt auf Schalke willkommen heißen?

Schalke spielte auch dank Andi Möller einen feinen Fußball

Andi Möller musste einiges aushalten, zu seinem Glück gab es damals aber noch keine sozialen Medien, die hätten ihm vermutlich den Rest gegeben. Er war als verweichlicht verschrien, aber er erwies sich als erstaunlich hartnäckig: Er biss sich dort durch, wo er lange Zeit als Feinbild gegolten hatte. Gleich in seiner ersten Saison spielte Schalke – auch wegen ihm – einen feinen Fußball. Sie endete mit der berühmten Vier-Minuten-Meisterschaft.

Peter Müller
Peter Müller

Der endgültige Durchbruch war Möller im September 2000 gelungen, ausgerechnet im Revierderby. Schalke triumphierte in Dortmund mit 4:0 – bis heute legendär. An diesem Tag waren es auf einmal die schwarz-gelb gekleideten Fans auf der Südtribüne, die mit weißen Tüchern wedelten. Das war der Tag, an dem Andreas Möller ein Schalker wurde: Nach Abpfiff dieses Spiels, das er mitgeprägt hatte, stand er alleine vor den Gäste-Fans und ließ sich feiern.

Darüber, ob er das durfte, wurde nicht geredet. Er tat es einfach, weil ihm danach war. Es war ihm ja ganz klar, dass die auf der anderen Seite, die ihm früher zugejubelt hatten, ihn jetzt verachteten. In den Augen der BVB-Anhänger war er ein Verräter, kein alter Freund.

Leon Goretzka hat Recht

Im Vergleich zu diesem Transfer sind manche Wechsel, um die heutzutage ein riesiges Bohei gemacht wird, kaum der Rede wert. Da wurde doch kürzlich tatsächlich thematisiert, ob sich Leon Goretzka beim Jubel über sein tolles Tor für den FC Bayern gegen seinen Ex-Klub FC Schalke nicht doch ein wenig hätte zurückhalten müssen. Goretzka war es egal, dass er ausgerechnet vor der Kurve mit den Schalke-Fans über den Rasen rutschte, er sagte, er empfinde es als „scheinheilig, Jubel zu unterdrücken“. Recht hat er.

Eine ebenso alberne Modeerscheinung ist neuerdings, dass Vereine, die Spieler abgeben, auf eine Klausel im Vertrag mit dem aufnehmenden Verein pochen, die diesen Spielern einen Einsatz in der Partie gegen ihren Ex-Klub untersagt. Warum hat Schalke in diesem Winter Mark Uth nach Köln ziehen lassen, warum Leipzig Stefan Ilsanker nach Frankfurt, warum Berlin Davie Selke nach Bremen? Weil man sie für so stark hält, dass man sie fürchten muss, wenn sie für andere Klubs auflaufen? Dann hätte es doch Sinn ergeben, sie zu behalten, oder?

Nur mal nebenbei: Hätte der BVB damals eine Derbysperre für Andi Möller verlangt und hätte Rudi Assauer dem zugestimmt, wäre uns allen eine Geschichte entgangen, an die heute noch vor jedem Revierduell erinnert wird.