Essen. Robert Lewandowski und Timo Werner nehmen die Jagd nach Toren in der Bundesliga wieder auf. Sie rütteln an einem Uralt-Rekord. Eine Kolumne.
Früher, als auch im Fußball angeblich doch vieles besser gewesen sein soll, konnte ein Offensivspieler in der Bundesliga manchmal mit weniger als 20 Toren in einer Saison Torschützenkönig werden. Das war gar nicht so selten der Fall. Zuletzt sogar noch mal 2015 bei Alex Meier von Eintracht Frankfurt, der sich mit 19 Treffern die Krone aufsetzte. Davor, schon einige Jährchen zurück, reichten Marcio Amoroso von Borussia Dortmund und Martin Max vom TSV 1860 München je 18 Tore, um sich den Platz an der Spitze zu teilen – 2002 war das.
Zweimal genügten sogar 17 Tore, um am Ende der Spielzeit in der Torjägerliste ganz oben zu stehen: Thomas Allofs vom 1. FC Köln und Roland Wohlfarth von Bayern München liefen 1989 gemeinsam über die Ziellinie, Fredi Bobic vom VfB Stuttgart sicherte sich die begehrte Torjägerkanone 1996 ebenfalls mit der Minimalausbeute.
Viermal stand Lewandowski schon ganz vorne
Wer heute Bundesliga-Torschützenkönig werden will, der muss erst mal Robert Lewandowski hinter sich lassen. „Ich bin süchtig nach Toren“, hat der Pole kürzlich gesagt. Ja, das sieht man: Der Bayern-Stürmer triumphierte zuletzt zweimal in Serie und insgesamt schon viermal. Sein schlechtester Saisonwert als Torschützenkönig war 20 (2014 für Dortmund), sein bester 30 (2016 für Bayern).
Wer all diese Zahlen kennt, der kann die Leistungen von Lewandowski und von einem seiner Konkurrenten in dieser Saison richtig einordnen. Zum Rückrundenstart steht der Bayern-Torjäger bereits bei beeindruckenden 19 Treffern. Er spürt allerdings den heißen Atem eines Verfolgers im Nacken: Der deutsche Nationalstürmer Timo Werner von RB Leipzig hat auch schon 18-mal das Netz ausgebeult.
Gerd Müllers 40 Tore sind bis heute unerreicht
Wenn sie so weitermachen, ist tatsächlich ein Rekord in Gefahr, der bisher stets mit dem Zusatz „für die Ewigkeit“ gewürdigt wurde. Der große Gerd Müller, damals als „Bomber der Nation“ gerühmt, brachte es in der Saison 1971/72 auf sagenhafte 40 Treffer. Nur einer kam diesem Top-Wert noch einmal nahe – und das war er selbst: Gleich in der nächsten Saison schoss Gerd Müller 36 Tore für Bayern München. Siebenmal war er am Saisonende der Treffsicherste.
Sollte Robert Lewandowski oder Timo Werner die historische Marke erreichen oder übertreffen, dann wäre dies eine grandiose Leistung. Für einen Nostalgiker allerdings ist das eine furchterregende Vorstellung. Wer Gerd Müller, der an Alzheimer erkrankt ist und in einem Pflegeheim lebt, in den Goldenen Siebzigern spielen sah, wer ihn für seine einzigartigen Tore im Liegen, im Sitzen oder aus der Drehung bewunderte, nein: verehrte, der wünscht sich einfach, dass an diesem Rekord nicht gerüttelt wird.
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Also bitte, liebe Herren Lewandowski und Werner: Wir würden uns sehr darüber freuen, wenn Sie in dieser Saison die Bundesliga mit jeweils 39 Toren bereichern würden. Aber dabei sollten Sie es dann auch unbedingt belassen.