Dortmund. Der BVB hadert nach dem 2:4 mit dem Regelwerk und muss den Titel wohl abschreiben. Die Königsblauen feiern die wiederentdeckte Mentalität.
Die Rückfahrt war fast geschafft, der Schalker Mannschaftsbus nur noch wenige Kilometer von der Arena entfernt, da gaben Schalkes Teammanager Gerald Asamoah und Kapitän Ralf Fährmann die Order: Wenden und anhalten! Im Vereinslokal Bosch hatten sie noch einige Dutzend Fans entdeckt, die den 4:2-Sieg gegen Borussia Dortmund feierten – und nun mischten auch die Profis munter mit: Torhüter Alexander Nübel zapfte Bier und grölte genau wie Asamoah und der längst heisere Fährmann die Gesänge des Anhangs mit, und selbst der sonst oft so knurrige Huub Stevens saß selig lächelnd in einer Ecke, das Bierglas in der Hand.
Nur 20 Minuten dauerte die Feier. Aber sie zeigte, was abgefallen war von den Schalkern Schultern durch diesen überraschenden Derby-Sieg – in einem Spiel, das sechs Tore, einen Handelfmeter nach Videobeweis, zwei Platzverweise und auch sonst reichlich Diskussionsstoff bereithielt. Ausgerechnet beim größten Rivalen gelang den Schalkern „ein Riesenschritt zum Klassenerhalt“ (Aufsichtsratschef Clemens Tönnies) und nach Wochen der Enttäuschungen zumindest vorläufig der Schulterschluss mit den Fans.
Favre: „Titel ist verspielt“
Es war ein scharfer Kontrast zu den Bildern, die sich bei Borussia Dortmund boten. Trainer Lucien Favre wirkte regelrecht konsterniert, als er vom Platz ging. Doch mit jedem seiner Worte wich die Erschütterung dem Zorn über jenen Elfmeterpfiff, der in der 18. Minute zum Schalker Ausgleich geführt hatte: Julian Weigl hatte den Ball aus kürzester Distanz an den ausgestreckten Arm bekommen. Favre sprach von einem Skandal, und da er schon mal bei den klaren Worten war, erklärte er gleich noch das Meisterschaftsrennen für beendet: „Der Titel ist verspielt.“
Das allerdings löste deutlichen Widerspruch bei seinem Vorgesetzten Hans-Joachim Watzke aus - mit Recht, wie sich durch das 1:1 des FC Bayern beim 1. FC Nürnberg zeigte: „Solange es rechnerisch nicht entschieden ist, haben wir als Borussia Dortmund die Verpflichtung, weiter alles dafür zu geben“, forderte der BVB-Geschäftsführer im Gespräch mit dieser Zeitung. „Deshalb erwarte ich von allen Beteiligten, dass wir uns die letzten drei Spiele voll reinknien und niemand vorzeitig die weiße Flagge hisst.“
Ein Wirkungstreffer für den BVB
Doch einen Wirkungstreffer hatten die Dortmunder unverkennbar hinnehmen müssen, die Niederlage und ihre Umstände machten ihnen mächtig zu schaffen: „Von der Dramaturgie her habe ich so ein Spiel noch nie erlebt“, stöhnte Watzke. Als nach 14 Minuten Jadon Sancho den Ball aus dem Stand auf Mario Götzes Kopf lupfte und der das 1:0 erzielte, schien noch alles seinen gewohnten Gang zu gehen. Doch es sollte eine von nur zwei guten Dortmunder Torchancen bleiben. Stattdessen kamen Daniel Caligiuris Ausgleichstreffer per Elfmeter (18.) und das 1:2 durch Salif Sanés Kopfball – und damit wieder einmal ein Gegentreffer nach einer Standardsituation.
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Zur Halbzeit aber rechneten auch die meisten Schalker noch mit einem BVB-Sieg. Doch statt in aller Kühle die Schwächen des Gegners offenzulegen, verloren die Dortmunder angesichts der aggressiven Spielweise der Gäste zunehmend den Kopf: Marco Reus und Marius Wolf sahen nach rüden Grätschen gegen Suat Serdar zurecht die Rote Karte (60./65.), dazwischen traf Caligiuri mit einem herrlichen Freistoß aus 30 Metern zum Schalker 3:1 (62.). Axel Witsel ließ den BVB mit seinem Anschlusstreffer noch einmal hoffen (84.), doch Breel Embolo entschied das Spiel (86.). „Wir haben den Rhythmus verloren, wir haben Fehler gemacht wie beim zweiten Gegentor, das ist völlig klar“, haderte Watzke, fand aber auch: „Ich glaube, dass Felix Zwayer nicht seinen besten Tag hatte.“
Caligiuri freut Schalkes Mentalität
Am Ende aber war der Tabellenzweite vor allem daran gescheitert, dass er seine spielerische Überlegenheit gegen die Kampfkraft des Fünfzehnten nicht zur Geltung gebracht hatte. „Wir haben Mentalität gezeigt, und das ist das A und O“, freute sich Schalkes Caligiuri. „Und wenn wir so spielen, dann werden wir die nächsten Spiele gewinnen.“