Dortmund. . Borussia Dortmunds Trainer Lucien Favre beklagt sich über die Handspiel-Regel. Schalke-Trainer Huub Stevens versteht den Zorn seines Kollegen.
Lucien Favre ist gewöhnlich nicht der Typ, der Emotionen freien Lauf lässt. Borussia Dortmunds Trainer versucht stets, den Überblick und die Nerven zu behalten. Nach dem Revierderby gegen Schalke 04 aber meldete er sich ungewohnt drastisch zu Wort. „Diese Regel ist der größte Skandal in der Fußball-Geschichte“, wetterte der Schweizer. „Wer sie erfunden hat, hat keine Ahnung vom Fußball und selbst nie gespielt.“
Favre war immer noch bedient wegen des Schalker Ausgleichstreffers in der 18. Minute. Daniel Caligiuri hatte einen Elfmeter verwandelt, über dessen Zustandekommen sich selbst die Schalker gewundert hatten. Vorausgegangen war ein Schuss von Breel Embolo, den der direkt vor ihm stehende Julian Weigl mit der Hand abblockte – der Dortmunder hatte keine Chance, seine Haltung zu verändern. Schiedsrichter Felix Zwayer sah sich die Szene auf Empfehlung von Video-Assistent Guido Winkmann noch einmal auf dem Bildschirm an und entschied dann zur Verblüffung aller: Elfmeter!
Schiedsrichter Zwayer: „Wir sind die ärmsten Schweine“
Diese Entscheidung sei „leicht zu treffen“ gewesen, erklärte Zwayer. Er habe „eindeutig gesehen, dass der Ball mit der Hand berührt wurde und dass der Arm auf Schulterlevel ausgestreckt ist“. Konsequenz: „Das ist nach aktueller internationaler und nationaler Regelauslegung ein strafbares Handspiel.“ Die kurze Distanz zwischen Embolo und Weigl sei nicht maßgeblich.
Genau das aber regte Favre auf. „Was können die Spieler tun?“ fragte er und gab selbst eine zynische Antwort: „Sie müssen sich die Arme abschneiden!“ Favre war nicht mehr zu bremsen: „Der Fußball macht sich lächerlich!“
Verständnis für Favre von Huub Stevens
Huub Stevens war an diesem Tag Nutznießer der Regel, doch Schalkes Trainer hatte volles Verständnis für den Zorn seines Dortmunder Kollegen. Deshalb sprang der Niederländer dem Schweizer zur Seite: „Wir haben ja auch etwas erlebt, das war auch nicht gerecht“, sagte er und erinnerte damit an Eintracht Frankfurts späten 2:1-Sieg auf Schalke nach einer ähnlichen Handelfmeter-Entscheidung. „Ich sehe Verteidiger mit Händen auf dem Rücken, das ist doch kein Verteidigen“, sagte Stevens. „Da muss eine klare Linie kommen.“
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Den Sinn der Regel wollte Schiedsrichter Zwayer nicht kommentieren, er stellte allerdings klar: „Ich mache die Regeln nicht! Da gibt es vor der Saison klare Anweisungen von Fifa, Uefa und DFB.“ Die Schiedsrichter, findet Zwayer, seien „die ärmsten Schweine“.
Das International Football Association Board legt die Regen fest
Die Adressaten der Klagen von Favre, Stevens und Zwayer sitzen in Zürich. Dort hat das International Football Association Board, kurz Ifab, seinen Sitz. Die obersten Regelhüter des Fußballs, ursprünglich von den vier britischen Verbänden eingesetzt, wachen über das Regelwerk und beschließen Änderungen für alle Fifa-Verbände.
Vorher bringen Experten und ehemalige Fußballspieler ihr Wissen ein: Im Football Advisory Panel (Fap) mit 19 Mitgliedern und im Technical Advisory Panel (Tap) mit sechs Mitgliedern. Darüber hinaus analysiert ein weiteres Gremium, das siebenköpfige Technical Subcommittee (TSC), wie neue Regeln umgesetzt werden können.
Als die Regelhüter im März im schottischen Aberdeen zuletzt zusammentrafen, stand auf der Tagesordnung auch die umstrittene Handspielregelung. Gemäß Regel zwölf ist ab dem 1. Juni ein Handspiel, wenn die Körperfläche unnatürlich vergrößert wird, die Hand oder der Arm über Schulter-Niveau den Ball berührt. Dazu ist Absicht keine Grundvoraussetzung mehr. Ein unabsichtliches Handspiel kann künftig auch bestraft werden.
Wir können also sicher sein: Die Diskussionen werden anhalten.