Hannover/Wolfsburg. Vorspielen für die Premier Leasgue: Nationalspieler Julian Draxler hat den VfL Wolfsburg nur als Zwischenstopp in seiner Karriere vorgesehen.
Julian Draxlers Lächel-Repertoire auf dem Fußballplatz scheint begrenzt. Zwei Arten haben sich in seinen fünfeinhalb Profijahren deutlich herauskristallisiert. Die sind sich zwar auf den ersten Blick ähnlich – können aber unterschiedlicher kaum sein. Da wäre zunächst Draxlers grenzenloses Strahlen. Das kam zuletzt selten vor. Eigentlich fast gar nicht mehr. Häufiger drückte sich die zweite Variation durchs Gesicht des Weltmeisters: Dabei zeigt er zwar die Zähne, rümpft aber zeitgleich die Nase und zieht die Augenbrauen in Falten. Dieses bittersüße Lächeln bekommen die Zuschauer des VfL Wolfsburg seit Monaten zu sehen. Und die der Nationalmannschaft konnten es am rauen Samstagabend in Hamburg auch entdecken.
Bei Draxler fehlen oft die letzten Zentimeter
Nach 23 Minuten hatte das starke DFB-Team von Joachim Löw einen Hochgeschwindigkeitskonter über Jérôme Boateng gestartet, der einen Flugball Richtung Mario Götze schickte. Dortmunds Rückkehrer legte den Ball im Strafraum zurück auf Draxler. Der drehte sich um die eigene Achse, schlenzte den Ball in Richtung langes Eck, schaute hinterher - und zeigte Lächel-Variation Nummer 2. Denn die Kugel war knapp am Pfosten vorbeiflogen. Die letzten Zentimeter fehlen bei Draxler – wie so oft.
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Seit 14 Monaten trägt er mittlerweile das grün-weiße VfL-Trikot. Wolfsburg legte 36 Millionen Euro auf den Tisch, um ihn als würdigen Nachfolger des alles überstrahlenden Kevin De Bruyne zu präsentieren. Draxler legte sich den Wolfspelz um in dem Wissen: Es ist nur eine Übergangsjacke. Der Weltmeister sah den VfL, zum Zeitpunkt seines Wechsels immerhin Pokalsieger, Vizemeister und vielerorts anerkannter Bayern-Jäger, als Sprungbrett in den kleinen Teich der internationalen Spitzenfußballer. Der Nachfolger wollte dem Vorgänger folgen. Irgendwann. Nur: Das Sprungbrett war in Draxlers Premierensaison außerhalb Gelsenkirchens offenbar nicht ordnungsgemäß festgeschraubt. Die Saison auf Rang 8 endete im trüben Niemandsland der Tabelle, Draxler fiel kaum auf. Nur in der Champions League klappte es. Der Vollgasdribbler zeigte den Glühwürmcheneffekt. Auf den großen, glänzenden Bühnen Europas blühte er auf. Im grauen Liga-Alltag in Darmstadt, Bremen, Leverkusen blieb er blass. Freilich: Er blieb nicht der einzige Wolfsburger.
Doch gemessen an seinen Ambitionen war das erste Jahr in Wolfsburg deutlich zu wenig. Sowohl für ihn als auch für den Klub. Also ergriff Draxler das probateste Mittel.
Über die "Bild" ließ er in der ohnehin vom Volkswagenskandal hypersensibilisierten Stadt eine VfL-Bombe platzen: Draxler will weg, weit weg und am liebsten sofort. Rumms.
Trotz andauernder Draxler-Gerüchte blieb der VfL Wolfsburg stark
Der VfL reagierte prompt mit einer unmissverständlichen Klarstellung, aufgesetzt vom Bundesliga-Klub und von dessen Eigner VW: Draxler wird im Sommer nicht wechseln. Trotz andauernder Gerüchte blieb der VfL stark - Draxler blieb wirklich. Kann so eine Beziehung aber überhaupt funktionieren, die der eine beenden will, aber nicht darf? Sie kann. Beim VfL läuft sie nun unter dem Punkt "Zweckehe". Und sie alle bekräftigen, dass sich das Wechselwunsch-Thema erledigt hat. Beispiele gefällig? VfL-Aufsichtsratsboss Javier Francisco Garcia Sanz: "Es ist nichts hängengeblieben." VfL-Manager Klaus Allofs: "Es ist nichts hängengeblieben." Und Draxler selbst: "Es ist nichts hängengeblieben."
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So sollte dem wieder bevorstehenden Transfertheater zumindest für ein paar Monate der Wind aus den Segeln genommen werden. Ein paar Wochen hat das geklappt, aber am Wochenende kochte das Thema in Italien wieder hoch. Wie geht Draxlers Weg weiter? Klar ist: Auch im Winter wird es keinen Abgang geben. Im nächsten Sommer greift allerdings eine Ausstiegsklausel. Zahlt ein Klub 75 Millionen Euro, ist der Ex-Schalker auch ein Ex-Wolfsburger. Die Klubs mit den dicken Bankkonten sitzen in England. Besonders Arsenal Londons Trainer Arsène Wenger ist ein großer Fan Draxlers. Doch auch die beiden Klubs aus Manchester fallen immer wieder im Zusammenhang mit dem Wolfsburger. Es scheint: Draxler spielt für England vor.
Draxler hat gelernt aus den Folgen des Sommertheaters
Den Wechselwunsch hegt er noch immer, obwohl er es nicht zugeben würde. Er hat gelernt aus den Folgen des Sommertheaters. Er trägt seinen Wunsch nicht mehr offen herum, er hat ihn für die laufende Saison in einer Schachtel verpackt und im Hinterhof vergraben. Dort, wo er ihn leicht findet im nächsten Sommer.
Bis dahin hofft der VfL, das DFB-Team und auch Draxler selbst auf eines: dass er wieder öfter lächelt. Und zwar Variante 1.