Hamburg. Die deutsche Nationalelf hat in der WM-Qualifikation souverän mit 3:0 gegen Tschechien gewonnen. Thomas Müller traf gleich doppelt.

Eigentlich müsste Joachim Löw den Tschechen dankbar sein. Ohne die demütigende Pleite gegen eine B-Elf aus Tschechien (1:2), die das Vorrunden-Aus bei der EM 2004 und den Rücktritt von Teamchef Rudi Völler einen Tag später bedeutete, hätte es die nunmehr schon zwölf Löwschen Jahre beim DFB vielleicht niemals gegeben. Klinsmann-Co., Cheftrainer, Weltmeister. Danke Tschechien.

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Aber Dankbarkeit hat bekanntlich viele Aggregatzustände. Einen gab es am Sonnabend beim zweiten WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Tschechien über die Ohren zu vernehmen: Das vom heimischen HSV arg gebeutelte Publikum im Hamburger Volksparkstadion bejubelte frenetisch das 3:0 (1:0) von Löws Elf nach den Toren von Thomas Müller (13. und 65. Minute) und Toni Kroos (49.). Selbstverständlich war das nicht. In Hamburg gab es in der Vergangenheit ja meistens Pfiffe bei den deutschen Auftritten. Am Sonnabend gab es tosenden Applaus. Und das völlig zurecht: Denn die DFB-Auswahl zeigte ein vorzügliches Spiel, bei dem einzig und allein mal wieder die Chancenverwertung mangelhaft war. Der Sieg hätte nämlich noch deutlich höher ausfallen müssen.

Mann des Abends war einer, der sich seine Tore in dieser Spielzeit scheinbar für die internationale Bühne aufhebt. Thomas Müller, bei der EM noch auf der Suche nach seinem eigentlich unverschämt scharfen Torriechers, hatte in den ersten sechs Spielen der Bundesliga für den FC Bayern noch kein einziges Tor erzielt. Gegen Tschechien markierte der 27-Järhige schon seine Treffer Nummer drei und vier in nur zwei WM-Qualifikationsspielen in diesem Jahr. Schon beim Auftakt gegen Norwegen (3:0) hatte Müller doppelt getroffen. Gegen Tschechien war es Müllers 80. Länderspiel. Insgesamt 36 Tore erzielte er dabei – was eine amtliche Quote ist.

DFB-Elf hätte schon zur Pause 6:0 führen können

Sein erstes Tor fiel so: Mario Götze, den Löw in der Sturmspitze aufbot, dribbelte nach einem wunderbar raumsezierenden Pass vom starken Mats Hummels auf den tschechischen Strafraum zu. Götze passte rüber auf Mesut Özil, der sogar die Fähigkeit besitzt, weiterzupassen, ohne den Ball zu berühren. Das Spielgerät landete bei Müller, und der sagte ebenfalls: danke. 1:0 (13.). Tor Nummer zwei baute sich dann so zusammen: Ein Augenweiden-Pass von Özil landete bei Jonas Hector. Der Linksverteidiger legte ab auf Müller im Strafraum. Zack. 3:0 (63.). Danke. Die Müller-Flaute der EM scheint passé zu sein.

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Zwischen den beiden Müller-Toren hatte sich aber eine andere EM-Krankheit nicht so ganz verjagen lassen: Wieder ließ die DFB-Auswahl eine Hand voll bester Torgelegenheit aus – Julian Draxler (23., 38.), Müller (25., 38.) und Götze (31.) hätte dafür sorgen können, dass es schon zur Pause schon 6:0 steht, taten das aber nicht. Es könnte sein, dass Löw in der Kabine noch einmal darauf hinwiesen hat, worüber er sich schon seit Wochen den Mund fusselig redet: Wir brauchen zu viele Torchancen. Jedenfalls zeigte sich das scheue Wesen namens Effizienz im deutschen Spiel gleich nach der Halbzeitpause: Der wieder einmal sehr selbstverständlich spielende Joshua Kimmich passte ganz schnörkellos auf Kroos am Strafraum, und der Madrilene erzielte ein Tor, das irgendwann mal seinen Namen bekommen sollte: flach um alle Verteidiger herum und gegen den Laufweg des Torwarts ins Netz (49.).

Nun hat die tschechische Mannschaft schon lange nichts mehr mit dem brachialen Team von 2004 zutun. Am Sonnabend kam die Elf von Trainer Karel Jarolim erst in der 63. Minute zu einem Torschuss. Manuel Neuers Fäuste parierten. Aber ein Gegner ist auch immer nur so schlecht, wie man ihn aussehen lässt. Und Löws Mannschaft tat am Sonnabend alles dafür, dass die Tschechen richtige schwach daher kamen. Die bisher letzte Niederlage gegen die Tschechen liegt fast genau neun Jahre zurück. Damals, im Oktober 2007, verlor Löws Elf in der EM-Qualifikation 0:3 in München. Dabei handelte es sich um die bis heute letzte Heimspielniederlage einer deutschen Nationalelf in einem Pflichtspiel. Auch das sagt etwas aus über die Löwschen Jahre.

Am Sonnabend gab es am Ende noch einen andere Aggregatzustand der Dankbarkeit: den welligen. Die Laola zog nämlich durch das mit 51.299 Zuschauern ausverkaufte Hamburger Volksparkstadion. Wann hatte es das denn bitte zuletzt gegeben? Der Sieg gegen Tschechien war im Übrigen Löws 140.Länderspiel als Bundestrainer. Damit hat er Helmut Schön (139) in der Rangliste der matcherfahrensten Bundestrainer hinter sich gelassen und zielt nun auf den Rekord von Sepp Herberger, der 167 Partien auf seinem Briefkopft stehen hat. Am Dienstag wird Löws 141. folgen: Dann geht es in der WM-Qualifikation gegen Nordirland in Hannover. Und es könnte sein, dass auch sie dann ziemlich schlecht aussehen werden.