Belek. Im Interview spricht Youri Mulder über seine Schalke-Zukunft und Fehler der Vergangenheit. Auch die Personalien Bulut und Amoussou-Tchibara sind Thema.
Sein Vater, erzählt Youri Mulder, trage gern Anzug und Krawatte. Er mache sich gern schick, genieße das Rampenlicht. Schalkes Direktor ProfifußballYouri Mulder ist eher der Typ Trainingsanzug. Trotz seiner erfolgreichen Karriere ist der 55-Jährige die personifizierte Bodenständigkeit, er ist ein Funktionär zum Anfassen. Wie nahbar er tatsächlich ist, zeigt er während des Trainingslagers im türkischen Belek, wo er ständig mit Fans im Gespräch ist – ob am Trainingsplatz oder beim Feierabendbier an der Hotelbar.
Im Interview spricht Mulder über seine besondere Art seinen alten VW Golf, sein Leben neben Schalke 04 und eine mögliche Weiterbeschäftigung als Direktor Profifußball. Außerdem blickt er auf Fehler der Vergangenheit, den Aufwärtstrend der Königsblauen in der 2. Liga und Trainer Kees van Wonderen.
Herr Mulder, mit Ihrer Art sind Sie ein Schalker Original. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Youri Mulder: Ich bin keiner, der sich verstellt – so wurde ich von meinen Eltern erzogen, das beherzige ich bis heute. Wenn ich zum Beispiel meine Stimme verstellt habe, wie es Kinder manchmal tun, dann haben sie gemeckert und gesagt: Werde wieder normal. (lacht) Ich bin wie ich bin und versuche, mir das auch beizubehalten.
Jürgen Klopp war beim FC Liverpool anfangs „The Normal One“.
Mulder: Hören Sie mir auf mit diesen Stempeln. Ich mag es nicht, wenn Leute in Schubladen gesteckt werden. Ernsthaftigkeit ist wichtig im Fußball. Ich bin ein sehr ernsthafter Typ! Natürlich ist eine gute Stimmung wichtig. Die beste Atmosphäre herrscht oft erst, wenn es Reibung gibt und negative Dinge angesprochen werden. Es gibt nichts Schlimmeres als Probleme zu ignorieren und schönzureden.
Schalke-Sportchef Mulder: „Ich bin nicht der Typ für Statussymbole“
Anders als viele andere Bundesliga-Manager fahren Sie kein großes, glänzendes oder sündhaft teures Auto, sondern einen älteren VW Golf. Warum?
Mulder: Ein teures Auto ist mir nicht wichtig. Ich bin nicht der Typ für Statussymbole. Ich mag mein Auto, es bringt mich von A nach B. Klar muss ich jetzt häufiger aus Enschede nach Gelsenkirchen fahren. Aber warum sollte ich ein anderes Auto fahren, nur weil ich jetzt Direktor Profifußball bin?
Sie pendeln aktuell zwischen den Niederlanden und Gelsenkirchen, schlafen auch häufiger im Hotel am Vereinsgelände. Und auch in Norwegen sind Sie regelmäßig.
Mulder: Stimmt, meine Söhne leben in Norwegen. Mir ist es wichtig, sie häufig zu sehen. Das sehe ich als meine Aufgabe. Ich wollte nie ein Vater sein, der seine Kinder nicht sieht. Sogar meine TV- und Trainerjobs habe ich immer nur unter der Bedingung angetreten, regelmäßig nach Norwegen reisen zu dürfen. Inzwischen sind meine Söhne erwachsen und kommen oft nach Enschede.
In Ihrer Heimat sind Sie ein beliebter TV-Experte, auch neben Ihrem Schalke-Job analysieren Sie noch Spiele für das niederländische Fernsehen. Warum?
Mulder: Auch mein Vater war Fußballprofi, seit meiner Kindheit geht es in meinem Leben um Fußball. Dann habe ich in meiner Karriere viel erlebt – auf Schalke, aber auch mit der Nationalmannschaft. Es ist doch toll, gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Ruud Gullit oder Marco van Basten an einem Tisch zu sitzen.
Mulder weiter Schalke-Direktor? „Ich möchte das Beste für den Verein“
In der Nationalmannschaft haben Sie mit ganz großen Stars zusammengespielt. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Mulder: Bei der Elftal habe ich mich gefühlt wie ein kleines Kind im Süßwarenladen. Mit Bergkamp auf dem Platz zu stehen, das ist etwas ganz Tolles. Ich war einer der wenigen, die in der Bundesliga gespielt haben. Die anderen waren sehr interessiert am deutsche Fußball. In den Niederlanden haben viele samstags um fünf nach sechs Sportschau geschaut.
Sehen Sie sich künftig eher als TV-Experte oder als Funktionär im Profifußball?
Mulder: (überlegt) Ich spüre, dass mich die Arbeit aktuell nicht viel Energie kostet. Es fühlt sich an, als wäre ich auf Schalke schon länger in dieser Position dabei. Ich bin gern unter Menschen, denke gern über das Lösen von Problemen nach, packe gern an. Ein Highlight als TV-Experte war für mich auch die Reise mit der Fernsehmannschaft zur Weltmeisterschaft. Jeden Tag zusammen sein, Ideen überlegen, organisieren – das kann ich ganz gut. Ich bin ein Problemlöser, das macht mir Spaß.
Warum wollen Sie dann am Saisonende als Direktor Profifußball auf Schalke aufhören?
Mulder: Es geht doch gar nicht darum, was ich will. Aktuell haben wir verabredet, dass ich bis Saisonende bleibe – das ist die Absprache. Wie es dann weitergeht, werden wir sehen. Ich möchte das Beste für den Verein.
Schalke-Sportchef Youri Mulder spricht von „zu vielen“ Fehlern bei S04
Sie schließen eine Weiterbeschäftigung nicht kategorisch aus.
Mulder: Es ist doch schön, ein Teil der Schalke-Familie zu sein. Ich bleibe dem Verein auf jeden Fall verbunden durch das Mandat im Aufsichtsrat.
Was macht Ihnen mehr Spaß: Aufsichtsrat oder Direktor Profifußball?
Mulder: Meine aktuelle Position. Denn sie ist näher am Fußballgeschäft. In meiner DNA ist Fußball.
Im Aufsichtsrat waren Sie Teil des Sportausschusses und an vielen Entscheidungen beteiligt, die nicht aufgegangen sind. Schmerzt Sie das?
Mulder: Alle Entscheidungen werden vom kompletten Aufsichtsrat getragen. Natürlich sind sich nicht immer alle Mitglieder einig, aber nach außen stehen wir alle füreinander ein. Wir wollen alle das Beste für Schalke 04 – natürlich schmerzt da jede Fehlentscheidung. Davon gab es leider zu viele.
Schalke: Youri Mulder hat Karel Geraerts als Trainer vorgeschlagen
Sie haben mitgetragen, dass Marc Wilmots gehen musste, dass die Verträge von Gerald Asamoah und Mike Büskens nicht verlängert wurden. Was machen diese Entscheidungen über ehemalige Teamkollegen und Freunde mit Ihnen?
Mulder: Es ist nicht einfach. Das operative Geschäft ist eine Ablenkung, es muss immer weitergehen, trotzdem habe ich natürlich im Hinterkopf, dass ich Leute wie Buyo seit Jahrzehnten kenne. Solche Entscheidungen gehören zum Profifußball dazu, ich kann damit umgehen.
Verändern solche Entscheidungen Ihr Verhältnis zu den ehemaligen Mitspielern?
Mulder: Das kann immer passieren. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass sich zum Beispiel mein Verhältnis zu Buyo verändert hat. Ich denke nicht, dass er mir sein Aus persönlich nimmt. Wir haben auch jetzt noch Kontakt. Buyo ist hochprofessionell, er weiß, wie es in der Fußballwelt manchmal zugeht. Aber er ist Schalker durch und durch, die Entwicklung bedauere ich deshalb. Wichtig ist, dass der Vorstand die Tür für die Zukunft offengehalten hat.
Inwieweit waren Sie an der Verpflichtung von Karel Geraerts und Kees van Wonderen beteiligt?
Mulder: Karel habe ich schon bei Union St. Gilloise verfolgt, als er noch Co-Trainer war. Ich war beeindruckt, welchen Erfolg Union mit vielen unbekannten Spielern hatte. Sie wären fast Meister geworden, Karel war Trainer des Jahres. Als wir dann 2023 einen Trainer gesucht haben, habe ich Peter Knäbel gesagt: Rede doch mal mit Karel. Und so war er auf der Liste. Bei Kees war es anders. Ben Manga hatte ihn vorgeschlagen. Ich kenne ihn gut und konnte sehr positives Feedback geben.
Schalke-Sportchef Youri Mulder lobt Kees van Wonderen
Der Schalker Aufwärtstrend in der 2. Bundesliga begann mit Ihrer Unterschrift als Sportdirektor: Ein Zufall?
Mulder: Lassen Sie uns lieber über den Trainer sprechen. (grinst) Kees hatte am Anfang seine Schwierigkeiten, die Ergebnisse sind zunächst ausgeblieben. Trotzdem habe ich keine Sekunde an ihm gezweifelt. In der täglichen Arbeit sieht man seinen Willen, seine Energie – die Grundvoraussetzungen für Erfolg waren da. Natürlich kann ich mit meinen Kontakten und meinem Wissen über Schalke helfen. Ich weiß, wie die Menschen hier ticken, wie die Medien ticken, wie das Umfeld reagiert. Aber ich bin überzeugt: Kees wäre auch ohne mich erfolgreich. Obwohl niederländische Trainer es in Deutschland immer schwer haben.
Wie meinen Sie das?
Mulder: Schauen Sie doch mal auf die Holländer in Deutschland. Die wenigsten, wie etwa Huub (a.d.Red. Stevens), Jol oder Luhukay, haben sich hier durchgesetzt. Michels, van Marwijk, Bosz, Advocaat – sie alle sind Top-Trainer, aber alle hatten Schwierigkeiten, weil das, was sie in Holland gemacht haben, auch in Deutschland machen wollten. Selbst van Gaal ist immer wieder angeeckt. Kees ist jemand, der die Situation schnell adaptiert.
Während des Trainingslagers wurde kein Neuzugang verpflichtet. Warum ist noch keiner da?
Mulder: Das ist doch ein gutes Zeichen. In den vergangenen Jahren hatten wir viele Umbrüche, immer neue Gesichter. Es macht auch mal Sinn, eine Mannschaft zusammenwachsen zu lassen. Manchmal hilft das mehr als eine externe Verstärkung. Zwei Neue haben wir aber trotzdem dabei: Mika Khadr und Zaid Amoussou-Tchibara aus der U19, dazu noch Seok-ju Hong aus der U23. Sie können im Training gut mithalten. Obwohl Mika und Zaid erst 18 Jahre alt sind, sehe ich keinen großen Unterschied zu den Profis.
Schalke will mit Amoussou-Tchibara und Bulut verlängern
Amoussou-Tchibara macht im Training einen guten Eindruck. Wann unterschreibt er endlich seinen Profivertrag?
Mulder: Wir führen gute Gespräche mit Zaid und seinem Berater. Ich bin zuversichtlich, dass er weiter für Schalke spielen wird. Noch ist allerdings nichts unterschrieben. Die Beispiele von Mika und Zaid passen zu unserem Weg: Spieler aus der Knappenschmiede fördern und ihnen die Chance bei den Profis geben. Wir haben in Jakob Fimpel und Norbert Elgert sehr gute Trainer. Kees hat sehr schnell gute Kontakte zu ihnen aufgebaut, dieser Dialog ist wichtig.
Taylan Bulut hat sich als 18-Jähriger schon bei den Profis festgespielt, sein Vertrag soll verlängert werden.
Mulder: Ich bin insgesamt zuversichtlich, dass wir Taylan halten werden. Es macht Spaß, ihn spielen zu sehen und mit ihm zu arbeiten. Das gilt auch für Max. Nach dem HSV-Spiel haben sie mich besonders beeindruckt.
Inwiefern?
Mulder: Sie waren die Letzten in der Kabine und haben alles aufgeräumt – nicht nur die großen Dinge, sie haben auch das kleinste Pflaster in den Mülleimer geworfen. Das sind sehr disziplinierte Jungs, die auch gut kicken können.
Der Aufwärtstrend auf Schalke ist klar erkennbar. Ist der Aufstieg noch möglich?
Mulder: Ich kann Fans nicht verbieten zu träumen und als Sportler möchte man immer das Beste erreichen. (grinst) Aber als Offizieller halte ich es für wichtig, den Ball flach zu halten. Es ist wichtig, nicht so viel zu reden. Als Schalke-Fan möchte ich natürlich in der WAZ lesen, dass Schalke oben angreifen will. Aber solche Kampfansagen tun uns nicht gut. Wir denken von Spiel zu Spiel und dürfen die Realität nicht aus den Augen verlieren. Vor zwei Monaten hätten wir auf den letzten Platz zurückfallen können. Es wäre nicht seriös, jetzt vom Aufstieg zu sprechen.
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