Gelsenkirchen/Paderborn. Schalke 04 tritt am Freitagabend beim Tabellenführer SC Paderborn an - als krasser Außenseiter. Warum der SCP um den Aufstieg kämpft.
Wer die Autobahn A33 an der Ausfahrt Paderborn-Elsen verlässt und sich nicht auskennt, würde im ersten Moment wohl nicht vermuten, dass dort zum dritten Mal in zehn Jahren ein kleiner Verein aus einer 155.000-Einwohner-Stadt um den Bundesliga-Aufstieg mitspielt. Ja, es gibt dort einen großen Parkplatz, aber eben auch ein großes Möbelhaus, zu dem dieser passen könnte. Die Arena des SC Paderborn 07 ist kompakt, in Teilen aus Wellblech, wirkt eher wie ein großes Möbellager oder ein Indoorspielplatz. An diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky) trifft der SC Paderborn als Tabellenführer der Zweiten Liga und hoher Favorit dort auf den großen, aber abgestürzten FC Schalke 04. Wie hat der SCP das gemacht?
Schalke-Gegner: Tuchel-Videoanalyst ist Paderborns Geschäftsführer Sport
2014 war der SCP unter Trainer André Breitenreiter erstmals sensationell auf-, aber ein Jahr später wieder abgestiegen. Unwiederholbar wirkte dieser Erfolg – doch dann übernahm Steffen Baumgart und wiederholte 2019 das Kunststück. Nach dem direkten Wiederabstieg schien der SCP endgültig in der Zweiten Liga gestrandet. Bis jetzt. Wieder einmal hat der Klub bei der Personalauswahl ganz genau hingeschaut. Auf Baumgart und den zweiten Aufstiegsarchitekten Fabian Wohlgemuth (jetzt VfB Stuttgart) folgten zwei ebenso begabte Talente: Lukas Kwasniok (43) ist seit dreieinhalb Jahren Paderborns Trainer, Benjamin Weber (41) seit Juli 2022 der Geschäftsführer Sport. Kwasniok arbeitete vorher in unteren Ligen bei Carl Zeiss Jena und dem 1. FC Saarbrücken. Weber war der Chef-Videoanalyst von Thomas Tuchel in Mainz, Dortmund, Paris und Chelsea.
Wie lässt sich der Paderborner Erfolg erklären? Zweimal landete Paderborn unter Kwasniok auf Platz sieben, einmal auf Rang sechs. Nur eins der 14 Spiele hat der Klub in dieser Saison bisher verloren. „Ein wichtiger Faktor ist, dass wir uns in Paderborn voll auf den Fußball konzentrieren können“, sagte Kwasniok dieser Zeitung. „Natürlich verlassen uns auch immer wieder wichtige Spieler. Aber viele talentierte junge Spieler kommen gerne zu uns, weil sie hier reifen und sich entwickeln können.“ Ruhe? Auf Schalke unmöglich. Zwei Stammspieler fand Paderborn in der Schalker Nachbarschaft bei Drittligisten. Felix Götze (Innenverteidiger) kam von Rot-Weiss Essen, Santiago Castaneda (defensives Mittelfeld) vom MSV Duisburg. Zwei Spieler, die Schalkes große Scouting-Abteilung nicht fand. Beide kamen ebenso in allen 14 Spielen zum Einsatz wie beispielsweise Ilyas Ansah (20), ein aus der eigenen U19 aufgerückter Linksaußen. In den drei Kwasniok-Jahren erwirtschaftete Paderborn 6,55 Millionen Euro Transferüberschuss.
Auch Geschäftsführer Weber glaubt, vor allem mit der Ruhe Talente vom SC Paderborn überzeugen zu können. „Jeder Verein hat sicherlich seine Vorteile. Wir sind überzeugt von unseren Möglichkeiten. Gern nutzen wir die ruhige Umgebung in Paderborn, um den Spielern die nötige Zeit zu geben“, sagte er dieser Zeitung. Weber lässt den an der Seitenlinie stets emotionalen Kwasniok so kontinuierlich und fernab von Chaos bei Niederlage arbeiten, wie es sich alle Klubs wünschen: „Lukas ist ein Freigeist im besten Sinne. In Paderborn kann er so sein, wie er ist. Wir bieten ihm die Rahmenbedingungen, um kreativ zu sein, gepaart mit guter Kommunikation und lösungsorientiertem Handeln.“ Als Kwasniok im Sommer 2023 kurzzeitig ins Visier der spanischen Justiz geriet (und das Verfahren später eingestellt wurde), hielt der ganze Klub seinem Trainer die Treue - so etwas schweißt zusammen.
Ron Schallenberg wechselte als Kapitän vom SC Paderborn zu Schalke 04
Inzwischen ist diese Geschichte im beschaulichen Paderborn vergessen. Wie groß die Unterschiede zwischen der kleinen Stadt und höheren Ligen sind, zeigen die teuersten Verkäufe in der Kwasniok-Zeit: Ron Schallenberg (Schalke/2,5 Mio Euro) und Julian Justvan (Hoffenheim/2 Mio Euro) fremdelten in neuer Umgebung oder Liga. Schallenberg, damals SCP-Kapitän, spielt zum zweiten Mal in Folge gegen den Abstieg, Justvan zog über Darmstadt weiter nach Nürnberg.
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Doch ist der SCP so hoher Favorit? Eigentlich ja, Paderborn ist nicht nur Tabellenführer, sondern auch sehr heimstark. Im Gegensatz dazu ist die Schalker Auswärtsschwäche in Deutschland bekannt – nur sechs der vergangenen 37 Auswärtsspiele hat S04 gewonnen, dabei 92 Gegentore kassiert. Favorit? Kwasniok weist das zurück – nicht ganz ohne Floskeln: „Ich habe noch kein Spiel bestritten, in dem die Favoritenrolle eine Bedeutung für die jeweilige Partie gehabt hätte. Es geht am Freitagabend bei 0:0 los. In der 2. Bundesliga kann jeder jeden schlagen.“ Wie viel Paderborn richtig und Schalke falsch gemacht haben muss, zeigen die Zahlen: Der SCP hat rund 8700 Mitglieder, Schalke rund 190.000. Der SCP hat einen Zuschauerschnitt von 13.387, die Schalker Heimspiele besuchen im Schnitt 61.077 Fans. Der SCP hatte in der Saison 2022/23 einen Umsatz in Höhe von 34 Millionen Euro, der Schalker Umsatz im Jahr 2023 betrug 168 Millionen Euro.
Paderborn und Schalke trennen 14 Punkte
Und doch: Beide trennen nach 14 Spieltagen 14 Punkte. Will Paderborn aufsteigen? „Wir haben nie Ziele ausgegeben, und dabei bleiben wir auch. Unser voller Fokus geht auf unsere Arbeit und das nächste Spiel. Über alles andere machen wir uns keine Gedanken“, sagt Kwasniok. Seine Aufstiegstrainer-Vorgänger Breitenreiter und Baumgart wechselten in die Bundesliga zu großen Klubs, coachten kurze Zeit später sogar im Europapokal. Träumt Kwasniok auch davon? „Damit beschäftige ich mich nicht. Für mich geht es einzig und allein um die aktuelle sportliche Herausforderung, und die heißt Schalke 04. Im Übrigen neige ich dazu, nicht vom Fußball zu träumen.“
Kwasnioks Vertrag gilt noch bis Juni 2026. Er bleibt erst einmal in Paderborn, im Stadion aus Wellblech, gegenüber eines großen Möbelhauses. Seine Vorgänger machten es genauso: Sie stiegen mit dem SCP auf - und blieben auch in der Bundesliga.
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