Gelsenkirchen. Nach dem 2:1-Testspielerfolg gegen Breda reagierte Schalke-Trainer Karel Geraerts auf Aussagen von Kaderplaner Ben Manga. Eine Analyse.
Vorbereitet war Karel Geraerts auf die Frage, die diese Zeitung dem Trainer des Zweitligisten FC Schalke 04 nach dem 2:1-Testspielerfolg über Holland-Erstligist NAC Breda stellte. Wie er zu den Aussagen von Chef-Kaderplaner Ben Manga stehe, dessen Meinung in Aufstellungsfragen anders sei als seine, fragten wir ihn. Und Geraerts reagierte nicht verständnisvoll, ging sofort in den Verteidigungsmodus: „Für mich ist klar: Das sind nicht meine Worte. Jeder muss für seine Worte Verantwortung übernehmen. Ich schaue immer nach meiner Mannschaft - aber ich betreibe keine Politik.“ Nach Friedenspfeife klingt das nicht.
Schalke: Manga und Geraerts - darum geht es
Worum es geht?
Dass neue Direktoren im Profifußball am liebsten einen eigenen Trainer mitbringen oder einstellen würden, ist im internationalen Profifußball üblich. Wenn sie einen Trainer vorfinden und den auf Anweisung der Vereinsspitze behalten müssen, ist das kein optimaler Start. So wie auf Schalke mit Geraerts und Manga.
Als Manga im Frühjahr begann, sich mit Schalke auseinanderzusetzen und die Spiele im Abstiegskampf analysierte, kam Geraerts in seiner ersten Analyse nicht gut weg - es war die Phase rund um das Auswärtsspiel bei Hertha BSC (2:5). Die fehlende Konstanz, die anhaltenden Auswärtsklatschen, die Abhängigkeit von Einzelspielern, die unattraktive Taktik mit langen Bällen sprachen aus Mangas Sicht gegen den Trainer. So stellte er sich sein Schalke nicht vor. Es wäre, so wird hinter vorgehaltener Hand erzählt, Manga gelegen gekommen, wenn Geraerts darum gebeten hätte, Schalke im Sommer zu verlassen. Doch Geraerts blieb nach langem Zögern - und Schalkes Klubführung gab Manga vor, er dürfe fast alles umkrempeln, aber nicht den Trainer feuern. Geraerts habe wegen des vollbrachten Klassenerhalts dank einer positiven Serie gegen Saisonende noch eine Chance verdient, Schalke brauche auf der Trainerposition Kontinuität. Geraerts‘ prominentester Unterstützer ist ohnehin seit seinem ersten Tag Sportdirektor Marc Wilmots.
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Manga beugte sich der Bitte nach Kontinuität und unterstützte fortan genau wie Wilmots den Trainer. Während Wilmots bei beinahe jedem Training dabei zu beobachten ist, wie er intensiv mit dem Trainer diskutiert, sprach Manga erst spät mit Geraerts. In diesem Gespräch vermittelte Manga ihm den Stil, den er ab der Saison 2024/2025 von Schalke sehen will: Atletico-Madrid-Fußball - hinten gnadenlos, geordneter Spielaufbau, vorne furios. Lange Bälle nach vorn sollten der Vergangenheit angehören. Geraerts stimmte zu.
In einem zweiten Schritt formulierte Geraerts seine Wunschprofile für Spieler. Manga und seine Scouts gingen auf die Suche, erarbeiteten gemeinsam mit Wilmots eine Liste für mögliche Zugänge, banden Geraerts ein. So entstand sukzessive der Kader. Auch bei unpopulären Bitten unterstützte der Kaderplaner den Trainer. Als Geraerts verlangte, Timo Baumgartl und Dominick Drexler zu separieren, stimmte auch Manga zu - auch wenn ihm die Art und Weise nicht gefiel. Bloßstellen wollte er Geraerts nicht, deshalb blieb er bei dem Duo hart.
Noch in der Woche vor dem ersten Zweitligaspiel gegen Braunschweig (5:1) pries Manga in mehreren Texten auf der Klubhomepage seine Zugänge an. Doch dann standen nur drei von ihnen auf dem Platz: Adrian Gantenbein, Moussa Sylla und Janik Bachmann - keiner unter 23 Jahre alt. Sonst: sechs Dagebliebene und zwei Leih-Rückkehrer. Das soll Manga verwundert zur Kenntnis genommen haben. Er hatte Geraerts die Kaderwertstrategie vorgestellt. Diese besagt, dass Schalke Talente aufbauen und zu einem späteren Zeitpunkt für einen höheren Marktwert verkaufen will. Aber dafür müssten Talente auch spielen. Offenbar der größte Affront für Manga: Er hatte Ron-Thorben Hoffmann aus Braunschweig geholt, als Schalkes Nummer 1 der Zukunft bezeichnet. Geraerts gab Justin Heekeren den Vorzug.
Schalke: Welcher Innenverteidiger soll spielen?
Der 5:1-Erfolg über Braunschweig gab Geraerts Recht - er hatte hoch gepokert und gewonnen. Doch aus den drei folgenden Zweitligaspielen holte Schalke nur noch einen Punkt. Und es gibt neuen Streit - diesmal um die Innenverteidigung, seit Abwehrchef Tomas Kalas verletzt fehlt. Manga holte die Talente Martin Wasinski (Kortrijk/Belgien), Felipe Sanchez (Gimnasia/Argentinien) und Steve Noode (Akadamie Yaounde) für diese Position; Wasinski und Sanchez sollten Soforthilfen sein, Noode nicht. Geraerts bevorzugt aber Mittelfeldspieler Ron Schallenberg und Ibrahima Cissé, der die komplette Vorbereitung verpasst hatte, im Abwehrzentrum.
Und was denkt Manga? Seine Meinung behielt er nicht einmal für sich, ungewöhnlich im Profifußball. „Die Mannschaftsaufstellung macht der Trainer, die mache nicht ich. Wenn der Trainer sagt, sie sind noch nicht so weit in seinen Augen, dann müssen wir das respektieren“, erklärte er in einer Medienrunde und fügte erstaunlich offen hinzu: „Beide haben in ihren Ländern in den ersten Ligen gespielt. Wer schon mal in Argentinien war, der weiß, wie es da bei Spielen abgeht - da ist Krieg auf dem Platz. Und wenn ein junger Spieler dort gespielt hat, sollte er in meinen Augen auch gegen Magdeburg, Darmstadt oder wen auch immer spielen können.“ Rumms.
Diese Aussagen kommentierte Geraerts nach dem Breda-Test indirekt. „Alle wissen, dass ich alles für Schalke 04 gebe - das war in der vergangenen Saison so, und in dieser Saison ist das wieder so.“ Und er wiederholte: „Ich mache keine Politik.“ Eine klare Kritik an Manga. Ein Konflikt könnte sich in der Trainerfrage nicht nur zwischen Manga und Geraerts, sondern auch zwischen Manga und Wilmots andeuten. Mögen die beiden bei der Kaderzusammenstellung oft einer Meinung gewesen sein, ist es schwer vorstellbar, dass sich beide von Geraerts trennen würden. Wem der Vorstand bei einer Trainerdebatte mehr vertrauen würde? Auch das ist offen.
Schalke: Geraerts-Vertrag gilt bis 2025
Ist Geraerts nach vier Punkten aus vier Spielen bereits ein Trainer auf Abruf? Sein Vertrag endet im Juni 2025, Gespräche über eine Verlängerung sind aktuell nicht anberaumt, zu einem so frühen Zeitpunkt der Saison nicht unüblich. Mit möglichen Nachfolgern spricht Manga bereits - auch das hat er sehr offen zugegeben. Im Sommer-Trainingslager in Mittersill im Juli sagte er dieser Zeitung: „Man weiß im Fußball nie, was passiert. Es ist mein Job, mich mit möglichen Kandidaten zu treffen, ohne ihnen direkt etwas anzubieten. Ich frage sie, wie sie über Fußball denken. Aktuell ist Karel unser Trainer, wir sind zufrieden und arbeiten gut miteinander.“
Von einem Miteinander sind Geraerts und Manga rund zwei Monate nach diesen Aussagen aber weit entfernt. Der Kader sei gut genug für Platz sechs bis acht, sagte Manga selbstbewusst über das, was er im Sommer zusammengebastelt hat. Verliert Schalke in einer Woche in Karlsruhe (13. September, 18.30 Uhr), droht der Sturz in den Tabellenkeller.
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