Gelsenkirchen. Im Interview spricht Schalke-Torwart Ron-Thorben Hoffmann über sein spezielles Training, Tipps von Neuer und die Gründe für den S04-Wechsel.
Als Ron-Thorben Hoffmann zum Interview erscheint, ist die Zahl 1 allgegenwärtig. Sie ist auf seine Schalke-Hose gedruckt, auf sein Trainingspullover ebenso. Dass der Neuzugang von Eintracht Braunschweig diese Rückennummer zugeteilt bekommen hat, ist ein großer Vertrauensbeweis – denn Hoffmann ist für die Verantwortlichen von Schalke 04 der Torwart der Zukunft. Rund zweieinhalb Wochen vor dem Start der Zweitligasaison spricht vieles dafür, dass er auch als Nummer eins – also als Stammtorwart – in die kommende Zweitligasaison gehen wird.
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Doch wer ist der neue Torwart? Im Interview mit dieser Zeitung spricht der 25 Jahre alte Hoffmann ausführlich über seinen Weg, Tipps von Manuel Neuer und den Champions-League-Titel mit dem FC Bayern. Außerdem verrät er, wie ihm Mentaltraining hilft, mit dem Druck im Profifußball umzugehen.
Sie kommen aus einer erfolgreichen Handball-Familie. Warum sind Sie Fußballer geworden?
Eine berechtigte Frage. Als meine Eltern mir früh einen Ball zugeworfen haben, habe ich ihn zuerst mit dem Fuß gekickt und nicht mit der Hand aufgenommen. (schmunzelt) Fußball hat mir immer Spaß gemacht. Die ersten sechs Jahre habe ich im Feld gespielt, mit dem Wechsel zu Hertha BSC bin ich dann ins Tor gerückt, als ich zehn Jahre alt war.
Im Tor hat man ja auch mit den Händen zu tun…
Mein damaliger Trainer bei Hertha hat in einer Handball-Kopfball-Trainingsform gesehen, dass ich mit den Händen etwas anfangen kann und hatte die Idee, dass es bei Hallenturnieren in der U10, U11 und U12 mit kleinen Toren vorteilhaft ist, einen Torwart zu haben, der auch mitspielen kann. Wir haben viele Turniere gewonnen, so ging das los.
Schalke: Ron-Thorben Hoffmann sieht sich als Champions-League-Sieger
Sie sind schon in Jugendzeiten viel gewechselt, von Hertha BSC über Leipzig zum FC Bayern. Sie sind früh in ein Internat gezogen. Erleichtert das die Eingewöhnung bei weiteren Wechseln, wie zum Beispiel jetzt nach Schalke?
Das waren alles sportlich orientierte Wechsel, bei allen hatte ich einen Plan. RB Leipzig hat damals schon in der U15 angefangen, ein sehr modernes Torwartspiel und Torwartteam aufzubauen. Es lief sehr professionell ab. Zur U17 kamen Anrufe von Uwe Gospodarek und Tim Walter, die damals bei Bayern München verantwortlich waren. Da musste ich nicht nachdenken. Bayern war als Kind immer mein Traumverein.
Sie waren in München nach der Jugendzeit lange dritter Torwart, sind aber nach Sunderland in die dritte englische Liga gewechselt. Warum?
Ich war mit der U19 der Bayern im Finale um die Meisterschaft, bin mit der U23 in die 3. Liga aufgestiegen und dort Meister geworden. Ich durfte mit den weltbesten Spielern trainieren. Aber ich wusste, dass es bei der Performance von Manuel Neuer schwierig wird, langfristig bei den Bayern-Profis im Tor zu stehen. Deshalb habe ich mich für einen Wechsel entschieden – und ich bin sehr dankbar dafür. Denn ich kam heraus aus der Komfortzone FC Bayern, aus einer Fußball-Welt, in der alles schön und gut ist.
In Ihrer FC-Bayern-Vita steht „Champions-League-Sieger 2020“. Fühlen Sie sich auch so?
Ja. Ich war der dritte Torwart – und auch dann bist du wichtiger Bestandteil einer Mannschaft. In München hat der dritte Torwart nach dem Training zum Beispiel mit Thiago, Robert Lewandowski und Philippe Coutinho Abschlüsse geübt. In den zwei Wochen dieses Finalturniers, das wegen Corona stattfinden musste, waren wir eine Einheit. Hansi Flick hat eine ganz besondere Energie geschaffen. Sonst wären Ergebnisse wie ein 8:2 gegen Barcelona nicht zustande gekommen.
Schalke: Was Ron-Thorben Hoffmann von Manuel Neuer gelernt hat
Aber ist es nicht frustrierend, Schüsse von Coutinho, Thiago und Lewandowski aufs Tor zu bekommen. Da hält doch jeder Torhüter vielleicht einen von zehn Schüssen.
(schmunzelt) Natürlich ist das so – aber für die Jungs ist es wichtig, damit sie ein gutes Gefühl kriegen.
Als junger Torwart haben sie lange mit Manuel Neuer zusammengearbeitet. Was haben Sie von ihm gelernt und abgeschaut?
Diese Besessenheit, sich immer wieder zu beweisen. Er hat das gar nicht mehr nötig, aber er trägt diese Gier, diesen Erfolgshunger in sich, er will jedes Spiel machen, jedes Spiel gewinnen, jedes Spiel zu Null spielen.
Und torwartspezifisch?
Die schnellen Ballkontakte, wie schnell er auf den Füßen ist, die Beweglichkeit, die überragende Sprungkraft. Er hat das perfekte Gesamtpaket, deshalb ist er für mich mit Abstand der beste Torhüter aller Zeiten, weil er alles vereint und dazu ein unfassbar toller Mensch ist. Er hat mir Tipps und viel fürs Leben mitgegeben.
Wie viel Manuel Neuer steckt in Ihnen?
Ich hoffe viel, bin aber selbstverständlich ein eigener Torwarttyp. Ich habe Sachen von ihm gelernt, aber ich möchte meinen eigenen Weg gehen. Ich würde sagen, dass bei mir das Torwartspiel insgesamt ebenfalls stimmig ist, auch wenn ich mit 25 Jahren noch nicht fertig bin und mich überall verbessern kann. In München bin ich mit Ballbesitz-Fußball groß geworden, in England habe ich gelernt, härter zu werden in der Raumverteidigung. In Braunschweig habe ich in der Zielverteidigung gute Bälle gehalten.
Warum Ron-Thorben Hoffmann zu Schalke 04 gewechselt ist
Sie haben mit Manuel Neuer vor dem Wechsel gesprochen.
Wir hatten schon geschrieben. Aber dann klingelte das Handy und als dort „Manuel Neuer“ auf dem Display stand, musste ich mich kurz kneifen. Das war ein cooles Telefonat, ich war ihm dankbar, weil es meine Entscheidung unterstrichen hat.
Was hat er Ihnen gesagt?
Dass Schalke eine riesige Chance für mich wäre. Manu hat mir davon erzählt, wie die Leute sind, was der Verein für sie bedeutet. Besser geht es nicht. Das hat mir bei meiner Entscheidung noch einmal geholfen.
Sie sind zum ersten Mal im Fußball-Westen. Haben Sie sich gut eingelebt?
Ich habe ein neues zu Hause gefunden, ziehe aber erst nach dem Trainingslager ein. Gerade in der Vorbereitung verbringst du sowieso die meiste Zeit am Vereinsgelände, deshalb ist das Hotelleben bis dahin okay. Aber ich freue mich drauf, endlich sesshaft zu werden und die Leute in der Stadt kennenzulernen. Darüber hinaus hat mich die Mannschaft super aufgenommen, gerade die Spieler, die in der vergangenen Saison schon hier waren wie Paul Seguin oder Michael Langer.
Sie kennen Anton Donkor gut, er kommt ebenfalls aus Braunschweig. Das macht es wahrscheinlich auch leichter.
Wir werden wahrscheinlich sogar Nachbarn. (schmunzelt) Wir sind in Braunschweig gute Kumpels geworden. Sein Wechsel stand deutlich früher fest, er hat sich – glaube ich – sehr gefreut, dass ich auch komme.
Normalerweise wäre der logische Schritt ein Erstligist gewesen. Warum trotzdem Zweite Liga?
Auf meiner Position mit einem Verein wie Schalke in den kommenden Jahren aufzusteigen, einen eigenen maßgeblichen Beitrag dazu zu leisten, zählt mehr als alles andere. Deshalb habe ich einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Schalke 04 gehört nicht in diese Liga, hat ein Erstliga-Umfeld.
Schalke-Torwart Ron-Throben Hoffmann setzt auf Mentaltraining
Verteidiger Tomas Kalas hat uns gesagt, dass Fußballprofi zu sein, die eine Seite ist, Fußballprofi auf Schalke aber etwas anderes – mit Blick auf Trubel und Druck. Wie kann man sich darauf vorbereiten?
In Sunderland habe ich es ähnlich erlebt, wenn auch etwas kleiner. Das ist auch eine Arbeiterstadt, da leben die Menschen den Verein, der Druck ist nicht geringer. Ich bin ein optimistischer Typ, aber ich weiß, dass es nicht immer bergauf gehen wird. Gerade in den schwierigen Phasen lernt man sich neu kennen. Ich habe Bock auf diese Herausforderung. Ich habe es als Braunschweig-Torwart als Gegner erlebt: Diese 60.000 Zuschauer willst du nicht gegen dich wissen, die willst du für dich haben!
Gibt es Techniken, um sich auf diesen Druck vorzubereiten?
Jeder geht anders mit diesem Druck um. Ich habe Leute in meinem Umfeld, bei denen ich mich zurückziehen kann. Auch meine Familie hilft, weil sie aus dem Leistungssport kommt und solche Drucksituationen kennt. Darüber hinaus habe ich einen Mental- und Neuroathletiktrainer.
Wie sieht so eine Sitzung aus?
Ich trainiere zweimal pro Woche mit dem Trainer. Es ist ein Mix aus Neuroathletik- und Mentaltraining, zum Beispiel mit Augen- oder Atmungsübungen. Aber manchmal treffen wir uns einfach nur zum Quatschen. Jeder braucht etwas Anderes. Mir geht es damit ganz gut, denn so bekomme ich Tools an die Hand, die mir helfen, um den Optimalzustand zu erreichen.
Nehmen wir an, Ihnen rutscht ein Ball durch die Beine und 60.000 Zuschauer sind bedient. Sie wollen positiv bleiben und das abschütteln.
In solchen Augenblicken denke ich nicht daran, da ich es nicht mehr ändern kann.
Schalke-Torwart Ron-Thorben Hoffmann träumt von der Bundesliga
Gibt es vor dem Spiel Rituale?
Sie sehen nur das Aufwärmprogramm auf dem Feld. Für mich geht es aber schon 30 bis 45 Minuten zuvor los. Ich habe 40, 50 kurze Übungen, die alle Sinne aufwecken – beispielsweise einen Stift vor die Augen halten, ihn zu bewegen und dann zu verfolgen. Von außen beobachtet sieht das ein oder andere vielleicht etwas verrückt aus, aber mir hilft das.
Sie erben die Nummer 1 von Vereins-Legende Ralf Fährmann, Ihr Vorgänger Marius Müller war äußerst populär. Können Sie das abschütteln?
Ich habe nach dem Wechsel mit Mülli geschrieben. Er hat eine unfassbare Saison gespielt, dazu habe ich gratuliert. Es ist ein Neustart für mich und das gesamte Umfeld auf Schalke. Deshalb belastet mich das nicht, ich spüre nur Vorfreude.
Sie sind zweimal aufgestiegen, haben einige Titel gewonnen. Was zeichnet Mannschaften aus, die oben angreifen wollen?
Die Mentalität. Du brauchst Leute, die vorangehen, vor allem in schwierigen Situationen. Ich möchte einer dieser Leader sein, auch wenn ich erst 25 Jahre alt bin. Ich möchte Führung übernehmen. Du brauchst positive Erlebnisse, damit sich diese Dynamik, diese Siegermentalität entwickeln kann. Mir wurden sie durch Bayern München, durch Spieler wie Manuel Neuer, Thomas Müller, Joshua Kimmich vermittelt.
Hoffmann auf Schalke „am richtigen Platz“
Denken Sie nur an den aktuellen Vertrag oder haben Sie den Traum, einmal Manuel Neuer bei Bayern München zu beerben?
Als kleiner Junge war mein Ziel, Bundesliga zu spielen. Jetzt bin ich in einem Verein, mit dem das perspektivisch möglich ist. Die Menschen hier haben das Verlangen. Deswegen bin ich hier am richtigen Platz, um uns gemeinsam diesen Traum in den kommenden Jahren erfüllen zu können.
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