Gelsenkirchen. Holger Gehrke, früher Torwart und Torwarttrainer bei Schalke 04, lebt auf Mallorca. Dort gründete er ein Camp und reist zu Jobs in die Welt.
Auf die Schnauze gefallen ist er wahrlich nicht, dieser waschechte Berliner. Er redet, wie er denkt. So kennen sie Holger Gehrke auch am Schalker Markt, wo er gleich dreimal arbeitete. Inzwischen ist der 61-Jährige, früher als Torwart und Trainer aktiv, als Handlungsreisender unterwegs. Spezialgebiet Torwarttraining. Als „Auftragskiller“ bezeichnet sich der frühere Keeper selbst, wohl wissend, dass dieser Begriff einer näheren Erläuterung bedarf. „Kommen, machen, erfolgreich sein und wieder weg“ – so erklärt Gehrke seinen aktuellen Job, um dem martialischen Ausdruck die Schärfe zu nehmen.
Seit 2019 lässt er es sich gutgehen auf Mallorca, der Trauminsel vieler Deutscher, die er als seinen Lebensmittelpunkt bewusst gewählt hat. „Hier wollte ich schon immer leben“, erzählt der 1,96-Meter-Mann, der noch fit wirkt wie in seinen Profizeiten, im Gespräch mit dieser Zeitung. Er berichtet von einem Traum, den er verwirklicht hat.
Kurzzeit-Einsatz in der Karibik
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Dabei zieht es ihn auch von dem Mittelmeer-Eiland stets in die Ferne, wenn es sich günstig fügt. Kurzfristige Engagements mag der nimmermüde Weltenbummler. So wirkte er zuletzt kurzzeitig auf den Kanaren, wo der Schweizer Viertligist FC Solothurn seine Dienste für eine Woche im Trainingslager beanspruchte. So absolvierte er vor geraumer Zeit einen ähnlichen Kurzzeitjob in der Karibik, auf Antigua und Barbuda. Bei den Nationalmannschaften aus Kasachstan und Ungarn war er Assistent des deutschen Cheftrainers Bernd Storck, als gebürtiger Herner mit Spieler-Vergangenheit in Bochum und Dortmund ebenfalls ein Mann mit Ruhrgebietsbezug.
Holger Gehrkes Karriere als Trainer sei wesentlich erfolgreicher verlaufen als die als Spieler, gibt der frühere Schlussmann zu, der bei Blau-Weiß 90 Berlin, bei Schalke 04, beim MSV Duisburg und beim Karlsruher SC 242 Partien im Profifußball bestritt. Die beiden Schalker Triumphe im DFB-Pokal, die er als Co-Trainer von Huub Stevens miterleben durfte, stellt er nicht besonders heraus. Auch verschweigt er, dass er an der Seitenlinie stand, als 2001 die Schalker als „Meister der Herzen“ in die Liga-Historie eingingen. Es sind Erfolge, die er als Mann aus der zweiten Reihe feiern durfte.
Betreiber der International Soccer Academy mit Schalke 04
Der Inhaber der Trainerlizenz, die er einst als Jahrgangsbester erworben hatte, wollte nie als Cheftrainer arbeiten, er half nur mal für drei Wochen als Interimscoach beim 1. FC Köln aus. „Ich habe meine Chefs immer leiden sehen“, erklärt Gehrke, der sich daher vorgenommen hatte: „Ich bleibe lieber im Hintergrund, um weiterhin ruhig schlafen zu können.“
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Inzwischen ist es um seine Nachtruhe gut bestellt. Der Wahl-Mallorquiner hat sich auf der Insel eine berufliche Existenz aufgebaut. Mit einem Kompagnon gründete der Mann, der verletzte oder vereinslose Torsteher im Einzeltraining trimmt, zudem ein „Fussi-Camp“, in der Nachfolge der berühmten Fußballschule, die einst Rudi Völler mit einem großen Warenkonzern betrieben hatte. In den Ferien werden in Cala Millor und Santanyi bis zu 1000 Kinder im Jahr betreut. In Kooperation mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Schalke 04 leitet Gehrke zudem die International Soccer Academy, in der sich amerikanische Nachwuchskicker im Alter von 16 bis 20 Jahren ausbilden lassen, um den Sprung ins europäische Profigeschäft zu schaffen. Eine Rundumbetreuung, denn Gehrke vermittelt die Kandidaten an passende Klubs.
Auf Schalke anfangs nur Notlösung
Als er bei Königsblau 1999 als Torwarttrainer amtierte, bewährte sich Gehrke, indem er Oliver Reck auf Vordermann brachte. „Der Pannen-Oli war Geschichte“, sagt der Spezialtrainer. Seine eigene Bundesligakarriere hatte durch einen Zufall Fahrt aufgenommen. „Ich war auf Schalke eigentlich eine Notlösung“, berichtet der Berliner Junge, der 1992 im Revier landete. Aleksander Ristic wollte Stammtorwart Jens Lehmann ersetzen. Wunschkandidat war Jörg Schmadtke aus Düsseldorf. Die Fortuna verweigerte die Freigabe. „So kam ich ins Spiel. Torwarttrainer Jupp Koitka machte sich stark für mich. Ich wurde zunächst ausgeliehen und erhielt dann einen Zweijahresvertrag. “
Gehrke gegen Lehmann – eine große Rivalität. Als Lehmann sich das Kreuzband riss, nutzte Gehrke seine Chance auf Schalke. Er blieb auch im Kasten, als Lehmann wieder fit war. Seine Mannschaftskollegen wählten ihn sogar zum Kapitän. Langfristig setzte sich dann der Jüngere durch.
Ursprünglich hatte Gehrke in seiner Heimat Berlin als Feldspieler begonnen. „Ich hatte keinen Bock aufs Tor“, gesteht er heute. Erst auf sanften Druck des Jugendtrainers hin rückte er in den Kasten, und heute sagt Holger Gehrke: „Ich sollte ihm dankbar sein.“