Hagen. . Mit 17 Punkten geführt, mit 17 Zählern verloren: Ein bemerkenswertes Basketball-Bundesligaspiel sahen die Zuschauer bei der Partie Phoenix Hagen - Walter Tigers Tübingen. Die Gastgeber verloren nach klarer Führung die Konzentration und unterlagen gegen das bisherige Schlusslicht mit 78:95 (47:40).

Es lief doch alles bestens. 17 Punkte vorne, Tempo und Spielfreude allüberall. Und der Gegner - dem Tabellenstand entsprechend und nach fünf Niederlagen in Folge - höchst verunsichert. Doch in der Basketball-Bundesliga ist ein Spiel selten nach 17 Spielminuten entschieden. Das bekam Phoenix Hagen am 13. Spieltag schmerzhaft zu spüren. Das Team von Trainer Ingo Freyer verlor gegen die Walter Tigers Tübingen Konzentration und Rhythmus nach früher 44:27-Führung - und blamierte sich am Ende bei der 78:95-Schlappe gegen das Schlusslicht. Der stärksten Saisonleistung beim Sieg gegen Vizemeister Oldenburg folgte nur acht Tage später der schwächste Auftritt seit langem.

Es waren noch zwei Minuten zu spielen am Ischeland, als sich Ingo Freyer konsterniert auf die Bande setzte. Gerade hatte Tübingens Branislav Ratkovica seinen fünften Dreier zum 69:87 verwandelt, die Hoffnung auf den fünften Heimsieg war beim Phoenix-Coach endgültig passé. Das Spiel gegen den bisherigen Tabellenletzten - nach dem Würzburger Sieg gegen Ludwigsburg tags zuvor waren die Gäste auf den letzten Rang zurückgefallen - hatten seine Schützlinge sukzessive aus der Hand gegeben. Und die Ursache dafür sah Freyer nicht im Schlussviertel, in das man sogar noch mit knapper Führung gegangen war, sondern in der besten Phase seines Teams.

Nur noch gelacht und gescherzt

„Als wir im zweiten Viertel mit 17 Punkten vorn lagen, haben wir - salopp gesagt - einen Gang rausgenommen“, bekannte Freyer „und genau das darf nicht passieren.“ Alle hätten nur noch gelacht und gescherzt, doch im Überschwang sei die Spannung verloren gegangen und die Körpersprache immer schlechter geworden. Statt mit solidem Vorsprung ging man „nur“ mit einem 47:40 in die Pause. Viel schlimmer aber: Den Spielfluss fanden die Gastgeber bis zum Ende nicht wieder, stattdessen bauten sie einen lange wie ein Abstiegskandidat agierenden Gegner auf.

Es war schon im ersten Viertel ein teilweise zerfahrener Phoenix-Auftritt, zu viele eroberte Bälle gaben die Gastgeber wieder aus den Händen. Erst als Freyer nach dem 16:22 (8. Minute) den agilen Henry Dugat brachte, gewannen die Hagener an Fahrt. Beim 24:25 in der ersten Viertelpause lag Tübingen, das vornehmlich über 2,15-m-Mann Anatoly Kashirov punktete, noch vorn, sieben Minuten später schienen die Verhältnisse nach dem Dunking von Dino Gregory zum 44:27 geklärt. Phoenix hatte an Intensität enorm zugelegt, erarbeitete sich durch Larry Gordon nun auch am offensiven Brett immer wieder zweite Chancen. Die Gäste dagegen wirkten reichlich durcheinander, woran auch der Kurzeinsatz des mit viel Applaus empfangenen Johannes Lischka - nur fünf Wochen nach seiner Hirntumor-Operation - nicht viel änderte.

Ein Aufbäumen bleib aus

Doch allzu früh schienen die Gastgeber zu glauben, das reiche gegen den Tabellenletzten schon. Eine 0:8-Serie war die Quittung für den Übermut, bis zur Pause waren es 3:13 Punkte. Und es wurde nicht mehr besser. Nur der starke Gordon setzte nun noch Akzente, beim 54:44 (24.) lief noch alles einigermaßen nach Plan. Doch mit nachlassender Konzentration wurde auch die Wurfquote immer schlechter, selbst von der Freiwurflinie trafen die Phoenix-Akteure nur jeden zweiten Ball. Bezeichnend die Szene in der 27. Minute, als Bernd Kruel einen Eins-gegen-Null-Korbleger vorbeilegte. Tübingen agierte keineswegs überzeugender, doch Punkt um Punkt brachten Kashirov und der aufdrehende Ratkovica ihr Team heran.

Und ließen es im Schlussviertel wegziehen, weil bei den Gästen nun auch Alex Harris und Jonathan Wallace aus der Distanz trafen. Freyers Auszeit beim 61:61 (33.) verpuffte wirkungslos, als er gut zwei Minuten später wieder zur Besprechung bitten musste, stand es plötzlich 61:71. Ein Aufbäumen der Gastgeber fand auch jetzt nicht statt, dazu fehlte es auch an der Initialzündung. Die Dreier der unglücklich agierenden David Bell und Mark Dorris fanden weiter nicht ins Ziel, gegen das Phoenix-Doppeln fand dagegen Tübingen stets den frei stehenden - und meist treffenden - Mann. „Wir haben den Ball dahin gebracht, wo wir ihn haben wollten“, freute sich Tigers-Trainer Igor Perovic, bei den Gastgebern dagegen beklagte man unisono die fehlende Konzentration: „Tempo, gute Verteidigung, Steals - es war ja alles da, um das Spiel erfolgreich zu gestalten“, brachte es Geschäftsführer Oliver Herkelmann auf den Punkt: „Aber dann ist der Rhythmus verloren gegangen - und wir haben ihn nicht wieder gefunden.“