Gelsenkirchen. . Er verlor fast sein Bein. Nach seiner Horror-Verletzung und 17 Operationen glaubt der Basketball-Profi von Phoenix Hagen mehr denn je an ein Comeback.

  • Bislang 17 Operationen
  • Die Muskeln kommen zurück
  • „Nächster Dunking ein Jahr entfernt“

Gedanklich schon auf dem Parkplatz, höre ich, wie die Tür noch einmal aufgerissen wird. „Hey Mann, warte mal.“ Im Türrahmen steht dieser Muskelschrank und guckt wie ein Kind, das sich ganz sehnlich etwas zu Weihnachten wünscht. Er sagt: „Wenn ich es zurück auf das Basketballfeld schaffe, musst du dir eine Karte für das Spiel kaufen!“ Oh Mann, denke ich. Du bist ein Kerl, in dessen Knie alles zerfetzt wurde, was dort haltende und versorgende Wirkung hat. Arterien, Nerven, Bänder. Du wirst nicht mal mehr einer Kreisligamannschaft helfen können.

Doch: Ich habe eingeschlagen.

Warum? Weil ich selten zuvor jemanden getroffen habe, der besessener gearbeitet hat und beseelter von einer Vision war, als der große Muskelschrank mit dem Kinderblick. Ein Besuch bei DJ Covington, dem Basketballer von Phoenix Hagen, dessen Horror-Verletzung Deutschland schockierte.

Das Operationsprotokoll wirkt wie eine Krankenakte, die fünf Profisportler während ihrer ganzen Karriere nicht anhäufen: Knieluxation, Gefäßverletzung, Arterienverletzung, sämtliche Bänder durch. 17 Operationen sind es bislang. Zwei unglaublich schwierige werden in der nächsten Zeit folgen. In Operation Nummer eins sollen Nerven aus seinem gesunden Bein in das verletzte implantiert werden. Covingtons „Nervus Peroneus“, der den Fuß anhebt, ist zerrissen und muss ersetzt werden. Danach sollen Kreuz- und Innenband erneuert werden.

Endlich Fortschritte spürbar

„Es ist das erste Mal seit dem Tag der Verletzung, dass ich große Fortschritte sehe. Meine Muskeln kommen zurück. Mein Bein fühlt sich gut an“, sagt Covington, als ich ihn im Reha-Zentrum Medicos auf Schalke besuche. „Ich habe drei Ziele. Erst werde ich ohne Krücken gehen, dann rennen. Und dann werde ich Basketball spielen.“ Die Nerventransplantation wird Operation Nummer 18 sein.

Noch immer wirkt der Fall Covington in der Basketball-Szene nach, als wäre es gestern passiert. Sein Oberschenkel hatte sich im Spiel gegen Bamberg im vergangenen März nach außen entgegen der Laufrichtung weggedreht, während sich der Unterschenkel im Knie durchgedrückt hatte und nach innen weggeklappt war. In einem Geschäft, in dem Spieler oft nur durchlaufende Posten sind, ganze Teams ausgetauscht werden und Identifikation und Beständigkeit an vielen Standorten keinen Wert haben, war alles, was nach Covingtons Verletzung geschah, so etwas wie der Triumph der Menschlichkeit über die Anonymität des Geschäfts. Dass das Team von einem Playoff-Kandidaten fast zum Absteiger wurde – eine Randnotiz. Die Anteilnahme an Covingtons Schicksal überschattete die Saison. „Come back Stronger“ riefen Hagens Fans als Motto aus.

Sein verletztes Bein machte neulich noch einem Streichholz Konkurrenz. Jetzt kehrt die Kraft darin zurück. Ab morgens um 7 Uhr schuftet Covington für sein Comeback. Er wohnt im Hotel auf dem Schalker Trainingsgelände. Dass er die Zulassung für eine stationäre Reha bekommen hat und die Berufsgenossenschaft sie bezahlt, ist sein Riesenglück im Unglück.

Er kann sein Bein strecken, es in der Beinpresse belasten, er kann darauf gehen. „Aber durch den zerstörten Nerv kann ich meinen Fuß noch nicht heben. Ich brauche die Transplantation dafür.“ Eine schwierige OP für die Chirurgen Thomas Schildhauer (Bochum) und Jens-Peter Stahl (Dortmund). Letzterem verdankt Covington, dass sein Bein nicht amputiert werden musste. Stahl flickte die gerissene Arterie in der Kniekehle.

Nächster Dunking ein Jahr entfernt

„Ich bin nicht naiv, aber ich spüre, wie mein Körper auf die Arbeit und die Operationen reagiert. Ich schaffe es.“ Was er hinterherschiebt ist – zumindest im Moment – ein Witz: „Mein nächster Dunking ist ein Jahr entfernt.“

Sein Cousin hat ihn zwei Monate lang besucht, seine Mutter war da, Spieler von Phoenix Hagen, wie David Bell, kommen regelmäßig zu ihm. Auch „das Pferd“, wie Covington Phoenix-Center Owen Klassen nennt, „einer der körperlich stärksten Spieler der Bundesliga.“ Er will zurück auf das Feld in Hagen. „Das war der Ort, an dem ich mich bislang am meisten wohl gefühlt habe und wo zwei Trainer mir endlich mal das Vertrauen gegeben haben, was ich brauchte.“

Sollte das so kommen, werde ich mit meiner Eintrittskarte am Spielfeldrand wedeln und sie mir von DJ Covington signieren lassen.

Von Nerventransplantation hängt viel ab

Holger Just ist leitender Therapeut im Medicos auf Schalke, langjähriger Betreuer der Basketball-Nationalmannschaft, Physiotherapeut beim FC Schalke 04 und der Mann, der viel mit DJ Covington arbeitet. „Covingtons Knie würde die Belastung des Profi-Basketballs wieder aushalten“, sagt er. Zwingend notwendig sei, dass die Nerventransplantation gelinge. „Funktioniert das nicht, wird man eine Steigbügelplastik bei ihm einsetzen, die seinen Fuß begradigt und in eine neutrale Null-Position bringt.“ Wenn Covington aktuell ohne seine Beinschiene zu laufen versuche, stehe sein Rücken durch die Schonhaltung extrem schief.

Genau so schwierig wie die Tranplantation werde die Rekonstruktion von Kreuz-und Innenband. Eigentlich eine Routine-OP. „Dadurch, dass in der Kniekehle eine Arterienbrücke eingesetzt wurde, haben die Operateure aber großen Respekt vor dem Eingriff“, erklärt Just. Bis es soweit ist, dass man final einschätzen kann, ob Covington wieder spielen kann, können laut Just noch weitere eineinhalb Jahre vergehen. „Aber dann ist er ja immer noch erst 26“, sagt er.