Washington. In der Nacht zum Mittwoch startet die neue Saison der NBA. LeBron James soll die Cleveland Cavaliers zum ersten Titel seit 50 Jahren führen – doch der Basketball-Star selbst stapelt tief. „Ich werde keine Titel versprechen. Ich weiß, wie schwer es ist zu liefern“, sagt der zweifache NBA-Champion.
Es gibt glanzlosere Aufträge für amerikanische Journalisten, als im Arbeiter- und Autobauer-Bundesstaat Ohio auf Schritt und Tritt den Gouverneur zu beobachten. John Kasich ist ein erfolgreicher Job-Beschaffer und amüsanter Geschichtenerzähler. Nicht ohne Grund gehört er zur Reserve der Republikaner, wenn es um die Präsidentschaftskandidatur 2016 geht. Joe Vardon, der Reporter des „Plaindealer“ in Cleveland, ließ den Politiker trotzdem ohne langes Zögern fallen, als ihm sein Boss im Sommer einen neuen Berichterstattungsanker anbot: Basketball. Genauer: LeBron James. Zweifacher NBA-Champion, viermal MVP, also wertvollster Spieler, zwei Gold-Medaillen bei Olympia, Multimillionär, Geschäftsmann, Ehegatte und Vater. Und das alles mit gerade einmal 29 Jahren.
Ab Donnerstag, wenn die Cleveland Cavaliers gegen die Knicks aus New York in die neue Saison starten, geht Vardon für seine Leser mit Amerikas derzeit beliebtestem Profi-Sportler auf eine einzigartige Reise. Tag für Tag wird der Reporter Protokoll führen über das erstaunlichste Comeback seit langem. „King James“, der vor vier Jahren im Groll von den Cavaliers schied und den Malocher-Geruch Clevelands gegen den Glitzer-Status von Miamis South Beach eintauschte, um mit den „Heat“ in vier Finalrunden zwei Meisterschaften zu erringen, ist an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Über Nacht ist aus Cleveland, der Lachnummer von einst, ein Titelaspirant geworden.
Die ganze Stadt profitiert
Der Stadt, in der einst Rockefeller seine Standard Oil Company gründete und Stahl- wie Schiffsbau in den 50er Jahren Glanz und Gloria erzeugten, konnte nichts besseres passieren. Noch immer sind entlang des Cuyahoga River Spuren des Niedergangs zu erkennen, der 1978 in der kommunalen Zahlungsunfähigkeit endete. Mittlerweile hat sich die 400 000 Einwohner zählende Metropole am Erie-See wieder gefangen. Neben der 1995 eröffneten „Rock and Roll Hall of Fame“ und den weltweit bekannten Herz-Spezialisten in den verglasten Klinikhochhäusern sorgen Museen und ein exzellentes Philharmonie-Orchester für positive Schlagzeilen. So positiv, dass die Republikaner hier in zwei Jahren in einer gigantischen Medien-Inszenierung ihren Kandidaten für die Obama-Nachfolge auf den Schild heben werden. Und jetzt kommt auch noch James. Dessen Wechsel wird nach Berechnungen von LeRoy Brooks, Wirtschaftsprofessor an der John Carroll Universität, eine halbe Milliarde Dollar zusätzlich in den örtlichen Wirtschaftskreislauf spülen.
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Schon vor Wochen war die Aufbruchsstimmung zu spüren. Bars und Restaurants haben sich aufgehübscht und neues Personal rekrutiert. 20 000 Zuschauer wollen versorgt sein. Und bis zu den im April 2015 beginnenden Playoffs vor allem eines: jubeln. Zuletzt gab es dazu 2007 Anlass. Die Cavaliers, damals mit einem ungestümen James in Rohdiamanten-Güte im Wettbewerb, scheiterten in der Finalserie am amtierenden Meister San Antonio Spurs. Danach kamen sieben Jahre sportlicher Magerquark. Im nächsten Sommer soll wieder ein Titel nach Cleveland kommen. Es wäre der erste seit 50 Jahren.
Ob LeBron James dem Erwartungsdruck standhalten kann? Der 2,03 Meter großen Ein-Mann-Show, die in Miami in allen statistisch erfassten Disziplinen noch stabiler geworden ist, hat das Management gezielte Verstärkung an die Seite gekauft, die es mit James‘ bisherigen Mitstreitern Dwyane Wade und Chris Bosh aufnehmen kann: Mit Kevin Love kam aus Minnesota ein spielstarker Hüne nach Ohio, der aus allen Distanzen Punkte sammelt. Für den Spielaufbau ist Kyrie Irving zuständig, der zuletzt mit dem Team USA WM-Gold gewann und beim letzten All-Star-Game der NBA die Trophäe als bester Spieler mit nach Hause nahm. Veteranen wie Shawn Marion und der bald 40-jährige Drei-Punkte-Zauberer Ray Allen aus Miami ergänzen den Kader, den der in Europa als Titelsammler erfolgreiche Trainer David Blatt erst noch homogenisieren muss.
42 Millionen Dollar Salär
James, für zwei Jahre und knapp 42 Millionen Dollar Salär verpflichtet, stapelt noch tief: „Ich werde keine Titel versprechen. Ich weiß, wie schwer es ist zu liefern.“ Der 65 Kilometer von Cleveland entfernt in Akron in prekären Verhältnissen aufgewachsene Jahrhundertsportler hat nach Einschätzung seines neuen Chef-Chronisten Joe Vardon „die Chance, mit den Cavaliers Geschichte zu schreiben und die andere Legende mit der Rückennummer 23 – Michael Jordan – hinter sich zu lassen“. Überlebensgroß ist „King James“ bereits. An den Landmark Office Towers in Clevelands Innenstadt erinnert ein neues Banner an die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Es ist zehn Stockwerke hoch.