Los Angeles. Der auf Haiti geborene Kanadier Bermane Stiverne, der mal in Miami und mal in Las Vegas lebt, holt sich den von Vitali Klitschko niedergelegten Titel. Ob er gegen Wladimir kämpft, bleibt offen. Er selbst will das weniger als sein Manager Don King.
Man findet keine Ruhe in einem Boxring, der gerade von aufgeregten Helfern und Offiziellen gestürmt wird. Bermane Stiverne wollte es trotzdem probieren. Der neue WBC-Weltmeister im Schwergewicht legte sich bäuchlings auf den Boden und meditierte in die schweißgetränkte Plane hinein, während sein Promoter Don King fröhlich ein haitianisches Fähnchen schwang. Dann war es mit dem Innehalten vorbei – galt es doch, einen pompösen Championgürtel an den rund 110 Kilo schweren Mann anzubringen.
Stiverne alias ,B.Ware’ ist in Los Angeles Nachfolger des in die Politik gewechselten Ukrainers Vitali Klitschko geworden. Er hat im USC Galen Center erneut den auch von Klitschko besiegten US-Profi Chris Arreola bezwungen, diesmal sogar vorzeitig, und im Grunde reichte eine schwere Rechte dazu. Sie erwischte seinen Gegner in Runde sechs so genau, dass alles Weitere vorhersehbar war: Das tapfere Erheben des angeschlagenen Lokalhelden, das Anzählen, der nächste Niederschlag – und die Entscheidung des Unparteiischen, den Kampf nach exakt 2:02 Minuten abzubrechen.
Nun dürfen sich gleich mehrere Länder über den Coup des schlagstarken Spätentwicklers freuen. Stiverne ist der erste auf Haiti geborene Champion im Schwergewicht sowie der zweite nach Tommy Burns (1906 bis 1908) mit einem kanadischen Pass. Da er seit etlichen Jahren zwischen Miami und Las Vegas lebt, geht er in gewisser Weise auch als US-amerikanisches Produkt durch.
"Es wird ein leichter Kampf für mich"
Darum wertete Promoter King dessen 24.Erfolg als Profi (ein Unentschieden, eine Niederlage) als Signal der Hoffnung für den ganzen Kontinent. „Wir sind zurück, Amerika ist zurück“, übertönte er seinen Boxer in gewohnter Manier und prophezeite: „Er wird auch die WM-Titel vereinen.“
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Das setzt einen Termin mit Wladimir Klitschko voraus, der die Gürtel der drei anderen etablierten Verbände (WBA, IBF, WBO) besitzt – und nach dem einseitigen Triumph über den Australier Alex Leapai in Oberhausen nachdrücklich Interesse an einer kompletten Sammlung anmeldete. Alle Titel wieder im Familienbesitz – das ist das erklärte Ziel des 38-jährigen Ukrainers. Vorerst bleibt jedoch unklar, wie zügig sich dieser Showdown, der auch in den Staaten wieder potente TV-Sender und Zuschauermassen bewegen könnte, anbahnen lässt.
Der Mehrfach-Weltmeister ist gerade vom Weltverband IBF aufgefordert worden, sich mit dem bulgarischen Pflichtherausforderer Kubrat Pulev ins Einvernehmen zu setzen. Der bisher ungeschlagene Zweite der Computer-Rangliste (20 Siege) ist schon seit zwei Jahren in der Warteschleife. Auf der anderen Seite hat der WBC mit dem 2,01 Meter großen Deontay Wilder schon einen Pflichtherausforderer für den neuen Champion nominiert. Der K.o.-König aus Alabama (31 vorzeitige Siege) pocht auf seine Rechte und gibt sich von Stiverne wenig beeindruckt: „Es wird ein leichter Kampf für mich.“
Don King möchte die Klitschkos attackieren
Wer boxt also wen als nächstes? Einst regierte im Berufsboxen das ungeschriebene Gesetz, wonach eine Titelvereinigung Vorrang vor jeder Titelverteidigung hat. Davon möchte Pulevs Berliner Boxstall Sauerland Event jedoch nichts wissen. Er hat Druck gemacht, damit sein Vorzeige-Boxer so schnell wie möglich auf Klitschko treffen kann. Jetzt sollen sich beide Parteien innerhalb von 14 Tagen gütlich über die Ausrichtung des Kampfes einigen.
Promoter-Zar Don King wiederum möchte nur zu gerne die Klitschkos attackieren, durch die sein Einfluss auf die Schwergewichts-Elite deutlich abgenommen hat. Doch sein neuer, leiser König ist ihm dabei keine große Hilfe. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Stiverne lieber heute als morgen aus dem Vertrag mit King heraus möchte. Und eine Begegnung mit der Überfigur Klitschko habe auch noch Zeit, erklärte Stiverne: Zunächst wolle er dem Schöpfer danken und seinen unwahrscheinlichen Triumph genießen. So klingen Menschen, die lieber in sich gehen als Ansprüche zu formulieren.