Berlin. Die Ungarn hielten es zunächst für eine ernste Terror-Bedrohung und ruderten dann zurück, für andere Sport-Nationen war es eh ein “Fake“. Die unterschiedliche Bewertung vermeintlicher Droh-Mails zeigt: Kurz vor Sotschi ist die Nervosität um die Terror-Gefahr greifbar.
Nach kurzer Aufregung hat die olympische Familie betont gelassen auf eine vermeintliche Terrorwarnung reagiert. Knapp zwei Wochen vor den Winterspielen in Sotschi wertete das Internationale Olympische Komitee die Droh-Mails, in der zahlreiche Nationale Olympische Komitees (NOK) vor Anschlägen gegen die jeweiligen Mannschaften noch vor der Eröffnungsfeier gewarnt wurden, am Mittwoch als "keine konkrete Gefahr".
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) leitete das Schreiben an die Sicherheitsbehörden weiter. Derzeit prüft das Bundeskriminalamt den Hintergrund der Mail. Das ungarische NOK hielt sie zunächst für eine ernste Terror-Bedrohung, ruderte dann aber zurück. Andere Sport-Nationen werteten die dubiose Mail ohnehin als "Fake". Die allgemeine Nervosität zeigt aber, wie sensibel das olympische Umfeld inzwischen mit der Sicherheitsproblematik am Schwarzen Meer umgeht.
Mail wurde mit den russischen Organisatoren geprüft
"Wir haben, wie das ungarische NOK, auf die allgemeine DOSB-Adresse mehrmals dieselbe Mail mit unspezifischen allgemeinen Warnungen erhalten. Es scheint sich um eine Rundmail zu handeln", erklärte DOSB-Sprecher Christian Klaue am Mittwoch auf dpa-Anfrage. Man nehme alle Hinweise zu Sicherheitsfragen ernst und stünde dazu in engem Austausch mit den zuständigen deutschen Behörden.
Das NOK Ungarns (MOB) hatte eine Mail über Anschläge gegen Athleten öffentlich gemacht, seine Aussagen über eine ernsthafte Bedrohung aber kurz darauf relativiert. Die Drohbotschaft stelle keine Gefahr dar, sagte MOB-Geschäftsführer Zsigmond Nagy. Man habe die Mail zusammen mit den russischen Organisatoren der Winterspiele in Sotschi überprüft. Es handele sich um eine Person, die Nachrichten an viele "Mitglieder der olympischen Familie" verschickt habe.
Das NOK Österreichs (ÖOC) bewertete die Mail als nicht bedrohlich. "Das ist ein Fake-Mail von einem Absender aus Israel, der bereits seit einigen Jahren mit diversen Drohungen aktiv ist", versicherte ÖOC-Pressesprecher Wolfgang Eichler der Nachrichtenagentur APA. In diesem Fall handele es sich um einen Trittbrettfahrer, der dies schon öfter gemacht habe. Von Schweizer Seite hieß es, solche Mails kurz vor Winterspielen seien "normal". Das Nationale Olympische Komitees Italiens (Coni) erhielt ebenfalls ein Schreiben mit Terror-Drohungen, das von nationalen Sicherheitsexperten untersucht wird. Das Coni vertraue den "Sicherheitsmaßnahmen, die von den Organisatoren garantiert wurden".
IOC war um Beruhigung bemüht
Das IOC war sofort um Beruhigung bemüht. "Wir werden alle glaubwürdigen Informationen an die relevanten Sicherheitsstellen weiterleiten. In diesem Fall scheint es sich jedoch um eine willkürliche Mail einer Einzelperson zu handeln", teilte die Ringe-Organisation mit. Für die britische Olympic Association (BOA) war der Vorfall kaum der Rede wert. "Uns ist nichts von glaubwürdigen Bedrohungen gegen unsere Delegation bekannt", meinte BOA-Sprecher Darryl Seibel.
Die Spiele in dem Schwarzmeer-Kurort (7. bis 23. Februar) stehen nicht erst seit dem Anschlag vor drei Wochen in Wolgograd - etwa 640 Kilometer von Sotschi entfernt - vor einer besonderen Bedrohung. Islamisten hatten sich zu der Tat bekannt und riefen in einem im Internet veröffentlichten Drohvideo erneut zu Attentaten während der Sotschi-Spiele auf. Es gehe um "Rache" für den Tod von Muslimen in Afghanistan und anderen Ländern. Seit Tagen gehen russische Spezialeinheiten gegen Terrorverdächtige im Nordkaukasus vor, seit Samstag soll es dort mindestens acht Tote gegeben haben.
Mehr als 60 000 Uniformierte sollen Sotschi verteidigen. US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Wladimir Putin berieten über die Sicherheitslage. Obama habe der Regierung in Moskau Unterstützung bei den Anti-Terror-Vorbereitungen angeboten, teilte das US-Präsidialamt am Dienstag (Ortszeit) zu dem Telefonat der beiden Politiker mit. (dpa)