Leverkusen. Obwohl Bayer Leverkusen am Mittwochabend Schachtar Donezk in der Champions League deutlich mit 4:0 in die Schranken wies, ist das Verstummen der Phantomtor-Debatte nur von kurzer Dauer. Am Montag behandelt das DFB-Sportgericht den Fall. Stefan Kießling wird als Zeuge aussagen.

Über 45 Minuten warteten die Medienvertreter aus aller Welt in den Katakomben der BayArena, um mit Stefan Kießling zu sprechen. Doch der Matchwinner kam nicht. Offiziell hieß es, er habe Schmerzen am Fuß. Es ist nicht das erste Mal, dass Kießling für Schlagzeilen sorgt und auch nicht das erste Mal, dass er es bevorzugt, der Presse aus dem Weg zu gehen.

Bereits als Joachim Löw am zweiten Spieltag der laufenden Champions-League-Saison gegen San Sebastian im Leverkusener Stadion saß, wechselte Kießling kein Wort mit den Journalisten. Der 29-jährige Mittelstürmer hatte genug von den andauernden Fragen zu seinem Phantom-Dasein in der Nationalelf: „Kies“ macht zwar keinen Teil des DFB-Teams aus, ist aber bei jeder Länderspielreise das bestimmende Thema.

Nach seinem Phantomtor in Hoffenheim stand Kießling wieder mitten im Rampenlicht. Deutschland diskutiert seit letztem Freitag, ob er er ein fairer Sportsmann sei und ob er Schiedsrichter Brych getäuscht habe. Vergangenen Montag warteten Journalisten nach dem Bayer-Training erneut auf „Kies“, doch er blockte ab: Er habe beim vereinseigenen TV-Kanal Rede und Antwort gestanden, das reiche. Eine Unart in der Bundesliga, die langsam aber sicher zur Mode wird: Auch der FC Bayern setzt immer mehr auf die Verbreitung selbst gesteuerter Interviews, zuletzt mit Trainer Pep Guardiola und Mario Götze. In der von Pressestellen produzierten PR hat kritisches Fragen keinen Platz.

Bayer-Anhang steht hinter "Kies"

Der Sieg gegen Schachtjor Donezk war eine dieser Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Nach der Unruhe der vergangenen Tage köpfte sich ausgerechnet Kießling mit dem 1:0 nach 22 Minuten den Phantomtor-Frust von der Seele, schindete den Elfmeter zum 2:0 (50.), leitete mit einem gewonnen Luftduell das 3:0 durch Sam ein (57.) und markierte das 4:0 selbst, indem er bei Keeper Pyatovs Patzer goldrichtig stand und das Leder über die Linie spitzelte (72.). Der Anhang baute ihn mit Spruchbändern und Sprechchören auf, während des Spiels und danach. Beim Jubel zum 1:0 war ihm die Erleichterung anzusehen. „Was Stefan durchmachen musste, ist nicht schön, das ist auch nicht berechtigt“, sagte Torhüter Bernd Leno.

„Die ganze Diskussion der letzten Tage vergisst eine Mannschaft nicht so schnell“, meldete sich Sportdirektor Rudi Völler nach Abpfiff zu Wort. Er habe nach dem öffentlichen Druck der letzten Tage einen neuen Zusammenhalt seiner Mannschaft festgestellt. „Wir haben den Spielern in den vergangenen Tagen gesagt, dass sich eine große Mannschaft zeigt, wenn man mal ein bisschen Gegenwind bekommt.“ Vor allem Kießling habe beherzigt, „dass man dann mal Flagge zeigen muss“.

Man könnte meinen, nach dem 4:0 könne endlich Ruhe einkehren bei Bayer, doch bereits am kommenden Montag wird die Phantomtor-Debatte erneut aufgewärmt. Dann nämlich ist das Skandal-Spiel von Sinsheim Thema beim DFB-Sportgericht. „Was da entschieden wird, werden wir anstandslos akzeptieren“, sagte Völler. „Das ist selbstverständlich, obwohl ich weiterhin felsenfest der Meinung bin, die fairere Variante wäre, die Restzeit runterzuspielen, weil wir 1:0 geführt haben.“ Sowohl Rudi Völler als auch Vereinssprecher betonten, Leverkusen werde ohne Anwalt nach Frankfurt reisen, dafür mit Stefan Kießling, der als Zeuge eine Aussage tätigen wird.