Moskau. . Halbleere Ränge selbst beim 100-m-Finale mit Superstar Usain Bolt: Die Athleten sind genervt von der Stimmung im Luschniki-Stadion, die Kritik an den Organisatoren der Leichtathletik-WM in Moskau wächst. Diese suchen nach Gründen für das Ausbleiben der Zuschauer.

Halbleere Ränge, gelangweilte Zuschauer, mürrische Athleten: Die Leichtathletik-WM in Moskau ist gerade einmal drei Tage alt, da hat die Stimmung beim weltgrößten Sportereignis des Jahres bereits ihren Tiefpunkt erreicht. Selbst Superstar und Sprint-Clown Usain Bolt führte bei seinem Spurt zur Goldmedaille über 100 m keine Wende im Luschniki-Stadion herbei und wunderte sich später: "Als ich mich aufgewärmt habe, hat niemand gelacht. Alle waren viel zu ernst."

Zehnkämpfer sind enttäuscht von der Stimmung in Moskau

Das Desinteresse der Russen an den Titelkämpfen steckt auch die Sportler an, besonders die drei deutschen Zehnkämpfer schimpften nach ihrem Wettkampf über die Atmosphäre im Olympiastadion von 1980. "Bis zum Hochsprung dachte ich, das wäre eine Trainingseinheit. Da waren vielleicht 20 Leute, und es wurde kaum geklatscht", bemängelte Vize-Weltmeister Michael Schrader im Interview mit sportschau.de.

Sein WG-Kollege Rico Freimuth, dessen Vater Uwe 1983 WM-Vierter im Zehnkampf war, während sein Onkel Jörg 1980 in Moskau Hochsprung-Bronze gewann, drückte es drastischer aus: "Das scheint denen hier am Arsch vorbeizugehen. Wenn bei einem Fußball-Zweitligaspiel 5000 Leute kommen und bei einer Leichtathletik-WM sind es nur 1000, müsste man sich etwas einfallen lassen. Das ist einfach nur bitter und schade."

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Auch Europameister Pascal Behrenbruch hatte es so richtig die Laune verhagelt. "Die Stimmung ist scheiße. Man schläft ja ein", sagte er: "Wir haben schon im Kreis der Zehnkampf-Kollegen diskutiert. Es kann nicht sein, dass eine WM in ein Land vergeben wird, das nicht hinter der Leichtathletik steht. Vielleicht muss man öfter dasselbe Land auswählen. Schweden zum Beispiel, auch Berlin war gut."

Temperaturen schuld am Zuschauer-Mangel?

Dabei sollte die Weltmeisterschaft - 33 Jahre nach den Boykott-Spielen von Moskau - der glanzvolle Auftakt zu einer neuen Ära der Großveranstaltungen in Russland sein. Im kommenden Jahr finden in Sotschi die Olympischen Winterspiele statt, 2018 ist Russland Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft.

Nun sind Organisatoren und Ausrichter auf der Suche nach den Gründen für das Ausbleiben der Zuschauer, immerhin seien doch im Vorfeld 80 Prozent der Karten verkauft worden. "Vielleicht haben einige Leute Tickets gekauft und sind nicht gekommen", sagte Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka. Der Vize-Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF vermutet, dass die Moskauer bei Temperaturen von über 30 Grad lieber aufs Land gefahren sind.

Nur die Hälfte der Tickets im freien Verkauf

"Ich hoffe, wir kriegen das noch in den Griff, denn für die Athleten ist die Stimmung das Wichtigste", sagte Bubka. IAAF-Präsident Lamine Diack hatte die Organisatoren bereits im April dafür kritisiert, zu wenig Werbung für den Saisonhöhepunkt gemacht zu haben.

Nach SID-Informationen sind nur knapp die Hälfte der Tickets in den freien Verkauf gegangen, der Rest ging an Sponsoren, die ihre Karten bereits bei früheren Leichtathletik-Veranstaltungen vor allem bei den Qualifikationen am Vormittag nicht losgeworden sind. Die BBC berichtete, dass eine Woche vor dem WM-Start 240.000 Karten verschenkt worden waren, um die Tribünen zu füllen. (sid)