Washington. Der frühere Radprofi Lance Armstrong soll nach Angaben der US-Dopingfahnder bei seinem Doping-Geständnis Hintergründe verschleiert und weitere Lügen aufgetischt haben. Der Chef der staatlichen Anti-Doping-Agentur Usada, Travis Tygart, droht Armstrong deshalb mit rechtlichen Konsequenzen.
Doping-Sünder Lance Armstrong hat in seiner inszenierten Fernseh-Beichte bei Oprah Winfrey nach Angaben der US-Dopingfahnder weitere Lügen aufgetischt und die Hintergründe über seinen jahrelangen Missbrauch mit verbotenen leistungssteigernden Methoden verschleiert.
Das sagte Travis Tygart, Chef der staatlichen Anti-Doping-Agentur Usada, am Sonntagabend in der renommierten Fernsehsendung „60 Minutes“ auf CBS. Danach habe der ehemalige Radsport-Star die Unwahrheit gesagt, als er einräumte, bis 2005 gedopt zu haben, bei seinen Tour de France-Teilnahmen 2009 und 2010 indes sauber gewesen zu sein.
Armstrongs Aussagen seien "schlicht unwahr"
„Die Bluttests belegen ganz klar das Gegenteil.“ Tygart erklärte die „Lüge“ mit rechtlichen Konsequenzen. Zu gestehen, dass er bei seinen sieben Tour de France-Siegen bis 2005 gedopt gewesen sei, schade Armstrong heute nicht mehr wirklich, weil Verstöße gegen die Dopingregeln nach fünf Jahren verjähren. Sollte die Staatsanwaltschaft die „klar belegten“ Dopingsünden von 2009 und 2010 aufgreifen, laufe der Ex-Profi indes in einen sanktionsfähigen Betrugsverdacht.
Usada-Chef Tygart bezeichnete Armstrongs Aussagen, wonach Doping Ende der 90er Jahre im Profi-Radsport so normal und üblich gewesen sei „wie Luft im Reifen oder Wasser in unseren Flaschen“ als „schlicht unwahr“. Nur Armstrong habe es durch seinen immensen Einfluss („er war der Boss“) und seine Insider-Informationen bewerkstelligen können, Doping-Tests regelmäßig unbeschadet zu überstehen.
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Armstrongs Spende für den Anti-Doping-Kampf "völlig unangebracht"
Dem Radsport-Weltverband UCI weist Tygart zentrale Mitschuld zu. So habe der Verband 2001 ein Treffen zwischen Armstrong, dessen Teamchef Johann Bruyneel und dem Schweizer Laborarzt Marcia Saugy arrangiert, der zuvor verdächtige Blutwerte bei Armstrong ausgemacht hatte. Laut Tygart hat Saugy dem Radfahrer „die Schlüssel in die Hand gegeben, um Epo-Tests zu unterlaufen“.
Dass Armstrong der UCI seinerzeit 100.000 Dollar für den Anti-Doping-Kampf gespendet hat, hält der Dopingfahnder für „völlig unangebracht“. Im Interview mit Oprah bestritt Armstrong vehement, auch der Usada eine Finanzspritze angeboten zu haben. Tygart konterte bei „60 Minutes“: „Das ist nicht wahr. Ich selber habe von einem engen Vertrauten Armstrong das entsprechende Angebot bekommen.“
Kritiker wurden von Armstrong eingeschüchtert
Haltlos seien ebenfalls Aussagen Armstrongs, er habe niemals Team-Kollegen oder Betreuer und Kritiker eingeschüchtert und bedroht, wenn sein Doping-System unter Beschuss geriet. So habe die Frau des ehemaligen Rennstall-Kollegen Levi Leipheimer nach dessen Aussage unter Eid gegen Armstrong eine Text-Mitteilung aufs Handy bekommen.
Inhalt sinngemäß: „Zieh dich warm an!“ Tygart selbst hat das FBI eingeschaltet,, nachdem er via E-Mail und Post anonyme Drohungen erhalten hat, wonach man ihm „eine Kugel in den Kopf schießen" werde. Die Usada hat Armstrong eine Frist bis zum 6. Februar gesetzt, um unter Eid alle Hintermänner und Ermöglicher des jahrelangen Doping-Regimes zu enttarnen.
Nur dann könne der 41-Jährige mit einer Reduzierung der gegen ihn verhängten lebenslangen Sperre für Sportveranstaltungen unter dem Dach der Olympischen Charta rechnen. Über einen Anwalt ließ Armstrong mitteilen, dass er die Usada nicht als Instanz anerkennt und allenfalls mit dem Radsport-Weltverband kooperieren werde. Jene Behörde, die unter dem hartnäckigen Verdacht steht, den Doping-Missbrauch des Ex-Profis an höchster Stelle jahrelang gedeckt zu haben.