Essen. Deutschlands ehemalige Tennis-Weltstar Boris Becker kritisiert Philipp Kohlschreiber hart und stärkt gleichzeitig Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen den Rücken. Becker über Kohlschreiber: „Irgendwann ist das Fass voll.“
Der 44 Jahre alte Becker sagte der Bild am Sonntag, Kohlschreibers Rauswurf aus dem Team für das Relegationsspiel im Hamburg gegen Australien (14. bis 16. September) sei „letztlich die Rechnung, die Philipp bezahlen muss für sein Nichterscheinen in Bamberg, sein Nichterscheinen bei Olympia und seine Aussagen, die er zuletzt getätigt hat. Irgendwann ist das Fass voll.“
Gleichzeitig wünschte sich die deutsche Tennis-Legende, dass die deutsche Nummer eins sich „in einer stillen Minute mal Gedanken macht, ob das alles so richtig war, weil wir nicht gerade mit Weltklassespielern gesegnet sind. Er ist wieder einer, spielt ein fantastisches Jahr. Er würde der Daviscup-Mannschaft guttun.“
Kühnen hätte zwar zu spät das Gespräch mit Kohlschreiber gesucht, aber „das ist der einzige Kritikpunkt, den man haben könnte. Trotzdem: Diese Entscheidung stärkt ihn eher. Patrik ist 100-prozentig der richtige Mann. Er wird von den Entscheidungsträgern im DTB in keiner Weise infrage gestellt“, sagte Becker.
Kohlschreibers Verzicht auf die Olympia-Teilnahme „ist sicher kein gutes Vorbild für die jungen Spieler. Die sagen dann: Wenn unser Klassenbester das macht, dann können wir uns das auch erlauben. Das ist das Problem“, sagte Becker, der 1992 mit seinem Erzrivalen Michael Stich in Barcelona Gold im Doppel gewonnen hatte.
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Becker glaubt, Kohlschreiber „interpretiert seine Rolle anders, als er sollte. Er soll über 45 Wochen Unternehmer sein, aber es gibt ein paar Wochen im Jahr, in denen man über den Tellerrand hinausschauen muss. Wo man sich fragen muss: Wo komme ich her? Wem habe ich etwas zu verdanken? Ist es gut für mein Image?“, sagte Becker: „Wenn ich gut für Deutschland spiele, bekomme ich auch Sponsoren, kann mir dann das eine oder andere Turnier schenken. Ich weiß nicht, ob er optimal beraten ist. Ich rede vom großen Bild, das sieht er anscheinend nicht wirklich. Ich hoffe, dass der Philipp ein bisschen erwachsener wird und dann das Ganze etwas besser versteht.“
Chancen auf den vierten deutschen Triumph im Davis Cup sieht Becker, der 1988 und 1989 die hässlichste Salatschüssel der Welt gewonnen hatte, derzeit nicht: „Klar ist doch: Mit der heutigen Einstellung, mit den heutigen Spielern werden wir den Daviscup nicht gewinnen. Dann lieber absteigen und mit hungrigen Spielern nach zwei, drei Jahren wieder aufsteigen.“ (sid)