London. Nicht nur Usain Bolt und Michael Phelps haben in London Geschichte geschrieben. Wir haben zehn weitere Momente zusammengestellt, welche die olympischen Spiele ausgemacht haben: Zum Beispiel der Brite Mo Farah, der mit seiner Familie feierte oder Timo Boll mit einer fairen Geste.
In den Jahres-Rückblicken auf Olympia wird es die Bilder von Sprint-König Usain Bolt aus Jamaika geben. Dazu das Lächeln von Michael Phelps. Der US-Amerikaner ist nach den Spielen von London der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten. Und das zerrissene Trikot des Berliner Diskuswerfers Robert Harting, der nun Europameister, Weltmeister und Olympiasieger ist. Aber es gab viele andere Momente, die Olympia ausmachen. Die Reihenfolge ist zufällig, aber es wäre schade, wenn auch nur einer von ihnen in der Erinnerung verloren ginge.
1. Timo Boll ohne Medaille - aber mit viel Fairness
Timo Boll, die frühere Nummer eins der Tischtennis-Weltrangliste, hat es mit dem Rumänen Adrian Crisan zu tun. Crisan liegt dem Düsseldorfer einfach nicht, er ist sein Angstgegner. Der Rumäne drischt eine Vorhand übers Netz, der Ball streift in einem wahnsinnigen Tempo die Kante des Tischs. Der Schiedsrichter hat die Berührung nicht gesehen, er entscheidet: Punkt für Boll. Boll hält inne, hebt den Schläger, geht zum Schiedsrichter und sagt: „Der Ball war gut.“ Der Schiedsrichter nickt, bedankt sich und korrigiert die Entscheidung. Boll verliert das Match gegen Crisan 1:4 und scheidet aus. In Wirklichkeit ist er ein Sieger.
2. Felix Sanchez: "Regen wie Freudentränen" der verstorbenen Großmutter
Felix Sanchez gewinnt die Goldmedaille über 400 Meter Hürden. Hinter dem Ziel lässt sich der Mann aus der Dominikanischen Republik zu Boden fallen. Er zieht unter der Startnummer ein Foto seiner Großmutter hervor, legt es auf die Bahn und küsst es. Seine Großmutter ist vor vier Jahren gestorben, als Sanchez im Vorlauf von Peking am Start stand. Bei der Siegerehrung in London regnet es. Sanchez schluchzt, er denkt an seine Oma, die ihn großgezogen hat. Später sagt er: „Der Regen hat sich angefühlt, als würde meine Großmutter Freudentränen weinen.“
3. Bronze-Gewinner Dong Hyun ist kein blinder Bogenschütze
Beim Bogenschießen steht der Südkoreaner Im Dong Hyun nach dem Gewinn der Bronze-Medaille mit der Mannschaft am Rande der Schießanlage. Angeblich hat er nur noch zehn Prozent Sehkraft. In den Zeitungsberichten über ihn heißt es: Der blinde Bogenschütze. Der 26-Jährige will schon lange nichts mehr davon hören. Er sehe zwar nicht gut, sagt er, aber alles sei völlig übertrieben. Er habe einen Führerschein, ein Auto, fahre das Auto selbst, er fahre ohne Brille, und einen Unfall habe er auch noch nie gehabt. Wieder ist ein Gerücht aus der Welt.
4. Tochter von Dreispringer George Avery verstreut Asche in Gedenken an ihren Vater
George Avery hat bei den Olympischen Spielen 1948 in London die Silbermedaille im Dreisprung gewonnen. Er wollte unbedingt zu den Spielen 2012 nach London, und sich den Dreisprung ansehen. Doch der Australier starb 2006. Seine Tochter Robyn Glynn bewahrte die Urne mit der Asche ihres Vaters auf, flog nach London, ging am Tag des Dreisprungs ins Olympiastadion und überließ die Asche dort dem Wind. „So war er doch noch dabei“, sagt sie.
5. Manteo Mitchell führt amerikanische Staffel trotz Wadenbeinbruch ins Finale
Manteo Mitchell ist ein 400-m-Läufer aus den USA. Er startet im Vorlauf der Staffel, als er nach 200 Metern einen stechenden Schmerz im linken Bein spürte. „Ich wusste, dass es nichts Gutes war“, meint er später. Aber er zieht durch. „Ich kann die anderen Jungs doch nicht hängen lassen": Die Staffel kommt ins Finale, Mitchell ins Krankenhaus. Es stellt sich heraus: Er hat sich unter der Belastung das linke Wadenbein gebrochen und ist 200 Meter mit einem gebrochenen Bein gelaufen.
6. Hürdensprinter Liu Xiang erleidet wie in Peking Achillessehnenriss
Liu Xiang ist eine der dramatischsten Figuren der Sommerspiele. Der chinesische Hürdensprinter trat bei Olympia vor vier Jahren in Peking als der große Goldfavorit seiner Heimat an. Ganz China schaute auf ihn. Dann riss ihm beim ersten Vorlauf-Start die Achillessehne. In London ist Liu Xiang endlich wieder in alter Form zurück. Beim ersten Vorlauf tritt er in die erste Hürde: Wieder reißt die Achillessehne. Der Chinese hopst auf einem Bein ins Ziel. Er hat Tränen der Verzweiflung und der Schmerzen in den Augen.
7. Die Olympiasieger und Medaillengewinner mit Dopingvergangenheit
Eine dunkle Seite der Spiele. Es gibt in London Olympiasieger und Medaillengewinner, die nach einer Dopingsperre in den Spitzensport zurückgekehrt sind und fast noch besser auftreten als vor ihrem Betrug. Beispiele: Die russische Hammerwerferin Tatjana Lysenko, Gewichtheberin Swetlana Podobedova (Kasachstan), Schwimmer Oussama Melloudi (Tunesien) und Radprofi Alexander Winokurow (Kasachstan) gewinnen Gold. US-Sprinter Justin Gatlin, der bereits zweimal des Dopings überführt worden ist, holt Bronze über 100 Meter und Silber mit der Staffel.
8. Mo Farah jubelte mit seiner Familie: "Beste Moment in meinem Leben"
Mo Farah hat für die Briten Gold über 5000 und 10000 Meter gewonnen. Am schönsten findet er aber nicht seine Siege, sondern den Moment, in dem plötzlich seine siebenjährige Tochter Rihanna und seine schwangere Frau Tanja neben ihm auf der Laufbahn stehen. „Das war der beste Moment in meinem Leben“, sagt der Mann, der im Alter von acht Jahren aus dem Sudan nach England kam.
9. Judoka Tuvshinbayar Naidan mit Kreuzbandriss ins Finale
Tuvshinbayar Naidan aus der Mongolei, der in Peking 2008 Gold im Judo gewann, reißt sich in London bei seinem Sieg im Halbfinale das Kreuzband. Sein Trainer muss ihn von der Matte tragen. Naidan besteht darauf, zum Finale anzutreten, er verliert chancenlos. Das letzte Bild, das man von ihm sieht: Er wird im Rollstuhl aus der Arena zum Krankenwagen gefahren.
10. Ein freiwilliger Helfer sorgt in London für eiskaltes Bier
Der beste von zehntausenden freiwilligen Helfern heißt James. Er regelt den Busverkehr im Olympiapark. Niemand will für die zwei Kilometer in den Doppeldecker-Bussen nach oben, alle drängen sich unten. James verspricht: „Wenn wir die obere Etage voll bekommen, öffnen wir die Bar.“ Leere Versprechungen, aber murrend verziehen sich 50 Leute nach oben. Eine Minute später erscheint James. In der Hand: Zwei Paletten mit eiskalten Bierdosen. Danke!