Kiew. Eine Europameisterschaft mit Austragungsorten auf dem ganzen Kontinent: Uefa-Präsident Michel Platini kann sich durchaus vorstellen, diese Idee für das Turnier in 2020 zu realisieren. Im Dezember wird der Vorschlag diskutiert. Auch sprach sich Platini gegen die Torlinientechnologie aus.
Uefa-Präsident Michel Platini hat mit einer ebenso revolutionären wie fragwürdigen Idee die Fußball-Welt überrascht. Der Europameister von 1984 stellte einen Tag vor dem EM-Finale zwischen Spanien und Italien den Vorschlag zur Diskussion, die EM 2020 in mehreren europäischen Ländern auszutragen. „Es ist nur eine Idee, aber sie begeistert mich. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir die EM in einem Land mit zwölf Städten oder über ganz Europa verteilt austragen“, sagte der Franzose am Samstag auf einer Pressekonferenz in Kiew, wo auch das Uefa-Exekutivkomitee tagte. Eine Entscheidung über diesen Vorschlag könnte laut Platini im Dezember oder Januar fallen.
Unterdessen hat Platini den EM-Gastgebern Polen und der Ukraine („Sie haben ein fantastisches Turnier organisiert.“) ein gutes Zeugnis ausgestellt und sich erneut vehement gegen die von Fifa-Präsident Joseph Blatter favorisierte Torlinientechnologie ausgesprochen. Das Uefa-Modell mit fünf Schiedsrichtern habe sich in den zurückliegenden drei Jahren bewährt, sagte Platini mit Blick auf die Entscheidung am 5. Juli. Vier Vertreter des Weltverbandes Fifa und Abgesandte des International Football Association Board (IFAB) mit seinen Mitgliedern aus England, Schottland, Wales und Nordirland wollen in Zürich über die Einführung des elektronischen Auges entscheiden.
Finanzielle Zugeständnisse an die Kleinen
In Kiew hat die Uefa Entscheidungen getroffen, und dabei machte das Gremium finanzielle Zugeständnisse an die sogenannten Kleinen im europäischen Fußball. Die Summe von 100 Millionen Euro für die Abstellung von Spielern wird bei dieser EM nicht ausschließlich an Klubs verteilt, deren Akteure bei der EM im Einsatz sind. So fließen 40 Millionen Euro vom großen Kuchen an die Klubs, die bereits in der Qualifikationsphase Spieler abgestellt hatten. Dies habe den Vorteil, dass gut 580 Vereine partizipieren. Die großen Klubs dürften es verschmerzen. Vor vier Jahren hatte die Uefa 55 Millionen Euro für die Abstellung von Spielern bei der EM ausgeschüttet.
Auch die Entscheidung, die Europa League finanziell aufzuwerten, dürfte insbesondere Vereine aus kleineren Verbänden zu Gute kommen. So wandern 40 Millionen Euro aus der Königsklasse in den Topf des unattraktiveren Uefa-Klubwettbewerbs. Die Uefa plant für den Zeitraum von 2012 bis 2015 mit einer Steigerung der Einnahmen von 22 Prozent für die Champions League auf 1,34 Milliarden Euro pro Jahr und 12 Prozent bei der Europa League auf 225 Millionen Euro.
Ferner wurde entschieden, dass das europäische Super-Cup-Finale 2014 in Cardiff/Wales und 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis stattfinden wird. Zuletzt hatte das Duell zwischen dem Champions-League- und Europa-League-Sieger regelmäßig in Monaco stattgefunden. Für 2013 war das Prestigeduell bereits nach Prag vergeben worden.
Platini begründet Vorstoß mit ausufernden Kosten
Für den größten Gesprächsstoff sorgte in Kiew jedoch Platinis Idee, die EM 2020 womöglich über Europa verteilt auszutragen. Der frühere Ausnahmefußballer begründete seinen Vorstoß damit, dass so die finanziellen Kosten in den gastgebenden Ländern gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht ausufern. Gastgebende Länder müssten oftmals große Anstrengungen beim Bau von Stadien, Flughäfen und der Infrastruktur in den Austragungsorten unternehmen. Als Beispiel dürfte ihm da die Ukraine dienen. Die Kosten für die EM-Austragung sollen Schätzungen zufolge auf 12 bis 14 Milliarden Euro angestiegen sein.
Die Idee Platinis dürfte insbesondere in der Türkei wenig begeistert aufgenommen worden sein, gilt das Land doch als aussichtsreichster Kandidat auf die Austragung. Neben der Türkei, die im Rennen um die Austragung für 2016 mit 6:7 Stimmen denkbar knapp an Frankreich gescheitert war, haben Irland, Schottland und Wales mit einer möglichen gemeinsamen Bewerbung sowie Georgien und Aserbaidschan als Co-Gastgeber ihr Interesse signalisiert.
2016 wird die EM in Frankreich ausgetragen, dann erstmals mit 24 Mannschaften. Dass die Qualität des zweitwichtigsten Fußball-Großturniers dadurch sinkt, glaubt Platini nicht. „Wir werden noch acht gute Mannschaften finden. Ich mag dieses Format. Als Spieler habe ich an drei Weltmeisterschaften mit 24 Mannschaften teilgenommen.“ (dapd)