Danzig/Essen. . Wie viel Grieche steckt in den deutschen Fußball-Nationalspielern? Vor dem Viertelfinale unterziehen wir die Spieler im Team von Joachim Löw einem Formcheck der etwas anderen Art - und stellen nicht nur fest, dass Manuel Neuer “Koloss von Rhodos“ genannt wird.

Der Bundestrainer hat alles verraten. Er höre, gestand Joachim Löw, so gerne die Schlager von Udo Jürgens. Schlimmer noch: Nach Informationen dieser Zeitung wurde auf seinen MP3-Player nur ein einziger Song aufgespielt – seit vier Tagen dudelt fortlaufend „Griechischer Wein“. Doch nicht nur Löw ist bereit für das Viertelfinale (Freitag, 20.45 Uhr, live im DerWesten-Ticker) gegen den krassen Außenseiter. In der gesamten deutschen Mannschaft steckt viel griechisches Potenzial. Wir haben die versteckten Verbindungen ausgegraben – wie Heinrich Schliemann einst Troja.

Ein etwas anderer Formcheck.

Manuel Neuer: Wird in der Mannschaft aufgrund seiner mächtigen Statur schon der „Koloss von Rhodos“ genannt. Bewacht das deutsche Tor so bissig wie Zerberus den Eingang zur Unterwelt. Der Höllenhund war dreiköpfig, Neuer würden drei Hände besser gefallen.

Jerome Boateng: Hat seine Begegnung mit einer sagenhaft-blonden Dame augenscheinlich gut, nun ja, weggesteckt. Wurde daraufhin zu Jogis Griechen, stand in einer „Bringschuld“. Nach zwei guten Auftritten im Plus. Konnte sich zuletzt dank Gelbsperre schon intensiv mit der griechischen Geschichte auseinandersetzen. Freut sich jetzt auf die Venus von Milo. Und trägt abseits des Rasens die Brille von Nana Mouskouri auf. Top-vorbereitet.

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Mats Hummels: Ein Bild von einem Mann. Ein echter Kerl, wie aus griechischem Marmor gehauen. Nach Informationen dieser Zeitung schuf der Künstler Phidias nach seinem Abbild die Zeus-Statue von Olympia. Hummels dementiert energisch. Er sei zu diesem Zeitpunkt schon Nationalspieler gewesen; und ergo nicht abkömmlich. Könnte stimmen. Spielt so, als wäre er nie woanders gewesen.

Holger Badstuber: Kann auch nicht das Vorbild der Zeus-Staue sein. Ist wohl noch „einen Tick“ (Löw) länger Nationalspieler als Kompagnon Hummels. Spielt so überzeugend, dass man sich fragt: Wer war eigentlich vor ihm Innenverteidiger der DFB-Elf? Vermutlich ein alter Grieche. Oder...

Per Mertesacker: Stimmt, Mertesacker war’s. Hatte sich zuletzt das Stellungsspiel von der Zeusstatue abgeschaut; darf seitdem Getränke und Handtücher reichen. Soll in der Hüfte bald wieder so beweglich sein wie Costa Cordalis beim Skifahren. Wäre ein Fortschritt. Sollte aber deshalb nicht anfangen zu singen.

Phillip Lahm: Kapitän, Führungsspieler – und überzeugter Demokrat. Fand deshalb auch klare Worte zur Ukraine und dem dortigem Regime. Beugte sich anschließend der demokratischen Mehrheitsentscheidung eines einzelnen Herrn namens Löw, wieder links statt rechts zu verteidigen. Schwört auf flache Hierarchien. Hat wohl die Demokratie erfunden. Vielleicht ist Lahm doch ein Grieche.

Sami Khedira: Spielt mit erstaunlicher Wucht und Präsenz, wirkt manchmal derart entschlossen, als könne er die Akropolis im Alleingang einreißen. Ist beim taktisch so wichtigen Dreieck-Bilden gern die Spitze. Hat er bei Pythagoras gelernt. Oder Euklid. Weiß zumindest, wie groß die Abstände zwischen den Dreiecks-Spitzen sein müssen.

Bastian Schweinsteiger: Genießt bei Jogi Löw högschde Bonität. Ist der Triple-A-Spieler der DFB-Elf. Und die nationale Ratingagentur LöwandFlick drückt auch mal die Augen zu, wenn er nicht sofort zurückzahlt. Gilt als unbegrenzt kreditwürdig. Gegen die Griechen also klar im Vorteil.

Thomas Müller: Tanzte bei der WM 2010 noch mit seinen Gegnern so lange Sirtaki, bis alle vor Schwindel umfielen. Wird Zeit, dass er jetzt mal wieder die Bouzouki rausholt. Noch etwas aus dem Takt. Ein Ouzo könnte helfen.

Mesut Özil: Zwei Ouzo wären gut. Trinkt aber nix. Gilt mit seinen ansatzlosen Pässen in die Schnittstellen (Achtung: Achillesferse!) als der Erfinder des Archimedischen Punktes: „Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben.“ Hat bei der EM leider den Punkt noch nicht gefunden.

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Lukas Podolski: Der Philosoph des Teams, der Mann für die tieferen Einsichten („Doppelpass alleine? Vergiss es!“) – mit universellem Erfolgsgeheimnis: „Ich denke nicht vorm Tor. Das mach’ ich nie!“ Damit würdiger Nachfolger von Sokrates, dessen Weg zur Erkenntnis von der Entlarvung des Scheinwissens über das bewusste Nichtwissen hin zur Weisheit führt. Kurzum: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Ein echter Poldi-Satz.

Mario Gomez: Mitunter so beweglich wie die Zeus. . ., ach lassen wir das. Zahlt dafür das Vertrauen des Bundestrainers in barer Münze zurück. Seine Währung heißt Tore. Schoss die DFB-Elf mit drei Treffern in Richtung EM-Viertelfinale. Deutschland steht deshalb tief in seiner Euro-Schuld; so tief wie die Griechen in. . . – ach, lassen wir das.

Lars Bender: Alle dachten, dieser Herr Bender sei Mittelfeldspieler, wurde dann von Jogi Löw gegen Dänemark als Abwehrspieler verkleidet, um im entscheidenden Moment als Stürmer das Siegtor zu erzielen. Ist das Trojanische Pferd der Deutschen. Kleines Problem: Der Grieche kennt die Geschichte.

Miroslav Klose: Hat eine echte Odyssee hinter sich, aus dem oberschlesischen Opole, über die SG Blaubach-Diedelkopf und den FC Bayern bis nach Rom. Ist jetzt wieder in Polen. Darf aber plötzlich nicht spielen. Heult aber nicht rum wie die Sirenen. Wird die Deutschen noch betören mit seinen Toren. Ganz sicher.

Toni Kroos: Wenn Jogi Löw der Gott Zeus ist, woran natürlich niemand zweifelt, dann muss Toni Kroos „Europa“ sein; die Geliebte, als der geliebte Sohn, den der Bundestrainer Zeus zwar nicht in einen Stier, aber dafür in einen Zwischenspieler verwandelt hat.

Andre Schürrle: Als Linksaußen so gefährlich wie sein griechischer Gegenüber Alexis Tzipras. Doch das griechische Volk denkt wie Jogi Löw: Schürrle und Tzipras sind nur zweite Wahl. Es regiert die konservative Variante: hier Lukas Podolski, da Antonis Samaras. Aber Achtung: die Linksaußen sollte keiner abschreiben.

Mario Götze, Marco Reus, Benedikt Höwedes, Ilkay Gündogan, Marcel Schmelzer, Tim Wiese, Ron-Robert Zieler: Hatten bei der EM bisher genügend Zeit, um Altgriechisch zu lernen. Zählen im Mannschaftshotel vermutlich die griechischen Inseln durch. Dürften jetzt damit fertig sein. Sind Jogis Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies. Ein Stammplatz wäre ihnen lieber.