Hat Bundestrainer Löw bei der EM 2012 der Mut verlassen?

Joachim Löw geht auf Nummer sicher und setzt bisher bedingungslos auf die Elf seines Vertrauens. Sechs der 20 Feldspieler kamen bei der EM noch keine Minute zum Einsatz, unter ihnen Marco Reus und Mario Götze. Scheu vor dem Risiko oder Mut, eine konsequente Linie durchzuhalten. Ein Kommentar.

Eine siegreiche Mannschaft zu ändern, selbst wenn sie nicht voll überzeugt hat, gilt als riskant – zumal in einer Branche, in der Aberglauben und Binsenwahrheiten Hochkonjunktur haben. Stichwort: „Never change a winning team.“ Weil aber auch die erfolgreichste Elf irgendwann verliert, ist es natürlich hilfreich, zu erkennen, wann der Zeitpunkt für einen Wechsel gekommen ist. Für Trainer eine heikle Aufgabe.

Einzige Änderung nach Boatengs Gelb-Sperre

Auf die EM-Auftritte der deutschen Elf bezogen, ließe sich fragen: Ist Joachim Löw mutlos geworden, weil er gegenüber der Startelf aus dem Portugal-Spiel bisher nur eine einzige – durch die Gelb-Sperre von Jerome Boateng erzwungene – Änderung vorgenommen hat? Zur Erinnerung: Bei der EM 2010 hatte der Bundestrainer u.a. einen fußballerischen Grünschnabel wie Thomas Müller ins kalte Wasser geworfen. Mit durchschlagendem Erfolg.

Deutschlands Zittersieg

Noch drei Siege bis zum vierten Titel: Dank "Aushilfe" Lars Bender hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an einem nervenaufreibenden Abend das EM-Viertelfinale erreicht und steht nun vor einem politisch brisanten Duell mit Griechenland. Gegen spielerisch limitierte, aber enorm zähe Dänen gewann der Vize-Europameister sein Vorrundenfinale in Lwiw mühsam 2:1 (1:1) - und der Leverkusener Bender beendete mit dem entscheidenden Treffer (80.) Minuten des Zitterns. © Getty Images

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In den drei Vorrundenspielen dieser EM bekamen sechs der 20 nominierten Feldspieler noch keine einzige Einsatzminute – eine rekordverdächtige Zwischenbilanz. Dabei könnten sich die Millionen Bundestrainer in den Fernseh-Sessel auch gut einen Marco Reus oder Mario Götze in der deutschen Elf vorstellen.

Der Trainer muss sich am Endergebnis messen lassen

Die Personalpolitik eines Trainers in Frage zu stellen, ist eine (legitime) Sache. Eine andere, einem Coach, der sich großen Kredit erworben hat, zu vertrauen, dass er die richtigen Schlüsse zieht. So oder so muss sich Joachim Löw am Endergebnis messen lassen. Steht unterm Strich der Titel, wird der Bundestrainer Lob für seinen Mut ernten, an der Mannschaft seines Vertrauens festgehalten zu haben. Andernfalls: siehe oben. So einfach ist das.

Nebenbei: Die Frage, ob die deutsche Mannschaft das Zeug hat, Europameister zu werden, ist leicht mit einer Gegenfrage zu beantworten: Hat jemand schon eine bessere gesehen?