Breslau. Es ist ein kräftiges Ausrufezeichen, dass die Russen gegen Tschechien gesetzt haben: Das 4:1 gegen schwache Tschechen untermauert den Status als Mitfavorit.
„Bolschoi“ in Breslau: Leichtfüßig wie die legendären Ballett-Tänzer hat die russische Nationalmannschaft ihren ersten EM-Gegner Tschechien schwindelig gespielt. Die Wirbelwinde der Sbornaja ließen selbst dem Weltklasse-Torhüter Petr Cech beim 4:1 (2:0) keine Chance. Russland setzte sich mit seiner Gala an die Spitze der Gruppe A, Polen und Griechenland hatten sich zuvor im Eröffnungsspiel 1:1 (1:0) getrennt. Für die Tschechen war es eine Lehrstunde: Nie zuvor hatten sie in einem EM-Spiel vier Tore kassiert.
Ein paar Minuten lang warteten die Russen im Stadion von Breslau ab. Die 15.000 lautstarken tschechischen Anhänger waren bester Dinge. Doch dann legte sich die Mannschaft des niederländischen Trainers Dick Advocaat (64), der nach der EM den niederländischen Erstligisten PSV Eindhoven übernimmt, ihren Gegner zurecht. Erst traf Alan Dsagojew vor 40.803 Zuschauern gegen heillos verwirrte Tschechen (15.), dann legte Roman Schirokow nach (24.). Das 1:2 (52.) durch den künftigen Wolfsburger Vaclav Pilar war nur ein kleiner Schönheitsfehler: Nach vielen vergebenen Chancen trafen erneut Dsagojew (79.) und der eingewechselte Roman Pawljutschenko (82.).
Tschechien dominierte zunächst
Dabei hatten die Tschechen zunächst wacher gewirkt und das Spiel in den ersten Minuten bestimmt; vor dem Tor von Wjatscheslaw Malafejew blieb es aber ruhig. Dessen Vorderleute lauerten erst einmal vergeblich auf Konter, machten dann aber ernst: Zunächst leitete Alexander Kerschakow den Ball knapp am Tor von Cech vorbei (14.). Nur wenige Augenblicke später köpfte der Angreifer von Zenit St. Petersburg freistehend an den Pfosten, aus dem Hintergrund konnte Dsagojew schießen, Dsagojew schoss - und traf.
„Cech-ien“? Wirkte zunehmend chancenlos, die Abwehr sah unorganisiert aus und war dem schnellen Angriffsspiel der Russen, die 15 Spiele in Serie nicht verloren haben, nicht gewachsen. Und der Halbfinalist der EM 2008, der sich damals dem späteren Europameister Spanien hatte beugen müssen, legte nach. Der erst kurz vor Turnierbeginn zum Kapitän ernannte Andrej Arschawin sezierte mit einem präzisen Pass die Hintermannschaft der Tschechen, Roman Schirokow lief ungehindert in den Ball hinein und lenkte ihn ins Tor.
Bundesliga-Profis als träge Statisten
Sie waren eigentlich gut ins Spiel gekommen, doch in der Tat waren die Tschechen mit den beiden Gegentreffern vor der Pause noch gut bedient. Gegen die schnellen Schirokow und Arschawin sahen sie aus, als hätten sie Blei in den Schuhen. Auch die Bundesliga-Profis Roman Hubnik (Hertha BSC), Michal Kadlec (Bayer Leverkusen) und Petr Jiracek (Wolfsburg) sowie Pilar waren nur träge Statisten. Die russischen Fans starteten nach 40 Minuten „La Ola“ - nur der tschechische Block verweigerte die Mitwirkung.
Die tschechischen Spieler immerhin rafften sich nach der Pause kurzzeitig auf, nevten die russischen Primaballerinas mit aggressivem Zweikampfverhalten - und hatten Erfolg. Eine Unachtsamkeit in der bis dahin gut sortierten Abwehr der Sbornaja, und nach einem schönen Pass von Plasil umkurvte Pilar schon den russischen Torhüter.
Hoffnung keimte wieder auf bei den Tschechen, sie mühten sich, sie kämpften. Doch die Russen wirkten souverän, schlugen zurück, tanzten wieder - und wäre Kerschakow nicht so fahrlässig mit seinen vielen Chancen umgegangen, hätte es „Cech-ien“ noch viel schlimmer erwischt. (sid)