Dortmund. . Der BVB ist nach dem 2:1-Sieg gegen Mainz 05 der neue Titelfavorit Nummer eins. Trotzdem sehen sich Mats Hummels und Co. nicht schon als deutsche Meister. Sie haben Bayern München noch immer auf der Rechnung.
Man muss sich den Trainer nach einem Spiel als Fließbandarbeiter vorstellen. An ihm vorbei gleiten die Fernsehleute, die Radioleute, die Zeitungsleute mit ihren immer gleichen Fragen, und der Trainer greift immer und immer wieder nach der gleichen Antwort und montiert sie. Was ist für Mainz schief gelaufen in Dortmund? „Ich habe in der ersten Halbzeit die falsche Grundordnung gewählt. Das geht auf meine Kappe.“ Und weiter, auf Thomas Tuchel wartet schließlich die Stechuhr, oder besser: der Bus, der ihn und seine Verlierer nach Hause zurückbringen soll.
BVB stellt mit Siegesserie Vereinsrekord auf
Verlierer? Wenn Tuchel nur ein wenig mehr Zeit zum Herumschrauben gehabt hätte, wäre es ihm sicher noch gelungen, die 1:2-Niederlage seines FSV Mainz 05 bei Borussia Dortmund als glänzendes Erfolgsmodell vom Band rollen zu lassen. So hat er es nur geschafft, für einen Hauch von Verwirrung bei der Verhandlung der national bedeutsamen Angelegenheit „Meisterschaftskandidat Nummer eins mit Sternchen“ zu sorgen. In der „falschen Grundordnung“ (laut Trainer einer 4-3-3-Formation) hatten die Nullfünfer nämlich in der ersten Halbzeit einem konzentriert, strukturiert, leidenschaftlich und insgesamt fulminant auftretenden BVB einigermaßen Stand gehalten. Jakub Blaszczykowski traf zwar in der 26. Minute zum 1:0, aus dem Stadion gefegt wurde Mainz aber nicht.
Das hätte in Runde zwei, in dieser Runde, in „der es besser war“ (Tuchel), jederzeit passieren können. Zwischen der 45. und der 60. Minute hätten Lewandowski, Blaszczykowski, wieder Lewandowski, Kagawa, Schmelzer, wieder Lewandowski das Ergebnis bis zur 7:0-Etage hochziehen können. Dass der Mainzer Trainer es dennoch wagte, den Eindruck zu erwecken, dass sein Team lediglich durch sein persönliches Versagen bei der taktischen Ausrichtung und nicht durch die herausragende Klasse des Gegners auf die dunkle Straße geraten sei, hätte Kollege Jürgen Klopp eigentlich in die Karten spielen müssen. Der Trainer der Schwarzgelben hat es sich ja zur Aufgabe gemacht, das Offensichtliche mit dem Schleier des Ungewissen zu überziehen.
Acht Partien in Serie gewonnen: Vereinsrekord. Mit sieben Punkten vor den Bayern, mit acht vor den Gladbachern, mit elf vor den Schalkern souverän an der Spitze. Eine Herkulesaufgabe. Aber Klopp hat in der vergangenen Saison, in dieser Meistersaison, in der der Vorsprung am 24. Spieltag bereits zwölf Zähler betrug, einen hübschen Erfahrungsschatz erwirtschaftet. Wichtig sei es, „nicht auf Platz vier zurückzufallen“, hat er nach dem Sieg gegen die Mainzer erklärt. Hut ab. Nur den von Tuchel zugespielten Ball konnte er geistesabwesend nicht verwerten. Wahrscheinlich war er zu verblüfft von der Exzentrik der Weltsicht des Mannes, der den Klub trainiert, bei dem er groß wurde: „An massenhaft Torchancen von Mainz kann ich mich gar nicht erinnern.“
Ausgerechnet Mohamed Zidan trifft gegen Borussia Dortmund ins Tor
Torchancen gab es im Singular. Mohamed Zidan verwandelte für die wehrhaften Tuchel-Mannen gegen die hoch überlegenen Dortmunder zum 1:1 (74.). Für den Ägypter war es bereits das fünfte Tor im fünften Einsatz für den neuen Brötchengeber. Im Januar hatte er den BVB wegen Perspektivlosigkeit im Konkurrenzkampf verlassen dürfen. Auch das dokumentiert die Richtigkeit der Einschätzung von Klopp: „Das ist eine gute Fußballmannschaft, die wir da haben.“ So gut, dass sie einen Zidan nicht benötigt, so gut, dass sie die Wochen der Abwesenheit von Jungsuperstar Mario Götze mit einem Stabilisierungsprogramm füllen kann. So gut in ihrer ganzen Breite, dass kein Qualitätsverlust auffällig wird, wenn Kapitän Sebastian Kehl wie gegen Mainz gelbgesperrt fehlt und der bedächtig und klug aufgebaute Ilkay Gündogan das Pöstchen im defensiven Mittelfeld übernehmen muss.
Zidan, vor dem Anpfiff mit Blumen und mit reichlich Applaus offiziell aus Dortmund verabschiedet, hat seinem Ex-Klub unterstellt, Schalenfavorit zu sein. Was selbstverständlich sogar ohne das 2:1 durch den japanischen Verzauberer Kagawa (77.) korrekt gewesen wäre. Für Freunde des Skurrilen entfalten andere Montageelemente aber einfach mehr Schönheit. Während Borussen-Torhüter Roman Weidenfeller sich nicht recht entscheiden konnte („Wir freuen uns, glaube ich, sehr über diesen Spieltag“), präsentierte sich der Kamerad Mats Hummels am Fließband felsenfest überzeugt: „Bayern ist noch immer Topfavorit auf den Titel.“ Und wieder: Hut ab.