Gummersbach. Der Ex-Bundestrainer aus Gummersbach sieht im Interview sehr gute Chancen, dass sich die deutschen Handballer bei der Europameisterschaft für die Olympischen Spiele qualifizieren. Ein Umbruch könne später erfolgen.
Wenn am Sonntag die Handball-EM in Serbien beginnt, trägt der Gummersbacher Heiner Brand erstmals seit 15 Jahren bei einem „großen Turnier“ nicht mehr die Verantwortung als deutscher Bundestrainer. Nach dem Rücktritt im Juni ist die Handball-Ikone „nur“ noch Manager des Deutschen Handballbundes.
Herr Brand, wie schlecht steht es um die deutsche Nationalmannschaft, wenn selbst Sie - wie zu lesen war - eine Bruchlandung bei der Europameisterschaft befürchten?
Heiner Brand: Ach, meine Aussagen waren gar nicht in diese Richtung gedacht. Ich habe mich über unsere Jugendarbeit geäußert, habe gesagt, dass es dort unser Anspruch sein müsse, dauerhaft unter den Top Sechs der Welt zu sein, viele Dinge dort aber dafür noch nicht stimmten.
Was trauen Sie der deutschen Sieben wirklich zu?
Brand: Die Entwicklung der Mannschaft nach meinem Rücktritt stimmt mich optimistisch. Außerdem haben wir nicht die schlechteste Auslosung. Die Mannschaft wird kein einziges Spiel nach Hause schaukeln, aber wenn sie die Aufgaben hochkonzentriert angeht, sehe ich kein Hindernis, warum wir die Qualifikation für die Olympischen Spiele nicht schaffen sollten.
Denken Sie nicht etwas zu optimistisch?
Brand: Nein. Ich kenne aus vergangenen Turnieren die Möglichkeiten, die sich bieten werden. Ich kenne allerdings auch die Gefahren. Bei der WM in Schweden haben wir schließlich auch sehr gute Spiele gezeigt. Was uns fehlte, war die Konstanz.
Und über die verfügt die Mannschaft mittlerweile?
Brand: Noch nicht in Gänze, was bei den Testspielen gegen Ungarn trotz einiger pfiffiger Aktionen zu sehen war. Aber ich glaube, die Mannschaft hat gelernt und ihre Schlüsse aus der WM gezogen.
Viele Experten sehen den Schwachpunkt der Truppe ausgerechnet im so wichtigen Rückraum. Sie auch?
Brand: Wir benötigen einen guten Rückraum, um erfolgreich zu spielen. Keine Frage. Und wenn Pascal Hens seine sehr gute Verfassung bei der EM bestätigt, wenn Holger Glandorf seine starken Leistungen aus der Liga auch in der Nationalmannschaft zeigt, wird sich das Niveau steigern.
Die meisten Spieler trugen bereits unter dem Bundestrainer Heiner Brand das Nationaltrikot. Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin, wünschte sich nun sogar ein Scheitern bei der EM, um einen überfälligen Umbruch einzuleiten. Was halten Sie davon?
Brand: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bob das wirklich ernst gemeint hat. Die Olympischen Spiele sind eine große Chance für den Handball, sie sind etwas Besonderes für jeden Sportler. Ein Umbruch kann auch nach Olympia, wenn so oder so einige Dinge passieren, eingeleitet werden.
Für Sie besitzt die Qualifikation absolute Priorität?
Brand: Ich habe es in meiner über 40-jährigen Sport-Karriere nie erlebt, dass irgendeine Nation so kurz vor den Olympischen Spielen einen Umbruch eingeleitet und damit auf eine eventuelle Qualifikation verzichtet hat. Für Olympia muss man auch nach dem letzten Strohhalm greifen.
Wäre ein Scheitern bei der EM ein riesiges Dilemma für den deutschen Handball?
Brand: Es wäre gewiss nicht schön und würde Dinge erschweren, aber ein riesiges Dilemma sollte man daraus nicht machen. Die Basketballer zum Beispiel sind auch nicht qualifiziert und von einem riesigen Dilemma habe ich nichts gelesen. Nur, dass Dirk Nowitzki traurig sei. Selbst die Fußballer haben es nicht geschafft.
Ihr ehemaliger Co-Trainer Martin Heuberger ist nun Bundestrainer. Fragt er Sie noch ab und an nach Ihrem Rat?
Brand: Wir sprechen nicht über Entscheidungen, die er zu treffen hat. Dass er mich manchmal nach meiner Meinung fragt, ist ja normal. Aber das sind Gespräche wie sie unter Handball-Fachleuten und Freunden üblich sind. Ich rede ihm nicht rein - das ist für mich ein Gebot der Fairness.
In den vergangenen 15 Jahren fand kein großes Turnier ohne Sie statt. Wie werden Sie diese Premiere nun erleben?
Brand: Mein Ressort ist ja der Leistungssport, und deshalb werde ich vor Ort sein, um mir die deutschen und andere Spiele anzuschauen. Aber ich bin nicht mit der Mannschaft in einem Hotel. Wir haben bewusst auf eine klare Trennung geachtet.
Sie hören sich auch sehr gelassen an.
Brand: Ich bin ganz weit weg von der Trainertätigkeit und fühle mich sehr wohl. Natürlich wird sich vor den deutschen Spielen eine gewisse Anspannung einstellen. Aber dieses Magendrücken, das ich sonst auf Grund der zu treffenden Entscheidungen und Überlegungen von Anfang Dezember an hatte, ist endlich mal nicht da. Ich muss sagen: Ein schönes Gefühl.