Gelsenkirchen. . Lange hat Schalkes Stürmerstar Raúl geschwiegen. Jetzt spricht der Spanier wieder. Über seine Zukunft will er sich jedoch nicht äußern. Sehr wohl über die Chancen der Königsblauen in der Europa League. Die will er mit den Schalkern nämlich aufmischen.
Nehmen wir einmal an, wir hätten diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Wir wüssten nicht, dass er Titel und Pokale in großem Stil gesammelt hat, und auch nicht, dass sein Name im Weltfußball nach Ruhm und Klasse klingt. Wenn wir ihn nur hier beobachten und ihm zuhören würden: Wir könnten nicht ansatzweise ahnen, dass sich Raúl González Blanco bei der täglichen Arbeit als Führungskraft auszeichnet. Und dass Jüngere ehrfürchtig seinen Rat aufsaugen, weil intern jedes Wort von ihm Gewicht hat.
Bei der Pressekonferenz des FC Schalke 04 vor dem Europa-League-Heimspiel an diesem Donnerstag gegen Steaua Bukarest (19 Uhr, Sat.1 und Sky live) übernimmt der Spanier routiniert und regungslos die Pflichten als Aushilfskapitän, nachdem er zuvor monatelang keine Interviews gegeben hat. In den Mannschaftsrat ließ er sich zu Beginn der Saison nicht wählen, eine von dem damaligen Trainer Ralf Rangnick angestoßene Diskussion über Raúls Rolle empfand der Star offensichtlich als unwürdig. Doch als Huub Stevens ihn darum bat, den verletzten Benedikt Höwedes als Spielführer zu vertreten, willigte der 34-Jährige ein.
Raúl umdribbelt jede heikle Frage
In die Karten lässt sich Raúl aber nicht schauen. Er umdribbelt jede auch nur halbwegs heikle Frage. Dass genau an diesem Tag in einem Interview eine erste Kritik von Stevens zu vernehmen war („Raúl spielt diese Saison schwankend“) – geschenkt. Stevens relativiert seine Aussage („Er ist auch abhängig von anderen“), und Raúl selbst sagt zu diesem Thema gar nichts. Was genau die Mannschaft und vielleicht auch er persönlich besser machen müssten als bei der 0:2-Niederlage in Dortmund, wird er gefragt. Die ganze Mannschaft sei sich darüber im Klaren, dass sie in Dortmund nicht gut gespielt habe, sagt er unverbindlich, und deshalb wird nachgehakt: Gab es eine Aussprache? Hat die Mannschaft lange unter der Derby-Niederlage gelitten? „Am Sonntag waren wir schon mit den Gedanken bei dem Donnerstag-Spiel“, sagt Raúl.
Auch seine Mimik verrät wenig, selten unterstützt er eine seiner Aussagen mit einer Regung. Einmal lächelt er bereits, als die Übersetzerin ihm eine Frage ins Ohr flüstert. Denn er ist vorbereitet, es geht um seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag. Raúl meint, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um sich darüber zu unterhalten. Nur so viel: „Ich fühle mich hier auf Schalke sehr wohl.“
Das Gehalt könnte der Knackpunkt werden
Knackpunkt bei den Überlegungen, ob Raúl seine Karriere auf Schalke fortsetzen wird, könnte das Gehalt werden. Bisher schießt Real Madrid pro Saison rund zwei Millionen Euro zusätzlich zu den etwa fünf Millionen Euro Gehalt hinzu, die Königlichen bauten ihrem verdienten Star 2010 eine Goldene Brücke zu den Königsblauen. Schalke aber sieht sich zum Sparen verpflichtet – Raúl müsste also künftig auf einen Teil seiner Einnahmen verzichten.
Schalkes Manager Horst Heldt verweist darauf, dass es im Dezember oder „eher im Januar“ Gespräche geben soll, und dass es keinen Sinn ergebe, Tendenzen zu nennen. Heldt lobt aber Raúls Rolle: „Er hat in den eineinhalb Jahren sehr viel für den Verein geleistet. Er ist ein absoluter Leader.“ Die jungen Spieler führe er „mit wohlgewählten Worten“, so sei er eben: „Raúl ist kein Schreihals, der wild gestikulierend herumläuft.“
Der Spanier, ganz Profi, betont mehrmals, wie wichtig ihm zunächst der Sieg gegen Steaua Bukarest sei – denn dann hätte Schalke die Gruppenphase bereits vor dem letzten Spiel in Haifa überstanden. Raúl denkt nämlich weiter. 15 Jahre lang war er in der Champions League am Ball, und wenn er schon erstmals in der Europa League spielen muss, dann will er wenigstens auch dort auftrumpfen. „Es ist unser größter Wunsch, bis nach Bukarest ins Finale zu kommen“, verrät Raúl, und man wundert sich, wie klar er dieses Ziel formuliert hat.