Daegu. Martina Strutz ist überwältigt: Die Schwerinerin, einst als „Moppelchen“ verspottet, gewinnt bei der Leichtathletik-WM mit dem deutschen Rekord von 4,80 Metern Silber im Stabhochsprung.

Martina Strutz hat zum ersten Mal an diesem Abend ihre Sonnenbrille abgenommen. Sie weint und sieht aus wie eine Insel der Traurigkeit in der brodelnden Freude rundherum. So können Bilder täuschen: Die 29-Jährige ist einer der glücklichsten Menschen im Stadion von Daegu. Mit dem deutschen Rekord von 4,80 Metern hat sie Minuten zuvor WM-Silber im Stabhochsprung gewonnen.

Es dauert, bis die Freudentränen trocknen, ihre Anspannung war einfach zu groß. Sie schaut gar nicht mehr hin, als sich die neue Weltmeisterin Fabiana Murer noch an 4,92 Metern versucht und scheitert. Es spielt keine Rolle mehr, die Brasilianerin steht mit 4,85 Metern als Siegerin fest. Bronze gewinnt die Russin Swetlana Feofanowa (4,75 m). Weltrekordlerin Jelana Issinbajewa überquert lediglich 4,65 Meter und landete auf Rang sechs.

Strutz sucht noch spät in der Nacht nach Worten. Immer wieder sagt sie: „Der tollste Wettkampf meines Lebens, ich glaube es einfach nicht.“ Wer diese Sprachlosigkeit verstehen will, muss ins Leben der Schwerinerin eintauchen. Bei der EM 2006 wurde sie Sechste, hinter vorgehaltener Hand sprachen sie im deutschen Team über sie als „Moppelchen.“

Strutz war für eine Stabhochspringerin zu dick und stand vor dem Aus ihrer Karriere. Abends aß sie Schokolade und trank auch mal mehr als ein Bier.

Wieso nun plötzlich die Wende? Bundestrainer Jörn Elberding übernimmt an diesem Abend das Reden für die Vize-Weltmeisterin. „Viele Dinge haben ineinander gegriffen“, sagt er. „Sie trainiert professioneller, sie ist gewissenhafter geworden und vor allem hat sie zehn Kilo abgenommen.“

Geschafft hat Strutz das mit einem Rezept, das sie „polnische Fleischdiät“ genannt hat. Vier Wochen lang hat sie nur Fleisch gegessen. Alle vier Stunden, und unbedingt immer eine Möhre dazu. Es half, sie nahm zehn Kilo ab, ihre Mutter, die die Diät mitgemacht hat, sogar zwölf Kilo. „Martina hat ihr Essverhalten bis heute komplett umgestellt“, freut sich Elberding. „Vier Stunden vor dem WM-Wettkampf gab es noch einen Snack aus Lachs und Tomätchen.“ Dann flog Strutz zum bislang größten Erfolg ihrer Laufbahn.