Daegu. . Obwohl sich Robert Harting für das WM-Finale im Diskuswerfen fitspritzen lassen musste, gewann er erneut die Goldmedaille. Der Berliner wandelt damit auf den Spuren von Lars Riedel - und widmete seinen Erfolg einem verstorbenen Freund.
Robert Harting küsste nach seinem zweiten WM-Coup den „goldenen“ Ring und zerriss mit einem Urschrei sein Trikot. Mit drei Spritzen im Knie und vollgepumpt mit Adrenalin hatte der Kraftprotz mit der Berliner Schnauze wieder zugeschlagen. Gleich im ersten Versuch setzte Harting die Rivalen im Diskus-Finale der Leichtathletik-WM von Daegu schachmatt. Dann gab er ihr trotz entzündeter Patellasehne im vierten Durchgang mit 68,97 Metern den Rest. Mit dem zweiten Titel ist Harting in den Spuren von Lars Riedel, der vier seiner fünf WM-Goldmedaillen in Serie gewonnen hatte.
„Das Gold widme ich meinem Kumpel, der im Mai in Afghanistan gefallen ist. Ich weiß, dass Du zuguckst“, meinte Harting mit Blick zum Himmel über Daegu im ARD-Fernseh-Interview. Auch in der Stunde des Triumphes sparte der Olympiavierte nicht mit Kritik. Harting erneuerte seine Forderung: „Olympiasieger sollten eine lebenslange Rente erhalten. Das wäre ein Anreiz, alles auf eine Karte zu setzen. Aber so gehen dem Sport viele Talente verloren.“
"Spritzen haben sehr weh getan"
Als sein Sieg feststand, ging der 2,01 m lange Hüne in die Knie und liebkoste seinen Ring, dann eilte er in Richtung Tribüne, stellte sich wie vor zwei Jahren in Berlin in Pose und opferte sein Trikot. Augenblicke später umarmte er Trainer Werner Goldmann, der seinem Namen einmal wieder alle Ehre machte, und fiel auf seiner Ehrenrunde Martina Strutz in die Arme, die Minuten nach ihm mit Stab-Silber die vierte deutsche Medaille gewonnen hatte.
„Die Spritzen haben heute sehr weh getan. Aber alle hatten Probleme.“ Auf Hartings 68,49 Meter zum Auftakt hatte die Konkurrenz vor 40.000 Zuschauern in der südkoreanischen Millionenstadt keine Antwort. Estlands Olympiasieger Gerd Kanter brachte im zweiten Durchgang noch 66,95 Meter zu Stande, der Iraner Ehsan Hadadi holte mit 66,08 Meter Bronze. Leer aus gingen der zweimalige Olympiasieger Virgilijus Alekna (Litauen/6.) und der Pole Piotr Malachowski, der Harting vor zwei Jahren in Berlin einen Kampf auf Messers Schneide geliefert hatte. Diesmal scheiterte der Olympia- und WM-Zweite überraschend am Einzug ins Finale der besten Acht.
Inklusive des schwachen Magdeburgers Martin Wierig standen nach der Qualifikation vom Vortag nur noch fünf Top-10-Rivalen im Finale. Auf der Strecke blieben in Runde eins Ungarns Weltranglistenerster Zoltan Kövago (62,16) und die Nummer drei Jarred Rome (USA/62,22).
Lange Auszeit vor Olympia droht
„Robert war sicher bei der Automatisierung der Bewegung eingeschränkt. Aber die Patellasehne konnte nicht reißen“, meinte Teamarzt Helmut Schreiber, der Harting mit täglich einer Stunde Physiotheraphie wieder fit gemacht hatte. Doch Schreiber hat auch gewarnt: „Nach der WM muss ein Kernspin zeigen, ob möglicherweise eine Operation nötig ist. Diese würde allerdings vor Olympia 2012 in London eine lange Auszeit bedeuten.“
Harting hatte sich in den letzten fünf Wochen mit Medikamenten vollgepumpt, weil das Knie im Training heftige Schmerzsignale sandte. „Meine Augen sind gelb geworden und meine Nieren wahrscheinlich doppelt so groß“, hatte er schon vorher anschaulich die Nebenwirkungen der Cortisonspritzen beschrieben und selbst eine Absage des WM-Starts erwogen. Zwei Tage lang konnte er während der Vorbereitung keinen Schritt normal gehen. An Training war überhaupt nicht zu denken. Er verdrängte dann auch die ihm prophezeite Gefahr des Sehnenrisses aus dem Kopf.