London. . Sabine Lisicki besiegt Petra Cetkovska und steht in Wimbledon im Viertelfinale. Dort wartet die Französin Marion Bartoli. Die besiegte die Titelverteidigerin Serena Williams in zwei Sätzen.
„Bravo“, rief Doktor Richard Lisicki ein paar Mal, und er rief so laut, dass er selbst in den dicht besetzten Reihen auf Court No. 12 nicht zu überhören war. Der Sportwissenschaftler hatte wieder allen Grund zur Freude, denn seine Tochter riss sich nach einem leicht verschlafenen Beginn gegen die Tschechin Petra Cetkovska bald zusammen und gewann 7:6, 6:1. Doktor Lisicki war in jeder Hinsicht hoch erfreut, sowohl als Vater als auch als Coach.
Das konnte man von Doktor Walter Bartoli neulich nicht behaupten. Der wurde von seiner Tochter Marion mit einer wütenden, fast herrischen Geste vom Platz gejagt und musste sich den Rest des mehr als drei Stunden dauernden Spiels vor dem Fernseher anschauen.
Marion Bartoli, 26, ist alles andere als eine verwöhnte, zickige Tochter. Leute, die sie gut kennen, sagen, abseits des Platzes sei die Französin eine intelligente, ebenso sensible wie höfliche junge Frau. Da man mit Höflichkeit und Liebreiz aber kein Tennisspiel gewinnt und Marion behauptet, sie könne schlecht verlieren, kommt innerhalb der weißen Linien regelmäßig das Temperament ihrer korsischen Vorfahren durch.
Inzwischen tut es ihr leid, den Vater rausgeschmissen zu haben. „Ich bin nicht stolz darauf“, sagt sie, „aber ich war in der Situation so erschöpft und habe für zehn Sekunden meinen Verstand verloren. Aber das passiert höchstens einmal in zehn Jahren.“
Am Montag saß Doktor Bartoli, der einst seinen Beruf als Arzt aufgegeben hatte, um sich ausschließlich um die Karriere der Tochter zu kümmern, ungestört auf der Tribüne und verfolgte mit großer Freude und Befriedigung deren Auftritt beim Sieg gegen Serena Williams (6:3, 7:6 (8:6)).
Man merkte Williams zwar bisweilen an, dass sie nach fast einem Jahr Pause noch Zeit brauchen wird, um wieder das Niveau früherer Tage zu erreichen. Aber der französische Derwisch auf der anderen Seite machte ihr das Leben auch extrem schwer. Vor allem in der entscheidenden Phase zeigte Bartoli, dass man mit dem Feuer ihrer Leidenschaft einen Wald in Brand setzen kann, selbst in kritischen Situationen.
Obwohl sie beim Stand von 6:5 drei Matchbälle nicht verwandelt und ihr Aufschlagsspiel verloren hatte, wich sie keinen Millimeter zurück und hielt Williams mit Gebrüll die Faust vor die Nase. Beim fünften Matchball drosch sie einen Aufschlag ins Feld, drehte sich danach vor Freude über den ersten Sieg gegen die Titelverteidigerin und sah hinauf zum Vater, der sich für den Preis eines solchen Sieges vermutlich jederzeit wieder des Feldes verweisen lassen würde.
Auf die Frage, ob sie so was auch schon mal gemacht habe, meinte die gebürtige Troisdorferin Sabine Lisicki ein klein wenig entrüstet: „Nein, das würde ich nie tun.“ Dennoch steht dem Doktor Lisicki nun eine harte Prüfung bevor, wenn die Tochter Dienstag im Viertelfinale gegen die des Doktors Bartoli spielen wird. Die eine gewann jüngst den Titel beim Rasenturnier in Birmingham, die andere in Eastbourne, beide sagen, das Spiel auf Rasen liege ihnen sehr, und sie haben auch eine gemeinsame Geschichte in Wimbledon, wobei die Erinnerungen der Französin an das Duell angenehmer sind. Über ihren ersten Auftritt in Wimbledon sagt Lisicki: „Sie hat mich damals paniert“, ist aber zuversichtlich, dass das nicht wieder passieren wird.
Die Herren Lisicki und Bartoli werden nun also nicht weit voneinander entfernt auf der Tribüne die vierte Begegnung ihrer Töchter verfolgen (Bilanz 2:1 für Lisicki), der berühmteste aller Tennisväter wird derweil mit der jungen Gattin an seiner Seite nach Hause fliegen. Nicht lange nach Serena Williams schied auch deren Schwester Venus aus, die wie im vergangenen Jahr gegen die Bulgarin Swetlana Pironkowa verlor. Zum dritten Mal seit dem Jahr 2000 wird die Wimbledon-Siegerin nicht aus dem Hause Williams kommen, und es wird auch nicht die Nummer eins des Frauentennis sein. Caroline Wozniacki scheiterte an Dominika Cibulkova, die damit ebenso überraschend im Viertelfinale landete wie Tamira Paszek aus Österreich. Auch deren Coach hat gut zu tun – in Personalunion als Vater.