Herning. WM-Erleichterung im Handball: Juri Knorrs Knie hält, beim 31:29-Zittersieg gegen die Schweiz trifft er fünfmal. Torhüter Wolff überragt.
Natürlich waren in der Jyske Bank Boxen alle Augen auf Juri Knorr gerichtet. Würde Deutschlands Handballstar wirklich spielen können gegen die Schweiz? Oder hielt ihn das lädierte Knie aus der Polen-Partie doch davon ab? Um 19.41 Uhr, als die Nationalspieler zum Aufwärmen fürs zweite Vorrundenspiel den blauen Hallenboden betraten, wussten die nahezu ausschließlich schwarzrotgoldenen Fans unter den 7000 Zuschauern: Juri Knorr ist weiter fit genug für diese Weltmeisterschaft. Beinahe abergläubisch tippelte der 24 Jahre alte Denker und Lenker des deutschen Spiels noch mal über jene Stelle des Bodens, wo er am Mittwoch beim 35:28 über Polen den Halt unter den Füßen verloren hatte und gestürzt war. Knorrs Schuhe aber hatten genug Grip und gaben Sicherheit - die Voraussetzung für seine am Ende fünf Tore.
Handball-EM: Dänemark und Italien stehen als Gegner in der Hauptrunde fest
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Durch das schmeichelhafte 31:29 (15:14) über die Eidgenossen haben die olympischen Silbermedaillengewinner von Paris auch den Einzug in die Hauptrunde gemeistert. Abgesehen von der eigenen fraglichen Leistung: Ein Ausruhen ist am Sonntag (18 Uhr/ARD) allerdings nicht angesagt. Schließlich kann Tschechien, das am Freitagabend zuvor auf der Herninger Platte stand, dank des 19:19 gegen Polen noch die nächste Turnierphase erreichen - und dorthin werden die Punkte der ersten Auftritte ja mitgenommen. Ab Dienstag nimmt die Anspannung zu, zwei der drei Gegner dann stehen bereits fest: Titelverteidiger Dänemark, der Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason noch unangenehm in Erinnerung von den letztjährigen Niederlagen bei der Heim-EM (Halbfinale) und Olympia (Endspiel), sowie das furiose Italien mit dem in Freiburg geborenen Türhüter Domenico Ebner. Das dritte Hauptrunden-Ticket in dieser Gruppe spielen Algerien und Tunesien am Samstag aus.
Knorr saß zunächst auf der Bank, sein in der Polen-Partie so überzeugender Vertreter Luca Witzke übernahm Regie im deutschen Rückraum. Doch der Leipziger erwischte genau wie Julian Köster und Renars Uscins keinen guten Start. Ballverluste, Unentschlossenheit und eine knallharte Schweizer Deckung machten den Deutschen das Leben schwer. Dabei hatte Nati-Trainer Andy Schmid vor dem Spiel noch geklagt: „Ich habe es langsam satt, so oft gegen Deutschland spielen zu müssen. Sie liegen uns einfach nicht mit ihrer Körperlichkeit.“ Bei der Heim-EM (14:27) als auch zuletzt in der EM-Qualifikation (26:35) war der Alpennachbar chancenlos.
Handball-WM: Knorr ist unersetzlich für Deutschland
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Was der langjährige Star der Rhein-Neckar Löwen aber bis zur 20. Minute von seinem Team zu sehen bekam, war aller Ehren wert. Die Schweiz lag lange Zeit in Führung. Das änderte sich nur, weil Nationaltorhüter Andreas Wolff mit zehn Paraden bis zur Pause sensationell hielt. Weil der Berliner Nils Lichtlein Geschwindigkeit ins Spiel brachte. Und weil Knorr, seit dem 2:5 in der elften Minute auch in der Verteidigung auf dem Platz, nach persönlicher Viertelstunde Warmspielen und der ersten deutschen Führung durch Uscins (9:8/22.) Vertrauen gefunden hatte, um noch drei Treffer nachzulegen. 15:14 – eine schwer erarbeitete Führung.
Die erdrückendste Erkenntnis für Gislason an diesem Abend: Der Bundestrainer braucht derzeit einen Juri Knorr, um sogar gegen die Schweiz bestehen zu können. Nach dessen fünftem Tor zum 19:19 legten die Eidgenossen wieder zwei Treffer vor, verlangten dem Favoriten in Schwarz gnadenlos alles ab. Die Führung wechselte in dem Krimi hin und her, am Ende waren Wolffs Paraden und Kösters starke zweite Halbzeit (sechs Tore) und zwei Treffer von Lukas Mertens entscheidend für den zweiten Sieg im zweiten Spiel. Beste Torschützen waren der Gummersbacher Köster (7) und der Hannoveraner Uscins (6).
Handball-WM: Debatte um Überlastung von Nationalspielern
Die Blessur von Juri Knorr hatte im deutschen Lager eine Debatte zur Überlastung der Nationalspieler geführt. „Es ist eine Gratwanderung, auf der wir uns befinden“, sagt Ingo Meckes, Sportvorstand des Deutschen Handballbundes. Die Stars verdienen ihr Geld bei den Klubs, „aber Europapokal-Wettbewerbe wurden ausgedehnt, und dann kommen auch noch die Nationalmannschaften“, erklärt der 47-Jährige. Die großen Turniere seien für die Verbände wichtig: „Sie sind die Plattform für den Handball. Man sieht’s an den Quoten, Handball ist in aller Munde.“ Das war der Sport aber auch vor Turnierbeginn durch verletzungsbedingte Absagen zahlreicher Topspieler. Man sei zwecks Entlastung der Nationalspieler mit den Verbänden EHF und IHF im Dialog, so Meckes. Das Thema Verletzungen wird allerdings auch noch bei dieser WM eine Rolle spielen, steht zu befürchten.