Herning. Handball-Nationaltorwart David Späth über Emotionen auf dem Feld, das Zusammenspiel mit Andreas Wolff und den WM-Auftakt gegen Polen.

Fußballer haben nach Toren ihren besonderen Jubel. David Späths Markenzeichen ist der halbe Späth und viel häufiger zu beobachten. Verhindert der 2,02 Meter große Handballtorwart mit seinen Reflexen mal wieder einen Treffer des Gegners, bricht der Vulkan aus. Der 22-Jährige von den Rhein-Neckar Löwen schraubt sich dann zu einer 180-Grad-Pirouette in die Höhe, spannt schon vor der Landung jeden Muskel seiner abgespreizten Arme an, reißt sie dann wieder hoch und brüllt seine Gefühle heraus. Die meisten Fans lieben ihn dafür, andere sehen seine Emotionen als theatralisch und aufgesetzt. Aber sie gehören nun mal zu David Späth. Dabei will der olympische Silbermedaillengewinner von Paris, den sein routinierter DHB-Kollege Andreas Wolff (33) „mittelfristig als einen der besten Torhüter der Welt“ sieht und der ab diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) beim deutschen WM-Auftakt gegen Polen noch größeren Anteil an der Erfolgsgeschichte der Nationalmannschaft haben möchte, seinen Zuhörern doch tatsächlich weismachen, ein ganz ruhiger Typ zu sein.

Deutschland - Frankreich
Immer besser: Deutschlands Nationaltorhüter David Späth (rechts) pariert einen Wurf des Franzosen Elohim Prandi. © DPA Images | Bernd Thissen

Herr Späth, was war das Verrückteste, das Sie je gemacht haben?

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Eher im Alltag, wenn Sie mal aus sich herausgegangen sind, etwas Unerwartetes taten.

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Ich glaube, dieses Handallleben, spätestens als Profi, hat mich ein bisschen menschlich reifen lassen. Früher habe ich mich nicht einmal getraut, die Kassiererin im Supermarkt zu fragen, wo die Milch steht. So introvertiert war ich. Ich konnte schlecht kommunizieren oder Präsentationen in der Schule halten. Da habe ich mich zum Glück weiterentwickelt. Aber etwas Verrücktes? Schwierig.

Justus Fischer, Renars Uscins und David Späth
Drei der vier U-21-Weltmeister, die auch bei den Olympischen Spielen in Paris und Lille dabei waren und Silber gewannen: (von links) Justus Fischer, Renars Uscins und David Späth. © DPA Images | Tom Weller

Die Frage lag nahe: Sie sind gebürtig aus Kaiserslautern, von den Torhütern der Roten Teufel weiß man eigentlich, dass sie alle extrovertiert und – positiv – verrückt sind.

Lauterer Torhüter haben alle einen kleinen Schuss. (lacht) Auch wenn ich leider nie mit den Fußballkeepern trainiert habe. Vielleicht bekomme ich aber noch mal eine Einheit mit ihnen. Dann würde ich aber gerne als Stürmer auflaufen.

Sie haben unweit des Betzenbergs gewohnt, sind dort aufgewachsen.

Früher war ich zu Schulzeiten oft bei Spielen, da stand ich mit meinen Kumpels in der Westkurve. Und wenn vom Betze mal die Bälle auf unseren Spielplatz flogen, haben mein Bruder und ich sie eingesteckt. (lacht) Verrückt genug, oder?

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Vollste Zufriedenheit hier. Sie sind auf dem Spielfeld in Jogginghosen und weiten Pullovern ein äußerst emotionaler Spieler. Gilt das auch für Ihr Privatleben?

Das würde ich nicht sagen. Wenn ich aufs Feld komme, wird immer ein kleiner Schalter umgelegt. Danach bin ich aber eher zurückhaltend. Eigentlich bin ich ein ruhiger Kerl, der schnell runterfahren kann, dessen Alltag recht unspektakulär ist.

Das kann doch nur die halbe Wahrheit sein. Einige Ihrer Teamkollegen berichten, dass Sie und Justus Fischer sich bei der Nationalmannschaft bloß nicht über den Weg laufen dürfen, weil sie dann den ganzen Laden zum Beben bringen.

Wer hat denn sowas gesagt? (lacht)

Informantenschutz.

Die Connection mit Fischi ist schon etwas Besonderes, stimmt. Wenn wir uns sehen, sind wir wieder wie Kinder. Ich weiß nicht, wieso, aber das war schon seit dem ersten Turnier mit der U19 in Kroatien. Wir haben denselben Humor, dieselben Charakterzüge. Ich weiß, für viele ist das oft anstrengend – für uns bedeutet so ein Turnier aber auch, vier Wochen lustig zu sein. Bei allem Spaß im Training wissen wir jedoch, wann es darauf ankommt, da zu sein und auch den Fokus auf den Sport zu haben.

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Was zeichnet diesen gemeinsamen Humor aus?

Ich glaube, das kann keiner von uns beiden genau beschreiben. Viele können unseren Humor nicht verstehen – das gelingt uns ja selbst nicht immer.

Sie sind Teil des Quartetts im WM-Kader, das 2023 U21-Weltmeister war. Erleichtern Ihre Weggefährten Justus Fischer, Renars Uscins und Nils Lichtlein den Einstieg ins A-Nationalteam?

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Wir dürfen jetzt das dritte Turnier zusammen spielen, haben die Jugendlaufbahn durchlaufen, sind schon da gute Freunde geworden. Wenn man dann diesen wichtigen Schritt zu viert machen darf, ist das einfach super cool, gibt das Sicherheit. Es wurde aber schon deshalb einfacher, weil nahezu alle in dieser Mannschaft relativ jung sind. Einzeln in ein Team zu stoßen, ist immer etwas ungewöhnlich. Wir Vier aber hatten direkt Bezugspersonen, die sich lange kennen und schätzen. Auch wenn wir noch viel lernen müssen, alle schon Fehler gemacht haben, sind wir für unser Alter schon recht reif. Das liegt sicher auch an der vielbeachteten Heim-EM und den Olympischen Spielen mit all ihren Reizüberflutungen. Das hat uns menschlich und sportlich weitergebracht.

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Das stimmt, wenn wir auf das Nationalteam zu sprechen kommen: Sie sind bei Alfred Gislason von der Zwei zur Eins B aufgestiegen, für den Bundestrainer also auf einer Stufe mit der Eins A, die da Andreas Wolff heißt.

Das ist schön zu hören, aber ich gehe trotzdem nicht anders in das Turnier als sonst auch. Andi und ich verstehen uns super, wir bilden ein gutes Duo. Wir werden uns auch bei der WM weiter gegenseitig unterstützen – egal, wer auf der Platte steht. Der Teamerfolg steht über allem. Deswegen wollen wir beide auch unsere Leistung dazu beitragen, dass wir dem Team weiterhelfen können.

Hat sich die Zusammenarbeit als Eins A und B angepasst? Aus Wolffs Respekt vor seinem designierten Nachfolger, dessen Talent und Leistungen?

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Ehrlich gesagt hat sich seit dem ersten Zusammentreffen nichts geändert. Weil Andi ein bodenständiger Kerl ist und seit Jahren auf Weltklasseniveau spielt. Wir sind ein Team im Team und wissen, wie die Verteilung ist. Trotzdem haben wir ein super Zusammenspiel. Wir haben es beide in Paris und Lille gezeigt: Andi hatte wichtige Momente, ich konnte auch meinen Beitrag leisten. Wir unterstützen uns, verhaken uns nicht mit Eins A und B oder Eins und Zwei. Wer spielt, wird vom anderen unterstützt, bekommt Mut zugesprochen und Tipps gegeben. Wir halten uns gegenseitig den Rücken frei.

Ab wann David Späth die Handball-WM als Erfolg sehen würde

Nach olympischem Silber gibt es ja nur noch eine Steigerungsmöglichkeit für die WM. Ohne Sie zum absoluten Favoriten erklären zu wollen.

Schon verstanden. Ich gehe in jedes Turnier, um es zu gewinnen. Das galt genauso für das Olympia-Finale. Leider ist es nicht dazu gekommen; aber ich glaube, das gehört zu einem Prozess dazu. Man kann aus solchen Niederlagen ja lernen. Es ist eine Phrase, aber wir müssen in Herning von Spiel zu Spiel schauen. Am wichtigsten ist zunächst einmal der Auftakt gegen Polen. Unser Anspruch ist es, als Gruppensieger in die Hauptrunde zu gehen, um dort dann zu bestehen und ab dem Viertelfinale in Oslo um die Medaillen zu spielen.

Medientag des DHB-Teams
Die deutsche Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft 2025. © DPA Images | Soeren Stache

Was muss passieren, dass Sie nach dem Turnier nach Hause fahren und sagen: Es war ein Erfolg?

So etwas ist immer schwierig vorherzusagen. Die Olympischen Spiele waren ein gutes Turnier – trotzdem hat sich jeder geärgert, dass wir es am Ende nicht gewonnen haben. Wenn man den Titel holt, war es ein überragendes Turnier. So weit will ich für die WM aber nicht gehen. Ich möchte einfach mit einem guten Gefühl zurückkommen. In dem Wissen: Ich habe der Mannschaft mit meiner Leistung geholfen. Wenn wir uns als Team nichts vorwerfen können, jeder sein Herz auf der Platte gelassen hat – egal, welcher Platz es letztlich wird –, können wir erhobenen Hauptes das Turnier verlassen. Ob mit Pokal, Medaille oder sonst was.

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