Herning. Nur 51.000 Einwohner, aber stets Topsport: In Herning spielen die deutschen Handballer die WM. Die Dominanz Dänemarks hat einen Grund.
Es gibt doch noch ein bisschen Heimeligkeit inmitten dieses nordisch klar und kühl bebauten Städtchens. Aber das Gemütliche verschwindet gerade aus den Straßen Hernings. Von den Häuserwänden werden die letzten weihnachtlichen Boten abgenommen, Girlanden aus grünen Tannen mit roten Herzen in der Mitte über der Fußgängerzone. Dafür wird nebenan neu beflaggt: Dreifarbige Banner (warum das norwegische Blau sich zum dänischen Weiß und Rot gesellt, ist unklar), die verdeutlichen, dass die 51.000-Einwohner-Stadt in der Mitte der Halbinsel Jütland in den nächsten beiden Wochen das Epizentrum des Handballsports sein wird. Der Olympiasieger, der Weltmeister, der Europameister – oder wie die Dänen kurz sagen: Dänemark – bringt ab diesem Dienstag das WM-Spektakel in das sonst unscheinbare Örtchen. Wobei das mit der grundsätzlichen Unaufgeregtheit nicht ganz stimmt. Denn im kleinen Herning wird Dänemark regelmäßig richtig groß.
Handball-WM: In die Jyske Bank Boxen von Herning passen 15.000 Fans
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Weil deutsche Handballfans von nationalen Großveranstaltungen eher das dauerjecke Köln gewohnt sind, müssen sie bei der Anreise zum nördlichen Nachbarn aufpassen, nicht „et ärme Dier“ – also Kölsche Melancholie – zu bekommen. So konturlos die Autobahnstrecke zwischen Flensburg und Herning auch ist, so wenig einladend erscheint der Drittel-WM-Gastgeber (bis zum 2. Februar wird die WM ja auch noch in Kroatien und Norwegen) auf den ersten Blick.
In Herning steht das größte Messecenter Dänemarks, die Stadt ist bekannt für ihre Metall- und Möbelindustrie. Das edle Teakholz von hier findet sich bestimmt auch in deutschen Wohnzimmern, oder zumindest höchstpreisig angeboten bei Ebay Kleinzeigen. Am Stadteingang neben einem Gewerbegebiet grüßen die MHC-Arena, Heimat des aktuellen dänischen Fußballmeisters FC Midtjylland, und die Jyske Bank Boxen. Seit 2010 wird die Halle dafür genutzt, Herning und nicht Kopenhagen zu antworten, wenn es nach dem Ort für die größten Sport- und Unterhaltungsevents gefragt wird.
Sport- und Showstadt Herning: Handball, Eishockey, Radsport und Konzerte
Im Inneren der Arena werden noch Werbeaufkleber im blauen Mittelkreis angebracht. Wie bei den Handball-Weltmeisterschaften der Männer (2019) und Frauen (2023), den Eishockey-Titelkämpfen 2019 und im kommenden Mai, der Reit-Weltmeisterschaft 2022, bei Konzerten von Ed Sheeran oder Ariana Grande werden am Dienstagabend (20.30 Uhr) 15.000 Zuschauer ihr Team zum Auftakt gegen Algerien anfeuern. „Wir haben den Ruf, in Herning Dinge möglich zu machen – und deshalb landen wir diese großen Events“, sagt Stadtentwickler Allan Birk Kristensen über die nach Einwohnern gerade mal 16.-größte Stadt des Landes. Mehrere Millionen Euro wurden abgesehen von den Stadionbauten in die Stadt und deren neue Shoppingmeile gepumpt. 2012 begann in Herning der Giro d’Italia. Kristensen ist stolz auf seine Heimat: „Auch wenn viele Menschen von Herning beeindruckt sind, wie wir das alles geschafft haben, ruhen sich weder unsere Politiker noch Menschen auf den Lorbeeren aus – wir wollen weiterhin mehr.“
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Die europaweit bestaunte Lebenszufriedenheit der Skandinavier soll nun bei der Handball-WM weiter gesteigert werden. Dass nur ein kleines Wunder den vierten Titel in Serie verhindern kann, hat seinen Ursprung rund zwei Stunden Autofahrt entfernt in südöstlicher Richtung. Gudme, das auf der Insel Fünen liegt, zählt beinahe genauso viele Einwohner (925) wie Handballtalente. Gudme Oure Gudbjerg Håndbold, kurz: GOG, heißt der Verein, der Weltstars wie am Fließband produziert. Mikkel Hansen und Niklas Landin zum Beispiel, die in Paris mit Olympia-Gold von der großen Bühne abtraten. Mathias Gidsel, seit 2022 bei den Füchsen Berlin in der Bundesliga, gilt als aktuelles Wunderkind. Gäbe es den 25-Jährigen nicht, hätte der zu Saisonbeginn zum THW Kiel gewechselte Emil Madsen (24) seinen Status im rechten Rückraum.
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Sie alle kommen aus der GOG-Schule, von der selbst der 2007er-Weltmeistermacher Heiner Brand nur eine Idee hat, was dort im Nachwuchs besser gemacht wird: „Ich glaube, dass sie mehr Wert auf individuelle Schulung legen, dass der Erfolg der Jugendmannschaften nicht im Vordergrund steht. Bei uns ist es ja so, dass jeder Verein letzten Endes auch anstrebt, Jugendmeister zu werden.“ Für Emil Madsen kommen noch andere Tugenden hinzu: „Wir kommen glücklicherweise aus so einem kleinen Dorf, wo nicht so viele Menschen leben. Also versuchen wir einfach, wir selbst zu bleiben; und wenn es Probleme gibt, sprechen wir darüber.“
Verlaufen die Spiele erwartungsgemäß, werden sich die Mannschaften von Alfred Gislason und Nikolaj Jacobsen wie schon im Olympia-Finale von Paris nun in der Hauptrunde in der Jyske Bank Boxen gegenüberstehen. Um auch zu sehen, wer im kleinen Herning größer ist. Dänemark hat keine schlechten Karten.
