Herning. Dänemark und Deutschland sind die einzigen Topteams bei der Handball-WM in Herning. Das sorgt für teils unwürdige WM-Atmosphäre. Ein Kommentar.
Manchmal überlistet das Ohr das Auge auf äußerst hinterhältige Art. Der lautstarken Unterstützung nach zu urteilen, hätten es doch mehr als jene tatsächlichen 3552 Zuschauerinnen und Zuschauer sein müssen, die zum ersten deutschen WM-Spiel ins handballverrückte Dänemark gekommen waren. Bei 15.000 Plätzen im Angebot der Herninger Jyske Bank Boxen fühlte sich das in etwa so an: Julian Nagelsmanns Fußballer spielen eine WM im fußballverrückten Spanien, und ins knapp 80.000 Fans fassende Bernabeu-Stadion von Madrid kommen gerade mal 20.000. Unvorstellbar? Genau!
Handball-WM: Siegeszug der Italiener verzaubert sogar die dänischen Fans
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Zur Ehrenrettung der Dänen sei gesagt: Spiele ihrer Mannschaft sind in ausverkaufter Arena ein einziges Spektakel. An dieser Stelle erweist sich die Organisation der 29. Weltmeisterschaft aber als Problem: Außer Deutschland und Dänemark sind keine Top-Teams am Spielort Herning vertreten; das gesamte Turnier erstreckt sich ja auch noch über Kroatien und Norwegen, wo am Ende der neue Titelträger ermittelt wird.
Das scheint auch reiseinteressierte Fans aus den anderen Teilnehmerländern abzuschrecken: In Herning sieht man kaum Schminke in den Gesichtern außer rotweißer und schwarzrotgoldener. Abgesehen von Ergebnissen bekommt man aus den Co-Gastgeber-Ländern eh nichts mit. Immerhin sorgen die Italiener noch für gute Stimmung mit ihrem Siegeszug und verzauberten dabei sogar die Hausherren. Die beiden Siege – der zweite und dritte in der WM-Geschichte ihres Verbandes – begleiteten auch zahlreiche Dänen mit großem Wohlwollen vor dem letzten Gruppenspiel am Samstag.
Fünf WM- und EM-Turniere in Deutschland bis 2032
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Die internationalen Verbände EHF und IHF wissen genau, warum sie den wichtigsten Absatzmarkt ihres Sports in den nächsten Jahren mit Turnieren überschüttet haben. Die Männer suchen 2027 den Weltmeister in Deutschland; zwei Jahre darauf schon wieder, dann wird das Turnier aber wie die EM 2032 gemeinsam mit Frankreich ausgetragen. Bei den Frauen kommen die besten Teams der Welt im November unter anderem nach Dortmund und in die Niederlande, die EM 2032 trägt Deutschland gemeinsam mit Dänemark und Polen aus.
Dass Deutschland das Handball-Land Nummer eins ist, zeigte sich bei der EM im vergangenen Jahr, als die Hallen in 65 Spielen zu 96 Prozent ausgelastet waren, sogar 13.000 der insgesamt beim Turnier gezählten mehr als eine Million Zuschauer in Mannheim bei Georgien gegen Bosnien zuguckten. Fehlt dem Austragungs-Champion eigentlich nur noch ein richtiger Titel.