Herning. Erstmals seit 1997 spielt Italien wieder bei einer Handball-WM. Für den Deutsch-Italiener Domenico Ebner erfüllt sich ein Traum.
Domenico Ebner hat sicheren Halt in seinen Schuhen, deshalb bricht nur seine Stimme weg. Der 30-Jährige berichtet unterhalb der Tribünen der Jyske Bank Boxen von einer Videobotschaft seiner Freundin. Aufgenommen waren Grüße von der Familie und Freunden. „Ich habe mich vor acht Jahren für Italien entschieden. Immer mit dem großen Ziel, einmal ein großes Turnier zu spielen. Heute ist es wahr geworden“, sagt Ebner, als die Augen feucht und die Kehle trocken werden. „Ich freue mich nicht nur für mich, sondern für den ganzen italienischen Handball.“
Italiens Handballer feierten den zweiten WM-Sieg ihrer Geschichte
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Seine Worte klingen so, als hätten die Azzurri soeben erst das zweite WM-Spiel ihrer Handballgeschichte gewonnen. Hatten sie ja tatsächlich, als sie nach dem 32:25 über Tunesien wild tanzten. Emotionaler hätte diese Weltmeisterschaft im dänischen Herning nicht losgehen können. Vor 28 Jahren hatten sich die Italiener zum bisher einzigen Mal für das Turnier qualifiziert, wurden 18. von 24 Mannschaften. Nun feierten sie sogar einen Rekordsieg: 1997 in Japan hatte es ein 21:15 gegen Argentinien gegeben. Diesmal gewannen die Italiener um ein Tor höher, weil der Südtiroler Leo Prantner zehn Tore erzielt und der Wahl-Sachse Domenico Ebner elf Würfe der Nordafrikaner pariert hatten. „Ich kann es gar nicht in Worte fassen“, kiekst der 30-Jährige noch mal. „Ich bin so froh, Italiener zu sein.“
Signore Domenico Ebner hätte auch einfach Herr Dominik Ebner sein können, als er am 26. April 1994 in Freiburg geboren wurde. Die temperamentvoller klingende Version seines Vornamens verdankt er seiner Mutter, die im Alter von sechs Jahren aus Apulien nach Deutschland kam. Sie brachte ihm die zwar nicht die Sprache, aber doch Werte ihrer Heimat bei. „Italiener sind sehr stolz, Italiener zu sein. Dieses Gefühl im Spiel zu haben, gibt mir ganz, ganz viel, denn ich bin ein sehr emotionaler Mensch“, sagt die Nummer eins des Bundesligisten SC DHfK Leipzig, inzwischen mit Leidenschaft statt Tränen in den Augen. „Das Land zeichnet sich mir gegenüber durch sehr viel Respekt und Lebensfreude aus. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Handball-WM: 2017 wurde aus dem deutschen auch der italienische Domenico Ebner
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2017 wurde aus Domenico zusätzlich Mimmo, so nennen ihn seine Teamkollegen. Für den Sport nahm er zur deutschen die italienische Staatsangehörigkeit an. Zuvor hatte ihn Jürgen Prantner – Vater von Zehn-Tore-Rechtsaußen Leo, 20 Jahre zuvor als Spieler bei der WM-Premiere dabei und heute Assistent von Nationalcoach Riccardo Trillini – rekrutiert. Via Facebook. „Wir haben uns getroffen und geredet, ob das Sinn ergibt“, so Ebner. „Ich hatte ein bisschen auf die deutsche Nationalmannschaft gehofft. Aber Deutschland ist so ein großes Torwartland – ich habe mich fürs richtige Projekt entschieden.“
Mittlerweile bezeichnet er Pallamano, so wird dort von Handball gesprochen, als „eines der spannendsten Projekte der nächsten Jahre“. 2017 hatte die in Rom ansässige Federazione Italiana Giuoco Handball (FIGH) noch einen Zustand wie das örtliche Colosseum. Ebner, fünfmal Handballer des Jahres in Italien, leistet seitdem mit anderen Eingebürgerten Pionierarbeit. Es gibt nun ein Ligasystem und wieder eine Nationalmannschaft. „Die Sportart kann schnell wachsen“, glaubt Ebner. In der Nähe von Pescara – auf Höhe von Rom, nur sozusagen an der Stiefel-Rückseite gelegen – werden Talente auf einem neuerrichteten Campus gefördert. „Drei Viertel der Mannschaft sind unter 25. Ich kann mir vorstellen, dass viele der Jungs demnächst den Schritt in die Bundesliga machen.“ So wie Domenico Ebner in Leipzig, so wie Simone Mengon in Eisenach, so wie Leo Prantner in Balingen. Die Gazzetta dello Sport nimmt zudem nun neben Fuß-, Basket-, Volley- und Wasserball auch Handball wahr. „Toll wäre, wenn jetzt auch Kinder durch die guten News, die wir hier produzieren, mit dem Handballspielen anfangen.“
Ebner freut sich auf ein mögliches Duell zwischen Italien und Deutschland bei der Handball-WM
Der azurblaue Fußball-Sommer 1990 war wegen der WM „un estate italiana“ – verwandeln die Handballer Herning nun in „un inverno italiana“? „Er versteht doch kein Italienisch“, ruft Allenatore Trillini schmunzelnd herüber, als er seinen Torwart mit der Übersetzung für Winter konfrontiert sieht. „Un pò“, antwortet Ebner, ein bisschen kann er also doch.. „Nun, wir dürfen jetzt nicht abheben.“ Der Einzug in die Hauptrunde soll dennoch gegen Algerien und Titelverteidiger Dänemark klargemacht werden. Wo es dann voraussichtlich ein Aufeinandertreffen mit Domenico Ebners anderer Heimat gäbe. „Es wäre ein schönes Spiel für mich, gegen Deutschland zu singen“, sagt Domenico Ebner und lacht. „Äh: zu spielen. Aber mal gucken, vielleicht singe ich dann die italienische und die deutsche Nationalhymne.“ Notfalls auch mit brüchiger Stimme.