Marl.. Bei der Reit-EM in Aachen starten ab Mittwoch die Wettbewerbe im Springreiten. Ludger Beerbaum und Co. lechzen nach dem Championats-Erfolg.
Montags ist Fußball. Da geht für Christian Ahlmann nichts drüber. Dann hört er für ein paar Stunden auf, der erfolgreiche Springreiter zu sein und wird Hobby-Kicker. Ein untalentierter, wie er von sich sagt. „Das ist eine ländlich-bäuerliche Truppe, alle kommen her, wollen Spaß haben, sich ein bisschen bewegen. Ein paar Jungs sind auch ganz gut“, sagt er und grinst. Sehr entspannend für ihn: Keiner hat etwas mit Pferden zu tun.
„Aachen ist unser Mekka“
„In den Momenten sind dann die vielen Fragen, die vorher beißen, nicht mehr wichtig. Da geht es dann nur um Fußball.“ Christian Ahlmann genießt diese Momente. Genauso wie die mit seinem Sohn Leon. Im Wohnzimmer hängt noch der Luftballon von dessen drittem Geburtstag.
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Etwas zerdötscht hält das restliche Helium den Ballon in der Luft. Hoch hinauf wird er nicht mehr steigen. Anders als Christian Ahlmann. Auf dem Rücken seiner Pferde wird er zum Überflieger. Der 40-Jährige gehört derzeit zu den erfolgreichsten deutschen Springreitern. Zusammen mit Ludger Beerbaum, Daniel Deußer und Meredith-Michaels Beerbaum bildet er die Equipe, die in dieser Woche in die Reit-EM in Aachen eingreift.
Oberste Priorität hat der Mannschaftswettbewerb am Donnerstag und Freitag. „Ich freue mich riesig auf Aachen. Das ist unser Mekka, das beste Turnier der Welt“, sagt Ahlmann. In Aachen hat der Marler schon den großen Preis gewonnen, die besondere Atmosphäre soll das deutsche Team nun zum lang ersehnten Sieg führen. „Wir sind ein gutes Team, haben hart gearbeitet, wollen das“, sagt er, „den olympischen Gedanken – dabei sein, ist alles – pflegen wir nicht. Wenn alle nah am Limit abliefern und wir das nötige Glück haben, können wir eine Medaille holen.“
Ahlmann: „Ludger ist ein Mann, zu dem man aufsehen kann“
Damit er seinen Teil dazu beitragen kann, hat Ahlmann sich vor der EM ein paar Tage nach Marl zurückgezogen. Um ihn herum nur Felder und Wälder. „Hier ist mein zu Hause, meine Basis, ein absolutes Pferdeland. Hier fühle ich mich wohl“, sagt er. Mit seiner halben Familie lebt er dort auf dem Hof, konzentriert er sich intensiv auf die Arbeit mit seinem EM-Pferd Taloubet Z. Noch in Reiterhose sitzt er am Esstisch des ehemaligen Bauernhauses und trinkt Kaffee.
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Ganz abgeschottet findet seine Vorbereitung jedoch nicht statt. Immer wieder hat er Kontakt mit dem Team, besonders mit Ludger Beerbaum. Mit ihm ritt er einst im Audi Quattro Team, hat oft mit ihm zusammen trainiert. „Ludger ist ein Mann, zu dem man aufsehen kann. Er hat immer ein offenes Ohr, sagt seine ehrliche Meinung – auch wenn es mal weh tut“, sagt der frühere Weltranglistenerste, „ich habe auf jeden Fall von ihm profitiert.“ Bei der EM soll Beerbaum, der genauso nach Championatsgold giert wie Ahlmann, nun von seinem rund zehn Jahre jüngeren Kollegen profitieren.
Jedoch: Die Zeiten, in denen Deutschland die Nationenpreise nach Belieben dominierte, sind vorbei. „Die breite Front an Reiter-Pferd-Paaren ist deutlich kleiner geworden, früher hatte der Bundestrainer immer die Option auszuweichen.
Heute fehlen gute Pferde und es ist wichtig, die PS, die man hat, gewinnbringend zu bündeln.“ Parallel hätten sich andere Länder immens entwickelt: „Auf Weltmeisterschaften oder bei Olympia gewinnen jetzt Länder Medaillen, von denen ich früher nicht wusste, dass sie eine reiterliche Vereinigung haben“, sagt Ahlmann. Bei der EM seien Frankreich, England und die Niederlande stark, aber auch Belgien oder Irland: „Irland ist mein Geheimfavorit. Die hat kaum einer auf dem Zettel, aber sie haben einen großen Sprung nach vorne gemacht.“
Dopingfall noch nicht abgehakt
Doch auch er ist in der Weltelite angekommen. Seinen persönlichen Tiefpunkt, die Sperre wegen Dopings nach Olympia 2008 in Hongkong, hat er aber bis heute nicht abgehakt. Sein Blick wird hart. Er spricht verbittert, wenn er zurückdenkt. Damals wurde Capsaicin bei seinem Pferd Cöster festgestellt. Laut Ahlmann sei dies in einer Salbe gewesen, mit der das Pferd am Rücken behandelt wurde.
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Verboten sei dies jedoch nur an den Beinen. Doch die Deutsche Reiterliche Vereinigung habe Ahlmann nicht angehört, ihn als Dopingsünder beurteilt, ohne Beweise zu liefern. „Das war eine sehr, sehr große Enttäuschung“, sagt Ahlmann, „aber ich habe die Verantwortung übernommen und nach vorne geguckt.“ Nach einer Sperre und dem Ausschluss aus dem Nationalkader kämpfte er sich mit einer „Jetzt-erst-recht“-Mentalität zurück, arbeitet äußerst penibel.
Auch bei der EM gibt es für ihn nur den Vorwärtsgang. Wie beim Fußball stürmt er Richtung Ziel. In der Arena des FC Schalke hat der Fan Ahlmann erlebt, wie das Publikum darauf reagiert. „Die Stimmung ist gigantisch.“ Aber besser als Aachen? „Nein. Auf keinen Fall besser als Aachen.“