Rom. Das Duell über 200 Meter Freistil zwischen dem Sensations-Weltmeister Paul Biedermann aus Deutschland und dem Achtfach-Olympiasieger Michael Phelps kann steigen. Beide qualifizierten sich am Montag für das Finale. Biedermann schwamm dabei Europarekord.
Vorhang auf im Circo Massimo des 21. Jahrhunderts. In der Stadt, in der vor über 2000 Jahren Wagenrennen mit schrecklichen Unfällen, Gladiatorenkämpfe mit blutigen Opfern und Tierhetzen mit tödlichem Ausgang zur Belustigung ausgetragen wurden, heißt die neueste Attraktion Anzugschwimmen mit Rekorden und Sensationssiegern. Jede Zirkusvorstellung ist auf einen Höhepunkt ausgerichtet. Der Topakt des Schwimm-Zirkus im Foro Italico, der auch als Weltmeisterschaft bekannt ist, findet am Dienstag ab 18 Uhr auf der Königsstrecke, im Finale über 200 Meter Freistil, statt. Hauptdarsteller sind Michael Phelps, der 14-fache Olympiasieger und 18-fache Weltmeister aus den USA, und Paul Biedermann aus Halle an der Saale, der am Sonntag über 400 Meter Freistil in Weltrekordzeit die Goldmedaille gewann.
Phelps ist Favorit
Im Halbfinale hat Biedermann dem großen Favoriten schon mal gezeigt, dass es nicht einfach wird, wie gewohnt auf das oberste Treppchen zu steigen. Während Phelps sein Halbfinale in 1:45,23 Minuten gewann, setzte sich Biedermann mit neuem Europarekord (1:43,65 Minuten) durch. "Ich glaube, Michael hat noch nicht alles gezeigt", sagte Biedermann, "er ist für mich der Favorit."
Vor der WM hat Michael Phelps, der erfolgreichste Schwimmer aller Zeiten, seinem Trainer Bob Bowman einen Zettel gegeben, auf dem er seine Ziele schriftlich fixierte. Es Ist ein Ritual zwischen Trainer und Schwimmer, die schon seit 14 Jahren zusammenarbeiten. Nur die beiden wissen, was auf dem Papier geschrieben steht. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der 25 Jahre alte Werbe-Multimillionär dort schwarz auf weiß eine Niederlage gegen einen Biedermann prognostiziert.
Einen Zacken aus der Krone brechen
Aber was vor einem Jahr noch für ein Gespinst eines kranken Hirns angesehen worden wäre, ist jetzt das Thema Nummer eins in der Welt des Schwimmsports. Yes, he can, sagen selbst viele US-amerikanische Reporter, seitdem sie am Sonntagabend diese sensationelle Show des Paul Biedermann gesehen haben. Ja, er kann. Dieser Praktikant der Stadtwerke Halle kann heute diesem Weltsportler 2008 und erfolgreichsten Olympioniken alle Zeiten einen Zacken aus der Krone brechen.
Wie konnte es innerhalb von einem Jahr zu dieser Entwicklung kommen? Warum kann der Olympia-Fünfte Biedermann dem für fast unschlagbar angesehenen Phelps gefährlich werden? Die Gründe sind im Wasser und an Land zu suchen. Während Biedermann zielgerichtet sein Training forcierte und mit dem neuesten High Tech-Anzug X-Glide seines Ausrüsters Arena das beste Material zur Verfügung steht, schwimmt Michael Phelps im Speedo Racer LZR. In Peking war der Anzug das Non-Plus-Ultra-Modell, inzwischen gehört er fast in die Altkleider-Sammlung. Speedo hat im Gegensatz zur Konkurrenz kein Nachfolgemodell mit höherem Polyurethan-Anteil entwickelt, das dem Schwimmer Auftrieb gibt, so dass er nicht so schnell ermüdet. Offiziell hat Speedo seinen vertraglich gebundenen Schwimmern das Tragen der Konkurrenzanzüge erlaubt. Doch dies gilt offensichtlich nicht für Michael Phelps, der angeblich mehrere Millionen Euro pro Jahr von Speedo erhält. "Zu diesem Thema äußere ich mich nicht", sagte Phelps hier in Rom.
Affäre mit Kellnerin
Aber Phelps hat sich im vergangenen Jahr auch selbst geschwächt. Das einstige Wunderkind, das schon mit 15 bei Olympia 2000 in Sydney mit schwamm, wollte nach dem Bravourstück mit den acht Goldmedaillen in Peking plötzlich nicht mehr der brave Michael sein, der immer artig das ausführt, was ihm Trainer und Mutter vorgaben. Erst machte er durch eine Affäre mit einer Oben-ohne-Kellnerin aus Las Vegas von sich reden, dann ging ein Bild von ihm um die Welt, auf dem er bei einer Studenten-Orgie aus einer Wasserpfeife inhalierte. Drei Monate wurde er wegen Haschisch-Konsums gesperrt. Inzwischen scheint er seine pubertären Fluchtversuche beendet zu haben. Er ist wieder der liebe Michael, der jetzt öffentlichkeitswirksam verkündete, in Rom am liebsten den Papst sehen zu dürfen. Ob er als 200-Meter-Freistil-Weltmeister in den Vatikan fahren wird, muss sich erst am Dienstag zeigen.