Bochum. .
Zwei der Angeklagten im Prozess um den größten Wettskandal im europäischen Fußball haben angekündigt, auszusagen. Die Verteidiger zweier anderer stellten erneut einen Befangenheitsantrag.
Im ersten Prozess um den größten Wettskandal im europäischen Fußball zogen die Verteidiger weiter alle Register, um die Verhandlung platzen zu lassen. Dennoch kamen am dritten Sitzungstag erstmals die Angeklagten vor dem Bochumer Landgericht zu Wort. Nürettin G. und Tuna A., die von der Staatsanwaltschaft zum Führungskreis der Wettmafia gezählt werden, machten Angaben zu ihren Lebensläufen. Damit kann der Prozess fortgeführt werden, weil rechtzeitig erstmals zur Sache verhandelt wurde.
Die Verteidiger der ebenfalls angeklagten Stevan R. und Kristian S. hatten zuvor alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um das Verfahren weiter zu verzögern. Nach mehreren Befangenheitsgesuchen, die abgelehnt worden waren, beantragten sie am Mittwochmorgen die Ablösung des Staatsanwalts Andreas Bachmann. Er habe in einer Sitzungsunterbrechung mit Kristian S. gesprochen, ohne dass dessen Verteidiger anwesend war. Darüber muss nun der leitende Oberstaatsanwalt entscheiden.
Der für Donnerstag vorgesehene vierte Verhandlungstag wurde wegen der erneuten Befangenheitsgesuche der Verteidiger auf den 11. November verschoben. Dann soll sich Tuna A. erstmals zu den Anklagepunkten äußern. Den vier Angeklagten wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Sie sollen Spieler und Schiedsrichter bestochen haben, um Spiele in Deutschland und dem europäischen Ausland zu manipulieren, und dann hohe Summe auf diese Partien gesetzt haben.
Nürettin G. und Tuna A., die durch ihre Anwälte ein Geständnis angekündigt haben, äußerten sich zu ihren Familienverhältnissen, ihrer beruflichen Laufbahn und ihren Finanzen. Der 35-jährige Nürretin G., der 1991 als kurdischer Asylbewerber nach Deutschland kam, betrieb zwischenzeitlich sechs Wettbüros mit jeweils zwei Angestellten. Damit habe er monatlich einen Gewinn von 5000 bis 10 000 Euro netto erzielt. Zudem verdiente er zusätzlich als Automatenaufsteller zwischen 7000 und 12 000 Euro netto.
Den Vater zweier Söhne drücken trotz der erheblichen Einnahmen hohe Schulden, „30 000 Euro Bankkredit, 20 000 Dispo und meherere hunderttausend Privatschulden“, wie er berichtete. Er habe seine Einnahmen „verspielt, und meine Mitbeschuldigten haben mich betrogen“. Der 55-jährige Tuna A., in Istanbul geboren, kam 1968 nach Deutschland, wo sein Vater bereits lebte. Er arbeitete als Bergmann, Verpacker, Straßenbauer, Geschäftsführer einer Discothek, Kellner, Geschäftsführer eines Spielcasinos und Kraftfahrer. Dabei verdiente er in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben nur etwa 1000 Euro netto. Dennoch erwarb er 2008 ein Haus für 255 000 Euro und bezahlte 155000 Euro in bar.
Tuna A., dem vor allem im spektakulären Fall des ehemaligen belgischen Zweitligisten Union Royale Namur mit der Übernahme von Schulden in Höhe von 700 000 Euro zur Einflussnahme auf die Spieler von der Staatsanwaltschaft eine maßgebliche Rolle zugewiesen wird, hat fünf Kinder mit fünf Lebensgefährtinnen.
Die vier Beschuldigten sollen für die Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern 370 000 Euro aufgewendet haben. Insgesamt sollen rund zwei Millionen Euro auf die betroffenen 32 Spiele gesetzt worden sein, die Gewinne sollen sich auf 1,6 Millionen Euro belaufen. Der Prozess ist erst der Auftakt der juristischen Aufarbeitung des Wettskandals. Insgesamt wird gegen mehr als 250 Personen ermittelt. Die Wetteinsätze sollen sich auf rund 12 Millionen Euro, die erzielten Gewinne auf 7,5 Millionen Euro belaufen haben. Die Höhe der gezahlten Bestechungsgelder beträgt nach Angaben der Ermittler etwa 1,5 Millionen Euro. (sid)