Budapest. .

Paul Biedermann, der vor einem Jahr bei der WM in Rom erst den Titel über 400 Meter gewann und dann über 200 Meter Freistil Michael Phelps entthronte, fand bei der EM in Yannick Agnel seinen Meister.

Als Yannick Agnel mit einem ausgelassenen Hüpfer auf das oberste Treppchen sprang, wirkte er noch ein wenig größer, als er es ohnehin schon ist. Der Längste ist der Größte bei der Schwimm-Europameisterschaft auf der Budapester Margareteninsel. Im Juli hatte der 2,01 Meter lange Franzose in Paris dem Mega-Star Michael Phelps eine Klatsche auf dessen Lieblingsstrecke 200 Meter Freistil verpasst, jetzt stutzte er über 400 Meter Freistil einen anderen Phelps-Bezwinger. Paul Biedermann, der Mann aus Halle an der Saale, der vor einem Jahr bei der Weltmeisterschaft in Rom erst den Titel über 400 Meter gewann und dann über 200 Meter Freistil Michael Phelps entthronte, fand bei der EM in Agnel seinen Meister.

Der lange Schlaks aus Nizza, der erst vor zwei Monaten 18 Jahre alt geworden ist und vor vier Wochen sein Abitur mit Auszeichnung baute, bestand auch seine schwimmerische Reifeprüfung mit Sternchen. In 3:46,17 Minuten schnappte sich der Teenager, den vor einem Jahr noch niemand kannte, die Goldmedaille vor Paul Biedermann, der nach 3:46,30 Minuten anschlug.

„Ich muss Yannick gratulieren. Er ist wirklich ein phantastisches Rennen geschwommen und hat verdient gewonnen, weil er von Anfang an vorne gelegen hat“, sagte Biedermann, „ich habe einen taktischen Fehler begangen. Ich bin zu langsam angegangen und am Ende nicht mehr ganz herangekommen. Es wird mir eine Lehre sein.“

Biedermann klagte über weiches Wasser

Für unsereins mit Frei- oder Fahrtenschein ist Wasser nass. Oder zusätzlich noch kalt. Andere Unterschiede fühlen wir nicht. Doch Wasser kann ganz, ganz verschieden sein, wie Hochleistungsschwimmer wissen. Biedermann hatte schon am Morgen nach dem Vorlauf darüber geklagt, dass er kein gutes Gefühl im Wettkampfbecken habe. Das Wasser sei zu weich, er bekomme keinen richtigen Druck auf die Hände. „Außerdem habe ich schon die gesamte Saison Probleme mit der 400-Meter-Strecke. Vielleicht sind sie mir zu lang geworden“, rätselte der 24-Jährige.

Die Entzauberung des Paul Biedermann hat aber auch viel mit der Regeländerung bei den Schwimm-Anzügen zu tun. Ohne seinen Wunderanzug von 2009 ist Biedermann Weltklasse, aber nicht mehr der Ausnahmeschwimmer, der selbst einen Michael Phelps deklassiert. „Das Schwimmen tut wieder richtig weh“, sagt Biedermann. Die High-Tech-Anzüge förderten den Auftrieb, so dass die Schwimmer am Ende nicht so einbrachen.

Schwere Umstellung

Jetzt muss mit nacktem Oberkörper und in den alten Badehosen, die nicht übers Knie reichen dürfen, wieder gebissen werden. „Für einen so muskulösen Athleten wie Paul ist die Umstellung besonders schwer“, sagt sein Trainer Frank Embacher. Biedermann hat zwar im Vergleich zum Vorjahr drei Kilo abgespeckt, doch mit 90 Kilo bei einer Größe von 1,92 Metern ist er immer noch einer der kräftigsten Schwimmer. Vor allem im Vergleich zum französischen Wunderkind.

Yannick Angel misst 2,01 Meter und bringt gerade mal 80 Kilo auf die Waage. So geschmeidig er durch das Wasser gleitet, so staksig wirkt er an Land. Wer ihn sieht, vermutet in ihm eher einen Hochspringer als den bisher überragenden Schwimmer dieser EM. Wenn heute die Vorläufe über 200 Meter Freistil anstehen, wird Agnel fehlen. Er hat zwar Phelps über diese Distanz geschlagen, doch eine Woche zu spät. Die Franzosen hatten ihr Team schon nominiert. Agnel wird es verschmerzen, er wird noch viele Jahre wichtige Titel gewinnen können. So ist Paul Biedermann über 200 Meter Freistil der Favorit. Diese Strecke liebt er. Auch in alten Badehosen.