Bochum. Leon Goretzka startete seine Karriere beim VfL Bochum. Doch bei seiner Rückkehr mit dem FC Bayern ist derzeit wenig von der Freude übrig.
Die Wege dürfte Leon Goretzka am Sonntag auch mit verbundenen Augen abgehen können. Das Bochumer Ruhrstadion ist so etwas wie eine zweite Heimat für den 29-Jährigen. Hier ist er zum Bundesliga-Profi gereift, hier hat er sich vor vielen Jahren in den Fokus der Topklubs gespielt, ehe er vor elf Jahren auszog, den europäischen Fußball zu erobern. Über den FC Schalke 04 ging es 2018 zum FC Bayern München, mit dem er Meisterschaften, Pokalsiege und den Champions-League-Triumph feiern konnte.
Doch die Leichtigkeit, immer wieder den nächsten Karriereschritt zu nehmen, ist abhanden gekommen. Der Rekordmeister steckt in einer für seine Verhältnisse größeren Krise. Und zur Symbolfigur dieser ist Leon Goretzka geworden. Weshalb das mit den verbundenen Augen vor dem Aufeinandertreffen seines FC Bayern bei seinem VfL Bochum (17.30 Uhr, DAZN) wohl keine gute Idee wäre. Die einfachsten Dinge misslingen einem der Hochbegabten des deutschen Fußballs, der in seiner Laufbahn viel zu häufig verletzt war, derzeit.
FC Bayern: Goretzka fehlt die Leichtigkeit
Der sonst so präsente Goretzka tauchte in den vergangenen Wochen ab. Seine Stärken, mit viel Tempo und Dynamik in den Strafraum einzudringen, mit dem Kopf und den Füßen torgefährlich zu sein, kann er momentan nicht zeigen. Was ihn immerhin kaum von seinen Mitspielern unterscheidet. Zwei Niederlagen - in der Bundesliga bei Bayer Leverkusen und in der Champions League bei Lazio Rom - musste der FC Bayern in dieser Woche bereits verdauen. Doch nicht allein die Ergebnisse lassen viele Beobachter ratlos zurück, viel mehr irritiert die Art und Weise. So schlug sich auch Trainer Thomas Tuchel am Mittwoch beim 0:1 in der Ewigen Stadt immer wieder die Hand vor das Gesicht.
Dem Bayern-Spiel fehlt die Freude, Kreativität, Leichtigkeit und auch die Freiheit. Auch, weil Goretzka Fehlpässe produzierte, keine Ideen hatte und wenig Präsenz ausstrahlte. Dem eigenen Führungsanspruch wurde und wird er nicht gerecht. Dabei ist dies eine der größten Stärken Goretzkas. „Er übernimmt Verantwortung und will auch wirklich führen“, sagt Andreas Bergmann. Der heute 64-Jährige muss es wissen, machte er doch Goretzka am 4. August 2012 im Alter von 17 Jahren, fünf Monaten und 29 Tagen zum Fußball-Profi, als er ihn in der 2. Bundesliga in die Startelf des VfL Bochum stellte.
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Anders als unter Bergmann hat der Bochumer Junge aber einen schweren Stand unter Thomas Tuchel. Er soll sogar über einen Abschied aus München nachdenken, weil ihm das Vertrauen des Trainers nicht genüge. Der Trainer drängte zuletzt im Winter auf Verstärkung auf Goretzkas Position, bekam sie aber nicht. Zwar spielt Goretzka fast immer, die angespannte Personal- und Kadersituation trägt dazu aber wohl bei. Eine Situation, die der Mittelfeldspieler so nicht kennt. Stets wurde er von seinen Trainern gelobt und gefördert. „Leon ist ein Ausnahmetalent. Er ist besonnen, spielt strategisch, hat ein gutes Verständnis für den Raum, ist sich stets seiner Verantwortung bewusst“, sagt Bergmann über Goretzka. Aus Dankbarkeit und Verbundenheit unterschrieb Goretzka einst sogar einen neuen Vertrag beim VfL Bochum, damit sein Herzensklub eine Ablösesumme für ihn kassieren konnte. „Er ist immer klar geblieben“, sagt Bergmann.
So will der VfL Bochum Leon Goretzka stoppen
Dass Goretzka - und mit ihm die gesamte Mannschaft des FC Bayern - nun vor der Rückkehr an alte Wirkungsstätte schwächelt, freut die Bochumer allerdings. Zwar ist der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler ein gern gesehener Gast, der sich regelmäßig Partien im Ruhrstadion anguckt. Doch als Gegenspieler soll er doch bitteschön keine Freude haben. „Wenn wir einen tiefen Block machen, dann brauchen sie die kreativen Elemente“, sagt Bochum-Trainer Thomas Letsch. „Da hatten sie ihre Probleme.“ Ein Ansatz also für Sonntag? Mitunter. Aber: „Wenn du hoch verteidigst und die Mittelfeldspieler nicht an den Ball kommen lässt, dann ist das auch eine Option“, so Letsch. So oder so: Ziel wird es sein, vor allem Goretzka aus dem Spiel zu nehmen, der mit seiner Box-to-Box-Qualität „einer der stärksten Spieler Deutschlands ist“, wie es Bergmann sagt.
Was mit Goretzka auf den VfL Bochum zukommt, weiß Letsch nur zu gut. „Ich mag seine Spielweise, weil er sich für nichts zu schade ist. Er ist körperlich und defensiv stark, geht immer wieder vorn mit rein und ist torgefährlich. Er ist ein toller Spieler“, sagt er, verbunden mit einem Wunsch: „Schöner wäre es, wenn er Sonntag für uns spielen würde.“ Die Wege in und rund um das Ruhrstadion kennt Goretzka aber bekanntlich. Vielleicht führen sie ihn irgendwann auch wieder in die blau-weiße Kabine. Bis dahin sollte er aber seine Augen offen halten.