München. Das 2:4 im Spitzenspiel verdeutlicht die Unterschiede zwischen Dortmund und dem FC Bayern. Trotzdem hofft der BVB, oben dranzubleiben.

Die beiden sind schon mal in einem Zweikampf ineinander gesprungen, Bilder davon wurden vor diesem Spiel herumgereicht. Nun spuckte die große Tür vor dem Münchener Kabinentrakt die ehemaligen Fußballer in neuer Rolle aus. Kameras wurden angeschaltet, Journalistinnen und Journalisten drängelten sich, alle wollten wissen, wie die beiden das einseitige Duell der deutschen Schwergewichte am Samstagabend einordneten.

Zwei Klubs, zwei Funktionäre, zwei Sichtweisen

Sebastian Kehl, 43, Sportdirektor von Borussia Dortmund, Typ Diplomat, faltete die Hände und sagte: „Wir sind Borussia Dortmund, wir sind Borussen, wir stehen wieder auf, und das Ding ist noch nicht erledigt.“

Hasan Salihamidzic, 46, Sportvorstand beim FC Bayern, Typ Pistolero, postierte sich breitbeinig vor der Medienschar. War er selbst nervös nach dem Trainerwechsel? „Das ist das Geschäft.“ Hat er Druck verspürt? „Das ist meine Arbeit.“ Und die Rückkehr an die Tabellenspitze? „Ich hoffe, dass wir mit der Situation gut umgehen können. Wir wollen kämpfen, dass wir den Meistertitel nach Hause bringen.“

Zwei Klubs, zwei Funktionäre, zwei Blickwinkel nach einem Aufeinandertreffen, das verdeutlichte, wie hoch selbst ein angeschlagener FC Bayern im Ernstfall über der Konkurrenz schwebt. Der Serienmeister besiegte mit seinem neuen Trainer Thomas Tuchel die Borussia 4:2 (3:0), rollte zwischenzeitlich über die schwarz-gelbe Defensive hinweg und sprang so wieder mit einem Vorsprung von zwei Punkten auf den ersten Platz.

Der BVB fällt in München in sich zusammen

Eine Entscheidung? Noch nicht, betonten die Dortmunder, für die es nun darum geht, die richtigen Schlüsse aus diesem enttäuschenden Abend zu ziehen. Sie starteten prall gefüllt mit Selbstbewusstsein, bis das Luftloch von Gregor Kobel in der 13. Minute all die Zuversicht aus den Körpern entweichen ließ. Der BVB fiel in sich zusammen wie ein falsch angerührter Kuchenteig; plötzlich fehlte der Mut, die Struktur, die Stabilität. „Wir standen nicht mehr kompakt, jeder hat sein Ding gemacht“, sagte Emre Can. Sebastian Kehl bemängelte die mangelnde Disziplin, die vielen Fehler.

Gregor Kobel erlebte in München einen Abend zum Vergessen.
Gregor Kobel erlebte in München einen Abend zum Vergessen. © getty

Nach dem ersten Tor, begünstigt durch Kobels Aussetzer, rollte der FC Bayern los. Die Nadel auf dem Mia-san-mia-o-meter, beim Anpfiff noch weit unten, schnellte nach oben. Thomas Müller schlich sich bei einem Eckball an den langen Pfosten, Julian Brandt bemerkte dies zu spät, obwohl auf Müllers Schlitzohrigkeit im Vorfeld hingewiesen worden war, wie die Dortmunder Verantwortlichen bemerkten. So aber gewann Matthijs de Ligt das Kopfballduell gegen Nico Schlotterbeck, und Müller drückte den heranfliegenden Ball über die Linie (18.). Nur fünf Minuten später spekulierte der Weltmeister von 2014 auf einen Abpraller von Kobel und nutzte diesen für sein zweites Tor.

Früh Erinnerungen an Dortmunder Blamagen

Drei zu Null nach 22 Minuten: Erinnerungen wurden geweckt an vergangene Dortmunder Blamagen, der Verein zeigte wieder überwunden geglaubte Symptome. Kapitän Marco Reus tauchte ab, bereits nach 61. Minuten nahm ihn Trainer Edin Terzic vom Feld. Julian Brandt verlor zu viele Zweikämpfe, Stürmer Sebastien Haller konnte sich nicht behaupten. Der engagierte, aber überforderte Rechtsverteidiger Marius Wolf hätte Kingsley Coman wohl die Schuhe zusammenknoten müssen, um diesen irgendwie aufzuhalten. In der Halbzeit sei es laut geworden, erzählten die Fußballer nach dem Abpfiff.

Trotzdem dominierte der FC Bayern auch in Hälfte zwei. Leroy Sané zauberte einen Pass auf den Torschützen Coman (40.), viele weitere bayerische Treffer hätten fallen können. Stattdessen nutzte Emre Can einen Strafstoß – Serge Gnabry hatte Jude Bellingham gefoult –, um zu verkürzen (72.). Donyell Malen gestaltete das Ergebnis aus Dortmunder Sicht noch mal etwas freundlicher (90.).

Tuchel soll den Bayern die Flausen austreiben

Dadurch kann sich der Vizemeister anrechnen, nicht vollständig untergegangen zu sein. Nun sollte er sich schnell wieder aufraffen. Am Mittwoch wartet RB Leipzig im DFB-Pokal, am Samstag kommt Union Berlin aus der Hauptstadt ins Ruhrgebiet. Zwei Spiele, in denen sich viel verlieren, aber genauso einiges geradebiegen lässt. „Wir haben vorher gesagt, dass dieses Spiel vielleicht eine kleine Richtung vorgibt, aber noch keine Entscheidung fällt“, sagte Sebastian Kehl.

Thomas Tuchel, neuer Trainer des FC Bayern, im Gespräch mit Leon Goretzka.
Thomas Tuchel, neuer Trainer des FC Bayern, im Gespräch mit Leon Goretzka. © Firo

Denn die Münchener haben sich unter Julian Nagelsmann häufig unerwartete Missgeschicke geleistet. Jetzt soll allerdings Thomas Tuchel der Mannschaft die Flausen austreiben. Am Samstag ließ der 49-Jährige seine neue Elf kontrolliert auftreten, der Fokus lag auf der defensiven Struktur, der Ball sollte in den richtigen Momenten gehalten werden. Und er stärkte Thomas Müller und Leroy Sané den Rücken, die es ihm mit überzeugenden Darbietungen dankten. „Für mich war das Spiel ein bisschen zu offen und zu wild“, sagte Tuchel. „Es gab ganz viele positive Sachen, aber gleichzeitig auch noch richtig viel Luft nach oben."

Der FC Bayern misst sich jetzt erst im Pokal, dann in der Liga mit dem Tabellenvierten SC Freiburg. Einige Tage später beginnt das Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester City. Der April wird herausfordernd – für München und für Dortmund.

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Die beiden Klubs trennen viele Kilometer, viele Millionen, viel Qualität im Kader, aber nur zwei Punkte. „Wir geben nicht auf, dazu gibt es keinen Anlass. Der Weg ist noch nicht zu Ende“, stellte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gegenüber dieser Redaktion klar und tröstete Torhüter Kobel. „Greg wird uns die nächsten Spiele wieder gewinnen. Es geht weiter. Und zwar am Mittwoch.“