Marbella. Durch drei BVB-Neuzugänge verändert sich das Gefüge in der deutschen Nationalmannschaft - sehr zur Freude von Bundestrainer Hansi Flick.
Offiziell, so wollen es die Statuten, albert Niklas Süle mit seinen Vereinskollegen rum, als er in Marbella kurz vor dem Trainingsstart einen Ball mit Joshua Kimmich und Serge Gnabry jongliert, die beide beim FC Bayern angestellt sind. Im Hintergrund lechzen Sträucher auf dem benachbarten Berg nach Wasser, Wolken sucht man im Himmel vergeblich. Hier im Süden Spaniens bereitet sich die deutsche Nationalmannschaft auf die kommenden vier Nations-League-Spiele vor und versucht gleichzeitig, einen besonderen Geist zu entwickeln für die Winter-Weltmeisterschaft in Katar.
Und dabei lassen sich in Spanien erstmals die neuen Kräfteverhältnisse beim Deutschen Fußball-Bund studieren, denn Süle (26) gilt zwar offiziell bis zum 30. Juni als Profi der Bayern, nur endete seine Zeit beim Rekordmeister eigentlich bereits mit dem letzten Pflichtspiel in dieser Saison. Künftig wird der Verteidiger sein Geld im gut 600 Kilometer entfernten Dortmund verdienen. Ende März, als Bundestrainer Hansi Flick seine Auswahl für die Testspiele gegen Israel (2:0) und die Niederlande (1:1) zusammenstellte, suchte man Borussen noch vergeblich (später wurde Julian Brandt nachnominiert). Jetzt stellt der BVB plötzlich wieder einen bedeutsamen Block.
Es gab auch schon Klatsch zwischen Bayern und Dortmundern
Neben Süle haben die Entscheidungsträger in Dortmund Abwehrspieler Nico Schlotterbeck (22) vom Pokalfinalisten SC Freiburg und Angreifer Karim Adeyemi (20) vom österreichischen Meister Red Bull Salzburg verpflichtet, beide nominiert der Bundestrainer immer. Zudem hat Flick den im März noch erkrankten Marco Reus (32) wieder eingeladen, auch Brandt erhält eine weitere Chance, sich in Marbella und bei den vier Nations-League-Spielen gegen Italien (4./14. Juni), England (7. Juni) und Ungarn (11. Juni) zu beweisen. Emre Can (28) und Mats Hummels (33) werden derzeit hingegen vernachlässigt, der zuletzt verletzte Mahmoud Dahoud (26) muss sich steigern, um erneut berücksichtigt zu werden.
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Blickt man in die Vergangenheit, dann bildete fast immer der FC Bayern (in Marbella sind sieben Münchener dabei) das wichtigste Gerüst in der deutschen Mannschaft. Dortmund entwickelte sich erst wieder zu einem Standort für Nationalspieler, als der Klub unter Jürgen Klopp ab 2008 rauschhafte Jahre erlebte, sich zur zweiten Macht in der Bundesliga wuchtete. Bei der Europameisterschaft 2012 belastete die Rivalität zwischen den Bayern und den Dortmundern die Stimmung im Kader. 2014 rauften sich die Spieler zusammen, am Ende wurde Deutschland Weltmeister. Der Ur-Dortmunder Kevin Großkreutz trägt seitdem den WM-Pokal als Tattoo auf der Schulter.
Bundestrainer Hansi Flick freut sich über den neuen BVB-Block
„Ich begrüße die Entwicklung“, sagt Hansi Flick nun, für den die Dortmunder Offensive in Sachen Nationalspieler nicht überraschend kam. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke habe ihm schon Anfang des Jahres angedeutet, dass der BVB deutsche Topspieler verpflichten wolle. „Wenn man zwei Vereine hat, die einen Block bilden, kann man damit erfolgreich sein“, meint Flick. Generell sei es förderlich, wenn die besten Fußballer im eigenen Land spielen würden. „Das bringt uns auch einen Schritt weiter mit Blick auf das übernächste Turnier.“ 2024 findet die Europameisterschaft in Deutschland statt.
Zunächst steht allerdings die Winter-WM in Katar an. Welche Rolle die Dortmunder dabei einnehmen werden, wird die Entwicklung zeigen. Süle und Schlotterbeck sollen im Ruhrgebiet die Defensive festigen. Flick stehen dadurch in der kommenden Saison zwei Abwehrspieler zur Verfügung, die sich schon aus dem Verein kennen. Allerdings wird der Bundestrainer wohl kaum Antonio Rüdiger auf die Bank setzen, der sich beim FC Chelsea auf das höchste Niveau gehievt hat und vor einem Wechsel zu Real Madrid steht.
Schon vor drei Jahren holte der BVB drei deutsche Nationalspieler
Marco Reus hat in der Offensive Chancen auf die Startelf, für den BVB-Kapitän könnte die WM das letzte große Turnier in seiner Karriere werden. Karim Adeyemi steht noch am Anfang seines Weges, er wird vorerst Ergänzungsspieler bleiben. Julian Brandt muss sich ohnehin strecken, um nach Katar reisen zu dürfen.
Und natürlich muss erst mal abgewartet werden, ob die Neuzugänge in Dortmund all die Hoffnungen erfüllen, die in sie gesteckt werden. Schon 2019 verfolgte die Borussia den Plan, wieder ein Wort bei der deutschen Nationalelf mitreden zu wollen. Die Verantwortlichen verpflichteten Brandt, Nico Schulz und im Winter Emre Can. Drei Jahre später hat es von den dreien nur Brandt geschafft, in diesem Sommer nominiert zu werden. Und selbst der steht aufgrund seiner Wankelmütigkeit auf der Kippe.