Peking. Norwegen beherrscht die Spiele in Peking und stellt mit 15 Olympiasiegen einen Rekord auf. Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig.
Ehre, wem Ehre gebührt. Natürlich war es Norwegens Biathlon-Star Johannes Thingnes Bö vorbehalten, für den Rekord bei den Olympischen Winterspielen zu sorgen. Ein flotter Sprung auf die höchste Stufe des Siegerpodests, die Arme weit von sich gestreckt: Auch wenn es für den 28-Jährigen bereits die vierte Goldmedaille bei den Wettbewerben im arktisch-kalten Zhangjiakou war, so lag diesmal doch noch ein besonderes Lächeln auf seinem Gesicht. „Das waren Traum-Spiele“, sagte Bö. „Dass es so gut laufen würde, hätte ich nie gedacht.“
Das gilt nicht nur für den besten Skijäger der Welt, sondern für seine ganze Nation. Bös Triumph im Massenstart am Freitag brachte das Glücksfass zum Überlaufen: Mit 15 Olympiasiegen hat Norwegen nun alleine den winterlichen Goldrekord inne. 14 Mal auf Platz eins hatten die Skandinavier gemeinsam mit den Deutschen (jeweils 2018 in Pyeongchang) und Kanadiern (2010 in Vancouver) gestanden. Schön ist es, Norweger in China zu sein.
Ein Exot ist auch bei Norwegens Olympiasiegern dabei
Das gilt in erster Linie für die Biathleten um Bö, die in den elf Wettbewerben nur mit der Frauen-Staffel medaillenlos blieben. Johannes Thingnes Bö also viermal Gold, Marte Olsbü Röiseland (31) dreimal. In ihrer eigentlichen Paradedisziplin, dem Langlauf, schlugen die Norweger viermal zu, je zweimal durch Nationalheld Johannes Klaebo (25) und Therese Johaug (33). Team-Gold gab es in der Nordischen Kombination und im Skispringen, ergänzt durch Einzel-Gold für Kombinierer Jörgen Grabaak (31) und Skispringer Marius Lindvik (23). Wie ein Exot wirkt da der 15. Olympiasieger: Im Ski Freestyle sprang niemand so gut wie Ruud Birk (21) von der Big-Air-Schanze. „Ich denke, sie sind zufrieden“, sagte Klaebo über die Fans daheim.
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Abgesehen von den idealen klimatischen Voraussetzungen: Was macht das Land so dominierend, das von der Fläche her zwar größer als Deutschland ist, aber nur 5,4 Millionen Einwohner zählt?
Keine Prämie, sondern: "Ein System für Freude und Glück"
Es lässt Kinder bis zu zwölf Jahren spielend Sport treiben, ohne zu zählen oder Ranglisten zu erstellen – dafür wird dem Nachwuchs schnell Eigenverantwortung übertragen. Es stellt die Gesundheit der Bürger in den Mittelpunkt: 2,9 Millionen Norweger sind in Vereinen gemeldet, das Familienleben wird oft nach dem Sport ausgerichtet. Es fördert mit dem Geld aus dem Ölverkauf zwar Talente früh mit Stipendien, zahlt aber auch jetzt in Peking keinen Euro Prämie für einen Olympiasieg. Wobei sich der Erfolg schon durch viele Sponsoren-Zuwendungen auch monetär auszahlt.
„Unser System ist nicht auf Erfolg eingestellt, es ist mehr ein System für Freude und Glück: Freude am Sport zu haben und vor allem gesund zu sein“, sagte Vetle Sjaastad (29), nachdem der Biathlet bei seinen ersten Olympischen Spielen die Staffel als Schlussläufer noch zu Gold geführt hatte. „Vielleicht sind wir deshalb so erfolgreich, weil wir wirklich Spaß daran haben.“
Langweile droht durch den FC-Bayern-Effekt
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Nicht so erfolgreiche Tage gibt es selbstredend auch für das norwegische Team. Welten sind eingestürzt, als die deutschen Langläuferinnen Katharina Hennig (25) und Victoria Carl (26) im Teamsprint zu Gold gelaufen waren. Die Einzigen, die jubelten, waren die Fernseh- und Rundfunkanstalten. Zwar erzielen Klaebo und Co. immer noch glänzende Einschaltquoten in der Heimat, aber die Langlaufnation fürchtet, sich zu Tode zu siegen, wenn sie der verzweifelt hinterherhechelnden Konkurrenz die Lust nimmt.
Das ist so etwas wie der FC-Bayern-Effekt aus der deutschen Fußball-Bundesliga: Wenn immer die Gleichen gewinnen, elektrisiert es nicht mehr die Massen. Deswegen rief ein Kommentator des öffentlich-rechtlichen NRK beim Sieg der Deutschen Hennig und Carl: „Für den Sport ist das genau das, was wir brauchen.“ Norwegens Tiril Udnes Weng (25) fühlte sich nach ihrem fünften Platz indes „wie eine Landesverräterin“.
Norweger wecken in Peking Erinnerungen an St. Moritz
Am Schluss-Wochenende ist aber wieder Gold-Jubel vorgesehen, auch wenn es nicht erneut insgesamt 39-mal Edelmetall (aktuell 34) wie vor vier Jahren in Südkorea geben wird. Von ganz alter Dominanz ist Norwegen selbst mit dem Goldrekord weit entfernt: 1928 in St. Moritz gewann Team Norge sechs der 14 Wettbewerbe, also 43 Prozent. Das wären auf heute hochgerechnet 47 Goldmedaillen. Das ist selbst für Norwegen nicht zu schaffen.