Yanqing/Oberhof. In der Nacht zum Sonntag will auch der Vierer-Bob zu Gold fahren. Der verletzte Alexander Rödiger erklärt, wie die deutsche Crew tickt.
Bleibt Friedrich der Größte? Kann der Ausnahmepilot Francesco Friedrich das Doppel-Gold von 2018 wiederholen und nach Olympiasiegen mit dem großen André Lange gleichziehen? Nach seinem Triumph im Zweierbob wird in der Nacht zum Sonntag die Entscheidung im Vierer fallen (ab 2.30 Uhr/MEZ).
Einer fiebert ganz besonders am heimischen TV mit: Alexander Rödiger (36) gehörte in dieser Saison zur Friedrich-Crew, träumte nach zweimal Silber 2010 und 2018 von der nächsten olympischen Medaille. Doch dann zog er sich im November beim Ausladen der Geräte einen Bizepssehnen-Riss zu. Gefolgt von einer Corona-Infektion bedeutete dies sein Aus für Peking. Beim Weltcup-Abschluss im Januar in St. Moritz erlebte der Thüringer einen emotionalen Abschied in der Bahn. Ab April wird er am Oberhofer Stützpunkt das Trainerteam verstärken. Hier verrät Rödiger, welche Typen der deutschen Olympiamannschaft ein goldenes Bob-Finale bescheren wollen.
Francesco Friedrich (31)
"Wenn man die Truppe mit dem legendären ,A-Team' aus der TV-Serie vergleichen will, ist Franz ganz klar ,Hannibal'. Ein Professor, der alles bis ins kleinste Detail plant, extrem akribisch und penibel ist. Von der Trainingsmethodik bis zur Kufen-Bearbeitung. Vor den Rennen achtet er auf exakte Abläufe, zieht immer ein bestimmtes Paar Handschuhe an. Zudem ist er zu jedem Teammitglied absolut loyal, gibt jedem eine Chance und ist stets um eine gute Stimmung bemüht. Ich bin ihm sehr dankbar, dass ich meine Karriere in St. Moritz im Schlitten und mit dem zweiten Platz beenden konnte. Das werde ich ihm nie vergessen. Franz ist auch ein totaler Familienmensch. Das zeigte er ja nach dem Sieg im Zweier, als er ein Kleeblatt unter seinem Anzug kleben hatte – mit den Anfangsbuchstaben seiner Söhne Karl und Hannes sowie seiner Frau Magdalena."
Thorsten Margis (32)
"Er war früher ein Zehnkämpfer, machte irgendwann seine ersten Fahrten mit Oliver Harraß in Oberhof – und blieb dem Bob treu. Beim „A-Team“ wäre er ,Face' – er hat das gleiche strahlende Lächeln. Er hat Maschinenbau studiert und ist hochintelligent, wird am Start aber zum Monster. Außerdem ist er für die Unterhaltung zuständig, hat immer Soundsystem, Rechner und Fernseher dabei. Zur Einstimmung dröhnt vor allen Rennen die Filmmusik von ,The Purge' aus unserer Riesen-Box. Das ist das Zeichen für jeden: Jetzt ist Alarm!"
Candy Bauer (35)
"Ein Kerl wie ein Baum – und damit so etwas wie der ,B.A. Baracus' des Teams. Ich kenne ihn noch aus gemeinsame Kugelstoßer-Zeiten. Er hat die Ruhe weg und besitzt neben vielen Muskeln auch einen herrlichen Humor. Candy steht auf ,Heavy Metal', also die richtig harten Klänge. Und mit seinen trockenen Sprüchen bringt er alle zum Lachen. Im Team ist er so ein bisschen wie der große Bruder von Alex Schüller, hilft ihm manchmal auf die Sprünge."
Alexander Schüller (24)
"Er ist der Rookie in der Truppe, mit 24 mit Abstand der Jüngste. Und er hat als Einziger keine Kinder. Manchmal wirkt er ein bisschen ,verpeilt' und beinahe schon zu nett. Aber wenn es in der Bahn ernst wird, verliert der Junge seine Zurückhaltung. Dann setzt er die Startbestzeiten. Da ist er echt eine Maschine. Mit Thorsten kämpfte er ja auch lange auf Augenhöhe um den Platz im Zweier bei Olympia. Im „A-Team“ wäre er auf jeden Fall ,Murdock' – etwas verrückt, aber sehr liebenswert."
Martin Grothkopp (35)
"Als Ersatzmann flog Martin den Jungs nach Peking hinterher. Er steht bereit, wenn er gebraucht wird. Auch er kommt von der Leichtathletik, war früher 400-Meter-Läufer in Dresden und wechselte durch Francescos Bruder David zum Bobfahren. Er ist Diplom-Ingenieur und mittlerweile selbständig. Als Mann im Hintergrund des Teams kümmert er sich um viele organisatorische Dinge, koordiniert die Termine und bringt seine Geschäftsideen ein.
Insgesamt verstehen wir uns nicht nur beim Sport sehr gut, sondern unternehmen oft auch etwas zusammen. Es muss aber Action sein; es herrscht immer Wettkampf. Alle fahren gern schnell Auto. Und selbst beim Ausflug mit dem E-Roller geht es ums Gewinnen. Da kann niemand raus aus seiner Haut. Der Geschwindigkeitsrausch steckt uns Bobfahrern eben im Blut."