Wolfsburg. Süles Corona-Fall sorgt für Aufregung im DFB-Quartier. Neben ihm und Kimmich müssen drei weitere Nationalspieler in Quarantäne.
Die sechs Autogrammjäger, die es am frühen Dienstagmorgen bis vor das Nationalmannschaftshotel Ritz Carlton geschafft hatten, ahnten bereits, dass ihr Einsatz umsonst gewesen war. „Ich habe schon gehört, dass es einen Corona-Fall beim DFB gegeben hat“, sagte ein enttäuscht klingender Fan mit Maske, der zuvor neben der 2G-Kontrolle am Eingang der Autostadt in Wolfsburg auch an mehreren Ordnern vorbeigekommen war. Nachdem die Medienabteilung des DFB wenige Minuten später das Gerücht, das der Fan aufgeschnappt hatte, via Pressemitteilung bestätigte, war der Tag für die Unterschriftensammler gelaufen. Zwei Sicherheitsmänner des Hotels baten sie und alle wartenden Journalisten höflich, das Hotelgelände zu verlassen.
„Gesundheitsamt ordnet Quarantäne für Nationalspieler an“, stand über dem nüchternen Kommuniqué, das der DFB gegen 10.30 Uhr auf der verbandseigenen Homepage veröffentlichte. Darunter stand: „Die am Montag durchgeführte PCR-Testung (…) hat am Abend ein positives Testergebnis ergeben.“ Es dauerte nicht lange, ehe auch der Name des Erkrankten durchsickerte: Niklas Süle.
Debatte über Impfstatus mehrerer Nationalspieler
„Diese Nachricht ist so kurz vor den abschließenden Spielen in der WM-Qualifikation sehr bitter – für das Trainerteam wie für die gesamte Mannschaft“, sagte wenig später DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der sich am Mittag gemeinsam mit Teamarzt Tim Meyer in einem Pavillon in der Autostadt den Fragen der Medienvertreter stellte. Dabei bestätigten die beiden auch die längst viral verbreitete Nachricht, dass neben Süle noch vier weitere Spieler nach einer Anordnung des Gesundheitsamtes München-Land in Quarantäne mussten: Süles Bayern-Kollegen Jamal Musiala, Joshua Kimmich und Serge Gnabry sowie der Salzburger Karim Adeyemi.
Dies überrascht insofern, als dass der mit Süle am Vorabend um 19.37 Uhr im Shuttlebus angereiste Leroy Sané nicht separiert wurde, die parallel angereisten Kimmich und Gnabry dagegen sehr wohl. Auf Nachfrage erklärte Teamarzt Meyer, dass sowohl der Impfstatus, die Kontaktdauer und die Frage nach Symptomen eine Rolle bei der Quarantäne spiele.
Laut den Vorgaben des RKI geht es im Normalfall allerdings nur um den Impfstatus sowie der Frage nach Symptomen, sodass man bei den drei Nationalspielern, die neben Süle und dem ungeimpften Kimmich nach Hause chauffiert wurden, davon ausgehen darf, dass sie ebenfalls ungeimpft oder Personen mit Symptomen sind. Aus Schutz der Persönlichkeitsrechte konnte dies zwar nicht bestätigt werden, es dürfte die ohnehin sehr emotional geführte Impfdebatte aber weiter befeuern.
Keine Aussagen über die Dauer der Quarantäne
So wurde bereits vor Wochen berichtet, als Kimmich seine Impfskepsis öffentlich erklärte, dass noch weitere Bayern-Profis nicht geimpft seien. Süle selbst, der genau wie Gnabry bereits einmal falsch-positiv getestet worden war, gehört nach Angaben des DFB allerdings nicht zu dieser Gruppe. Der Innenverteidiger sei zweimal geimpft, hätte am Abend vor der PCR-Testung im Mannschaftshotel auch keinerlei Symptome bemerkt.
Wie lange neben dem Salzburger Adeyemi nun auch die Bayern Süle, Kimmich, Gnabry und Musiala in Quarantäne müssen, konnte Mannschaftsarzt Meyer nicht voraussagen. „Das liegt in der Hand des lokalen Gesundheitsamtes“, sagte Meyer. „Das hängt auch davon ab, ob Beschwerden auftreten und wie eventuelle Folgetests ausfallen.“ Für die Münchner ist die Situation ohnehin nicht neu. Mit Thomas Müller, Corentin Tolisso, Leon Goretzka, Benjamin Pavard, dem Ex-Bayer Javi Martinez (jetzt Qatar SC), Physio Gianni Bianchi und zuletzt Trainer Julian Nagelsmann waren zuvor schon sieben Bajuwaren an Corona erkrankt. Am Dienstagnachmittag erklärte der deutsche Rekordmeister, dass auch Eric Maxim Choupo-Moting in Quarantäne müsse, er hatte zuvor Kontakt zu Süle.
Süles Fall und die Quarantäne-Anordnung für das mitgereiste Quartett dürften nun die bereits angestoßene Diskussion über eine Impfpflicht für Fußballprofis neu entfachen. Bereits am Wochenende hatte sich St. Paulis Präsident Oke Göttlich im „Sportclub“ des NDR für eine strikte Einführung einer 2G-Regelung für Fußball-Profis ausgesprochen. „Ich bin klarer Befürworter für 2G – für sämtliche Akteure im Fußball, für alle“, sagte der Chef des Hamburger Zweitligisten, dessen Spiel gegen den SV Sandhausen nach 18 (!) Corona-Fällen beim Gegner abgesagt werden musste. DFB-Arzt Meyer widersprach mit dem Verweis auf die Gesetzgebung des Arbeitnehmerschutzes: „Da kann die Liga nicht einfach sagen: Wir machen das anders.“
Gesundheitsamt separiert vier weitere Spieler vom Team
Ganz anders als geplant machte es am Dienstag Bundestrainer Hansi Flick, der eigentlich am Vormittag erstmals mit seiner Mannschaft auf Trainingsplatz D neben der VW-Arena wollte. Flick rief stattdessen seine Spieler zu einer langen Mannschaftssitzung am Vormittag zusammen, um über alle Folgen von Süles Corona-Erkrankung aufzuklären, und holte das ausgefallene Training am Nachmittag nach. Bereits auf dem Platz dabei waren die nachnominierten Wolfsburger Ridle Baku (23) und Maximilian Arnold (27). Die ebenfalls nominierten Jonathan Tah (25/Leverkusen) und Kevin Volland (29/Monaco) sollen einen Tag später ins Training einsteigen. Ein DFB-Quartett rund um Sané und Manuel Neuer, die gemeinsam mit Süle im Flieger angereist waren, durfte zwar trainieren, musste sich auf Anweisung des Gesundheitsamtes im Hotel allerdings vom Rest der Gruppe separieren.
Bayern-Profis lassen sich nicht überzeugen
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Glaubt man Bierhoff, hat der Rummel um die Corona-Erkrankung Süles und die Frage darüber, wer neben Kimmich ebenfalls noch ungeimpft sei, keine größeren Auswirkungen auf die Stimmung der Mannschaft. Er habe dazu „überraschenderweise noch keinen Spruch von Thomas Müller gehört“, scherzte der DFB-Direktor, „aber ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Tagen kommt.“ Genauso wie mutmaßlich eine weitere Ermahnung von Mannschaftsarzt Meyer, der bereits vor der Europameisterschaft alle Nationalspieler dringend zu einer Impfung geraten hatte. Nur überzeugen konnte der Mediziner dabei offenbar nicht alle – zumindest nicht alle Fußballer von Rekordmeister Bayern München.
Und die Autogrammjäger? Die mussten wenigstens nicht mit ganz leeren Händen nach Hause. Am Vorabend hatten der England-Legionär Kai Havertz, der selbst bereits an Corona erkrankt war, nach seiner Ankunft fleißig Bildchen signiert und für Selfies posiert. Selbstverständlich mit Maske.